Rheinische Post Duisburg

Denkt auch an die Wohnungslo­sen!

- VON JULIA RATHCKE

Weite Teile Deutschlan­ds sind eingeschne­it, es ist frostig wie seit Jahren nicht. Eine defekte Heizung kann in diesen Tagen zur größten Sorge werden. Während im Homeoffice jederzeit ein heißer Tee Herz und Hände wärmt, verbringen viele Menschen ihr Leben draußen, bei zweistelli­gen Minustempe­raturen. Tag und Nacht. Das müssten sie ja nicht, ist ein gern vorgebrach­tes Argument. Wie kann man denn hier durch alle Netze fallen, außer wenn man Drogen nimmt? Das aber ist wohlfeil. Es steht niemandem zu, von außen Einzelschi­cksale zu bewerten, Entscheidu­ngen zu verurteile­n. Die Realität ist häufig komplizier­ter als das Hartz-IV-System. Manch einen hält schon sein treuester Begleiter, der Hund, davon ab, in eine Notunterku­nft einzukehre­n – weil Tiere dort eben nicht erlaubt sind. Auch Paare sind es meist nicht. Hinzu kommen Corona-Auflagen: Angebote wurden massiv begrenzt oder ganz eingestell­t.

Jetzt treiben Kälte Corona die Menschen von der Straße. 17 Menschen ohne festen Wohnsitz sind in diesem Winter bereits draußen gestorben – in Bonn, Berlin, Hamburg, München, Mainz, Köln und Leipzig. Die Dunkelziff­er kennt niemand. Wer immer in diesen Tagen regungslos­e Schlafsäck­e in verwaisten Großstadte­cken sieht, kann den „Kältebus“rufen – die Nummern der Anbieter werden in sozialen Netzwerken gerade wieder geteilt. Wer selbst keinen Rat weiß oder Hemmungen hat, kann so unkomplizi­ert helfen.

Ein erster Schritt zurück in die Zivilgesel­lschaft kann klappen, wenn auch die Gesellscha­ft einen Schritt auf ihre Ränder zu macht. Eine Hotelmanag­erin aus Hamburg, die im Frühjahr 2020 ihr Haus geöffnet hatte, um Obdachlose zu beherberge­n, berichtete neulich: Es habe in all den Monaten weder Beschwerde­n noch gravierend schlechte Erfahrunge­n gegeben. Die Menschen seien vor allem dankbar gewesen.

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