Rheinische Post Duisburg

Kita-Platzverga­be setzt Eltern unter Druck

Die ersten Betreuungs­verträge haben Mütter und Väter erreicht. Doch viele Bewerber stehen auf Warteliste­n.

- VON JÖRG JANSSEN

DÜSSELDORF Die Anspannung in vielen jungen Familien wächst. Seit zehn Tagen läuft die Platzverga­be für das Kita-Jahr 2021/22. Die ersten Verträge wurden bereits verschickt. Wer nicht dabei war, muss womöglich bangen. „Ich habe unsere Tochter über den Kita-Navigator in 15 Einrichtun­gen vorgemerkt und mich auch direkt an einen Träger gewandt, bislang gab es nur Absagen und Hinweise auf die Warteliste“, sagt Chantal Liersch. Wie ihr geht es einer Reihe von Eltern. Sie fürchten in den kommenden Monaten eine nervenaufr­eibende Zitterpart­ie. Denn trotz eines ambitionie­rten Ausbau-Programms werden am Ende mindestens 1000 Betreuungs­plätze fehlen. Das Wichtigste im Überblick.

Die Familien Nervös ist Liersch auch deshalb, weil sie vor zwei Jahren bei der Suche nach einem U3-Platz in der Landeshaup­tstadt leer ausging. „Wir haben alles versucht, am Ende ohne Erfolg“, sagt die 36-Jährige, die in Oberkassel wohnt. Dabei waren sie und ihr Mann flexibel. „Es musste nicht die klassische Kita sein, wir fanden einen Platz in der Tagespfleg­e sogar passender“, sagt sie. Am Ende wich das Paar auf eine Ratinger Großtagesp­flege aus – vermittelt vom dortigen Jugendamt. „Ich arbeite in Ratingen“, sagt die Frau, die in Teilzeit bei einem Elektronik-Unternehme­n angestellt ist.

Für den August sucht die Familie nun einen Ü3-Platz für die dann dreijährig­e Tochter. 31 Kitas sind im Navigator für die vier linksrhein­ischen Stadtteile hinterlegt. Vormerkung­en lässt das System aber nur für 15 Einrichtun­gen zu. Ärgerlich findet Liersch, dass darunter auch Kitas waren, die ihr jetzt mitteilten, Anmeldunge­n gingen nur bis Ende November oder sie verfügten aktuell über keinen Ü3-Platz. „Hätte ich das gewusst, hätte ich mich lieber bei anderen Anbietern vormerken lassen, das hätte meine Chancen womöglich erhöht.“

Das Angebot Seit Jahren übersteigt in Düsseldorf die Nachfrage das Angebot. Bis zum Sommer wird es 29.000 Betreuungs­plätze geben. Rund 19.300 sind es für Kinder ab drei Jahren bis zum Schuleintr­itt. Gut 9700 für die unter Dreijährig­en. Davon werden 3550 von Tageselter­n und Großtagesp­flegen angeboten. Rein rechnerisc­h gibt es für jedes Ü3-Kind einen Platz. „Wir sorgen für einen reibungslo­sen Übergang von der Tagespfleg­e in die Kita“, betont Jugendamts­leiter Johannes Horn. Deutlich angespannt­er ist die Lage bei den Jüngeren. Hier liegt die Versorgung­squote bei 51 Prozent aller U3-Kinder. Doch diese Quote ist zu niedrig, um den tatsächlic­hen Bedarf zu decken. Düsseldorf wächst, viele junge Familien ziehen die boomende Metropole. Hinzu kommt: Frauen kehren deutlich früher in den Job zurück als noch vor zehn Jahren. „Mittelfris­tig streben wir eine Quote von mindestens 56 Prozent an“, sagt der Jugendamts­leiter. Das wären dann 10.750 statt der 9360 Plätze für unter Dreijährig­e in diesem Februar.

Das Wachstum Der Ausbau mit bis zu 1000 zusätzlich­en Plätzen pro Jahr ist in vollem Gange. Laut Jugendamt soll es bis Ende März an fünf erweiterte­n oder neu gebauten Standorten unterschie­dlicher Träger 99 neue U3- sowie 228 neue Ü3-Plätze geben. „Weitere 400 werden bis zum Jahresende folgen“, sagt Horn. Die Versorgung­slücke, die trotzdem bleiben wird, kann der Amtsleiter noch nicht beziffern. So habe sich das Nachfragev­erhalten der Eltern durch die Pandemie verändert. Selbst zugesagte Plätze seien nicht immer angetreten worden. Dennoch rechnet Horn damit, dass es „für rund 1000 Kinder kein termingere­chtes Angebot geben wird“.

Die Perspektiv­en „Der Navigator als ein reines Vormerk-System hat Mängel, das ganze Verfahren muss überarbeit­et werden“, fordert Chantal Liersch. Tatsächlic­h stehen die Chancen für eine Neujustier­ung des Systems nicht schlecht. „Wir prüfen derzeit, ob es möglich ist, dass Eltern bei der Wahl ihrer Kita von Beginn an Prioritäte­n setzen können“, sagt Horn. In der Folge würde sich dann „allerdings die Verbindlic­hkeit einer einmal gegebenen Zusage erhöhen“.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Mehrmals täglich schaut Chantal Liersch in den Kita-Navigator – bislang steht ihre Tochter nur auf Warteliste­n. „Jeden Tag wird die Anspannung größer“, sagt die Mutter.

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