Rheinische Post Duisburg

„Flucht-Mutation“in britischer Variante

Der neue Coronaviru­s-Typ bewies in Tests, dass er dem Immunsyste­m ein Stück weit entgehen kann.

- VON REGINA HARTLEB

LONDON Eine neue Entdeckung im Erbgut der britischen Sars-CoV-2-Mutation B.1.1.7 lässt die Fachwelt aufhorchen. Wissenscha­ftler haben dort eine Veränderun­g aufgespürt, die bisher nur in der südafrikan­ischen Mutation gefunden wurde. Das berichtet die britische Gesundheit­sbehörde Public Health. Es handelt sich um die Mutation mit dem sperrigen Kürzel E484K. Zwar haben die Wissenscha­ftler sie bisher nur in einer sehr geringen Anzahl von Proben gefunden – lediglich in elf von 200.000, berichtet der Sender Sky News. Trotzdem ist dies für die Forscher ein bedeutsame­r Hinweis, denn: „Dies deutet darauf hin, dass die britische Variante nun selbststän­dig die E484K-Änderung entwickelt“, sagte Jonathan Stoye vom Francis Crick Institute.

Warum bereitet die Entdeckung den Experten Sorge? Die Mutation E484K war bislang typisch für die Südafrika-Mutante B.1.351. Sie verstärkt – ähnlich wie die britische Variante – die Bindungsei­genschafte­n des Spike-Proteins an den Rezeptor der Zielzellen und führt so zu einer erhöhten Ansteckung­s- und Verbreitun­gsgefahr. Aber Forscher attestiere­n ihr eine weitere unschöne Eigenschaf­t: E484K gilt als sogenannte Flucht-Mutation. Es gibt Hinweise aus Labortests, dass Viren mit dieser Mutation den Antikörper­n der Immunabweh­r entkommen können. Antikörper aus dem Blut genesener Covid-19-Patienten konnten in britischen Labortests das Virus nicht oder nur unzureiche­nd neutralisi­eren. Offenbar binden Antikörper schlechter an das Spike-Protein

mit der Mutation E484K.

Grund zur Panik gibt es dennoch nicht. Zum einen, weil die Datenlage noch sehr dünn ist. Und Experte Stoye betont: „Es bleibt abzuwarten, ob diese Mutation dem neuen Virus einen Wachstumsv­orteil verschaffe­n wird.“Außerdem: Dass die Immunantwo­rt etwas schlechter ausfällt, bedeutet nicht, dass Impfungen ihren Nutzen verlieren. Selbst bei einer Veränderun­g um den Faktor zehn sollte der Schutz laut Experten noch wirken.

Unbedingt aber gibt die neue Entdeckung

Anlass zur weiteren genauen Beobachtun­g. Denn die Immunantwo­rt unterschei­det sich von Mensch zu Mensch, und die Bildung von Antikörper­n ist nicht bei jedem gleich stark ausgeprägt. Auf Twitter äußern sich Experten besorgt über die veränderte britische Mutation, etwa der US-amerikanis­che Wissenscha­ftler Eric Feigl-Ding und der Mediziner und SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach. Er twitterte: „Das wäre besonders gefährlich­e Kombi: Verbindet Ansteckung UK Variante mit Risiko der Infektion trotz Impfung Vorinfekti­on/Impfung. Was tun?“

Die konsequent­e Sequenzier­ung der Virengenom­e bleibt ein wichtiger Baustein, um die weitere Entwicklun­g der Mutationen zu verfolgen. Nur so lässt sich überwachen, inwieweit sich neue genetische Varianten mit veränderte­n Eigenschaf­ten ausbreiten. Denn selbst wenn eines Tages eine Mutation auftreten sollte, gegen die die Impfungen nicht wirken, könnte man dann schnell reagieren. Gerade die mRNA-Impfstoffe lassen sich nach Hersteller­angaben innerhalb von sechs Wochen modifizier­en.

 ?? FOTO: DPA ?? Die Aufnahme von österreich­ischen Forschern zeigt eine 3D-Abbildung von SarsCoV-2-Viren aus schockgefr­orenen Proben.
FOTO: DPA Die Aufnahme von österreich­ischen Forschern zeigt eine 3D-Abbildung von SarsCoV-2-Viren aus schockgefr­orenen Proben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany