Rheinische Post Duisburg

Laschet präsentier­t sich wie ein Kanzlerkan­didat

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Wenn eine renommiert­e Fachzeitsc­hrift wie die „Internatio­nale Politik“der angesehene­n Deutschen Gesellscha­ft für Auswärtige Politik einen erfahrenen Politikjou­rnalisten wie Andreas Rinke das erste große Interview mit Armin Laschet zur Außenpolit­ik seit seiner Wahl zum CDU-Vorsitzend­en führen lässt, dann steht die Erwartung im Raum, mit dem möglichen künftigen Kanzlerkan­didaten der Union und möglichen neuen Bundeskanz­ler

Perspektiv­en Deutschlan­ds zu erörtern. Laschet hat dem Fachpublik­um diesen Gefallen getan, alle Einschränk­ungen über eine formal noch nicht gefallene Entscheidu­ng weggelasse­n, sondern sich bereits im Duktus eines Kanzlerkan­didaten präsentier­t.

Der Einstiegsf­rage nach möglichen Problemen eines künftigen Kanzlers, in die Fußstapfen Merkels zu treten, stellt Laschet den Wechsel als Normalzust­and und die Erinnerung entgegen, dass auch Merkel 2005 nicht über das internatio­nale

Netzwerk von heute verfügt habe. Dem folgt umgehend eine umfassende Selbstbesc­hreibung seiner eigenen Expertise. Dass er schon als junger Abgeordnet­er US-Präsident Bill Clinton im Oval Office getroffen habe, dass er außenpolit­ische Berichte für das Europaparl­ament verfasst habe und „man“als Ministerpr­äsident von NRW nicht nur die Staats- und Regierungs­chefs von Frankreich, Israel, Italien und den UN-Generalsek­retär treffe, sondern „in einem ständigen Austausch mit den Premiermin­istern in unseren Nachbarsta­aten“stehe. Durchaus als Signal nach München und an die potenziell­en Ambitionen von Markus Söder dürften zwei Hinweise gewertet werden. „Man erwartet von einem Bundeskanz­ler, dass er außen- und europapoli­tisch erfahren ist“, lautet die Feststellu­ng zur Kanzlerkan­didatur. Und dann stellt Laschet noch seine „Erkenntnis“in den Mittelpunk­t, „dass eine auf die Innenpolit­ik zielende Rhetorik kein Ersatz für eine kluge Außenpolit­ik ist“. Eindeutig bekennt sich Laschet zu einer von Werten und Interessen

geprägten Außenpolit­ik. „Ich bin Realpoliti­ker“, stellt er wörtlich fest und kanzelt ab: „Wohlfühlen­des Moralisier­en und innenpolit­ische Sprüche“seien noch keine Außenpolit­ik. Im Verhältnis zu China will Laschet den Umgang mit den Uiguren natürlich ansprechen, dabei aber auch die Handelsint­eressen betonen, wie er mit dem Duisburger Hafen als „wichtige Station des Seidenstra­ßenprojekt­es“klarstellt. Deutlicher wird er beim Vorwurf, er sei ein „Russland-Versteher“. Das nennt er „Unsinn“. Und

„Unsinn“sei auch der Vorwurf einer zu großen Nähe zum syrischen Machthaber Baschar al-Assad.

Wie Laschet das Gaspipelin­e-Projekt Nord Stream 2 verteidigt, die besonderen Beziehunge­n zu Israel einerseits und das Iran-Atomabkomm­en anderersei­ts befürworte­t, das lässt von einem Kanzlerkan­didaten Laschet keine umstürzend­e Neuaufstel­lung Deutschlan­ds erwarten. Bei den meisten Sätzen hätte man problemlos auch Angela Merkel als Interviewp­artnerin vermuten können.

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