Laschet präsentiert sich wie ein Kanzlerkandidat
BERLIN Wenn eine renommierte Fachzeitschrift wie die „Internationale Politik“der angesehenen Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik einen erfahrenen Politikjournalisten wie Andreas Rinke das erste große Interview mit Armin Laschet zur Außenpolitik seit seiner Wahl zum CDU-Vorsitzenden führen lässt, dann steht die Erwartung im Raum, mit dem möglichen künftigen Kanzlerkandidaten der Union und möglichen neuen Bundeskanzler
Perspektiven Deutschlands zu erörtern. Laschet hat dem Fachpublikum diesen Gefallen getan, alle Einschränkungen über eine formal noch nicht gefallene Entscheidung weggelassen, sondern sich bereits im Duktus eines Kanzlerkandidaten präsentiert.
Der Einstiegsfrage nach möglichen Problemen eines künftigen Kanzlers, in die Fußstapfen Merkels zu treten, stellt Laschet den Wechsel als Normalzustand und die Erinnerung entgegen, dass auch Merkel 2005 nicht über das internationale
Netzwerk von heute verfügt habe. Dem folgt umgehend eine umfassende Selbstbeschreibung seiner eigenen Expertise. Dass er schon als junger Abgeordneter US-Präsident Bill Clinton im Oval Office getroffen habe, dass er außenpolitische Berichte für das Europaparlament verfasst habe und „man“als Ministerpräsident von NRW nicht nur die Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Israel, Italien und den UN-Generalsekretär treffe, sondern „in einem ständigen Austausch mit den Premierministern in unseren Nachbarstaaten“stehe. Durchaus als Signal nach München und an die potenziellen Ambitionen von Markus Söder dürften zwei Hinweise gewertet werden. „Man erwartet von einem Bundeskanzler, dass er außen- und europapolitisch erfahren ist“, lautet die Feststellung zur Kanzlerkandidatur. Und dann stellt Laschet noch seine „Erkenntnis“in den Mittelpunkt, „dass eine auf die Innenpolitik zielende Rhetorik kein Ersatz für eine kluge Außenpolitik ist“. Eindeutig bekennt sich Laschet zu einer von Werten und Interessen
geprägten Außenpolitik. „Ich bin Realpolitiker“, stellt er wörtlich fest und kanzelt ab: „Wohlfühlendes Moralisieren und innenpolitische Sprüche“seien noch keine Außenpolitik. Im Verhältnis zu China will Laschet den Umgang mit den Uiguren natürlich ansprechen, dabei aber auch die Handelsinteressen betonen, wie er mit dem Duisburger Hafen als „wichtige Station des Seidenstraßenprojektes“klarstellt. Deutlicher wird er beim Vorwurf, er sei ein „Russland-Versteher“. Das nennt er „Unsinn“. Und
„Unsinn“sei auch der Vorwurf einer zu großen Nähe zum syrischen Machthaber Baschar al-Assad.
Wie Laschet das Gaspipeline-Projekt Nord Stream 2 verteidigt, die besonderen Beziehungen zu Israel einerseits und das Iran-Atomabkommen andererseits befürwortet, das lässt von einem Kanzlerkandidaten Laschet keine umstürzende Neuaufstellung Deutschlands erwarten. Bei den meisten Sätzen hätte man problemlos auch Angela Merkel als Interviewpartnerin vermuten können.