Ansturm auf Flüge in den Osterurlaub
Die Städte fordern mehr Vertrauen in die Bürger, Gesundheitsexperten warnen vor einem Anstieg der Inzidenz in den Ferien.
BERLIN Von wachsenden Infektionszahlen, Massenprotesten und Rekordbuchungen für Flüge in den Osterurlaub war das Wochenende ein Jahr nach dem ersten Corona-Lockdown geprägt. Erstmals überstiegen alle Bundesländer wieder die Marke von 50 Infektionen je 100.000 Einwohnern in sieben Tagen. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach rechnet damit, dass Anfang April die Marke von 100 gerissen wird, ab der es eine Abkehr von Lockerungen geben sollte. Das Robert-Koch-Institut befürchtet, dass in der Woche nach Ostern die Inzidenz auf 350 gestiegen sein könnte. Dies liege daran, dass die dritte Welle stark von der Mutation B.1.1.7. getrieben werde.
„Es darf keine lokalen Ausnahmen von der Notbremse geben“, sagte Lauterbach unserer Redaktion. Zum Drei-Maßnahmen-Paket gehörten neben der Notbremse ein Schulstopp bis Ostern und eine konsequente Fortsetzung der Impfstrategie. Die Impfzentren sollten die Erstimpfungen mit Biontech und Astrazeneca fortsetzen und die Prioritätengruppen einhalten, forderte der SPD-Politiker. „Das Trombose-Risiko ist nicht erhöht, wie jüngste Studien aus den vergangenen Tagen zeigen“, so Lauterbach.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund forderte eine Neuausrichtung der Pandemiestrategie. „Ein ‚weiter so wie bisher’ funktioniert nicht richtig und wir laufen Gefahr, die unverzichtbare Akzeptanz in der Bevölkerung zu verlieren. Wir brauchen mehr Mut für neue Wege, mehr Vertrauen in die Menschen und eine echte Reduzierung der Bürokratie“, sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds. Landsberg forderte eine schnelle landeseinheitliche App, über die negative Schnelltestergebnisse den Zugang zu Geschäften und Restaurants eröffneten und die gleichzeitig eine Schnittstelle zum Gesundheitsamt bei einem positiven Ergebnis haben müsse.
„Natürlich gibt es wie immer viele Bedenken, auch unter datenschutzrechtlichen Aspekten, aber hier muss der Gesundheitsschutz eindeutig Vorrang haben“, betonte Landsberg. Zu einer funktionierenden Teststrategie gehöre auch die digitale Möglichkeit, einen negativen Eigentest zu erfassen. Das gesamte Vorgehen müsse in einer vernünftigen Öffentlichkeitskampagne in Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Kommunen möglichst transparent den Menschen erklärt werden. Andernfalls werde „der Frust weiter steigen und die Bereitschaft, die notwendigen Einschränkungen zu akzeptieren, abnehmen“.
Nach dem Aufheben der Reisewarnung für die Balearen und weitere Regionen in Spanien und Portugal haben die Menschen in Deutschland
mit einem Run auf kurzfristigen Osterurlaub im Süden reagiert. Die Inzidenz auf Mallorca lag am Wochenende bei 21. An Bord dürfen die Reisenden nur mit einem aktuellen negativen Test. Dennoch waren alle Flüge binnen weniger Stunden ausgebucht, Eurowings nahm zusätzlich 300 Flugreisen über die Osterferien ins Angebot. Dagegen warnte Lauterbach: „Reisen sollten an Ostern möglichst nicht unternommen werden, erst recht keine Flugreisen.“Der SPD-Politiker forderte Bund und Länder zu konkreten Regelungen für die bevorstehenden Feiertage auf. „Wir werden Konzepte wie an Weihnachten brauchen, damit Familientreffen an Ostern nicht zu einem Anstieg der Infektionszahlen führen“, sagte Lauterbach.
„Reisen sollten an Ostern möglichst nicht unternommen werden“
Karl Lauterbach SPD-Gesundheitsexperte