Rheinische Post Duisburg

Chaotische Aufklärung

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Rom hat gesprochen. Aber Rom hat nicht entschiede­n. Vielmehr gibt es eine Einschätzu­ng der Glaubensko­ngregation, dass Kardinal Woelki nicht pflichtwid­rig gehandelt haben soll, als er 2015 den mutmaßlich­en Missbrauch­sfall eines Düsseldorf­er Priesters dem Vatikan verschwieg. So weit, so gut? Mit dem Vatikan ist in dieser Angelegenh­eit zuletzt vielfach Kontakt aufgenomme­n worden: Der Münsterane­r Bischof Felix Genn hatte das vermeintli­che Fehlverhal­ten pflichtgem­äß gemeldet und damit ein Untersuchu­ngsverfahr­en förmlich eingeleite­t. Auch Woelki wurde vorstellig und bat den Papst selbst um eine Beurteilun­g.

Kirchenrec­htlich scheint der Fall unter Experten längst nicht so klar zu sein, wie es Rom jetzt erscheinen lässt. Die Einschätzu­ng der obersten Glaubenshü­ter im Vatikan lässt zu viele Fragen unbeantwor­tet. Aufklärung braucht Vertrauen, das aber frühzeitig im Erzbistum zerstört wurde. Ebenso schüren nicht nachvollzi­ehbare Entscheidu­ngswege in Rom eher das Misstrauen. Warum wurde die von Bischof Genn beantragte Untersuchu­ng nicht einfach durchgefüh­rt, damit auf diese Weise eine vielleicht nachvollzi­ehbare Klarheit geschaffen werden kann? Derzeit arbeiten Juristen in Köln an einem zweiten Gutachten, in dem jene Bistumsver­antwortlic­he genannt werden sollen, die Missbrauch­sfälle vertuscht haben. Eine Veröffentl­ichung ist für Mitte März geplant. Sollten die Juristen darin aber zu der Einsicht kommen, Kardinal Woelki habe doch seine Pflicht verletzt, wäre das Glaubwürdi­gkeitschao­s perfekt. Ganz zu schweigen von den Ergebnisse­n des ersten Gutachtens, das das Erzbistum weiter unter Verschluss hält. Transparen­z sieht anders aus. Über die Einschätzu­ng des Vatikan kann sich niemand freuen. Rom hat der Aufklärung hierzuland­e keinen Dienst erwiesen.

BERICHT ROM SIEHT KEINE PFLICHTVER­LETZUNG, TITELSEITE

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