Das Schwarze Schaf streamt munter
Die erste Vorrunden-Staffel wurde ohne Pannen aus der Säule übertragen.
Na klar, vielen hängt das Hocken vor dem Computerbildschirm, das Konferieren per Videoschaltung und der meist nur noch digital geführte Kontakt mit Kolleginnen und Kollegen zum Hals raus. Der Schauspieler und Kabarettist Max Ruhbaum, der die Vorrunden zum Niederrheinischen Kabarettpreis „Das Schwarze Schaf“moderiert, macht auch keinen Hehl daraus, dass „Online“nicht so schön ist wie das Agieren vor einem leibhaftig anwesenden Publikum. Er drückt deshalb einen Knopf auf einem Elektroniktisch und ein Misston erklingt. Aber was soll man machen? Besser ein gestreamter Kabarett-Wettbewerb als gar keiner.
Zwei von vier Vorrunden, die allesamt aus der Säule live online übertragen werden, sind absolviert. Ohne technische Pannen, darf man hinzufügen. Es gelingt sogar, Live-Atmosphäre fürs Publikum zu vermitteln, das irgendwo in der Welt am Bildschirm die Auftritte verfolgt: Eine ganze Reihe von Emojis (Herzchen, Applaus, Schnute ziehen...) können am Bildschirm angeklickt werden und Steigen auf der Bühne an einem Riesentablett auf. Für die auftretenden Künstler, allesamt Talente, die bislang eher Insidern bekannt sind, ist ein Auftritt in einem fast leeren Saal natürlich eine Herausforderung.
Zum Wettbewerb angetreten sind höchst unterschiedliche Künstler. Dabei waren zwei Liedermacher, nämlich Jakob Heymann und Alex Döring, die sich selber auf der Gitarre begleiten. Die beiden konnten mit ihren kritischen Songs überzeugen, wobei Alex Döring die politischen Akteure, die er kritisiert, durchaus beim Namen nennt. Richtig böse wird er beim Entlarven der Raffgier („Wenn mein Sohn eine Aktie wäre, stieße ich ihn ab“). Sulaiman Masomi beklagte etwas überraschungslos sein Los als selbstständiger Künstler mit Migrationshintergrund. Er punktete dagegen mit einem intelligent-witzigen und originellem „Gedicht vom Hohen Rat der Sprache“. Wie da das Komma zur rechten Zeit unterbricht oder das Ausrufezeichen auftrumpft: Das ist schon toll in Verse gebracht worden.
Publikumslieblinge der ersten Vorrunde wurden die Goldfarb-Zwillinge aus Berlin, die perfekt wie einst die Kessler-Zwillinge synchron auftreten. Sie nahmen die Sozialen Medien aufs Korn („Facebook unser“als Gebet), überraschten mit einem Tanz. Noch überraschender war allerdings der Auftritt von Micha Marx in der zweiten Vorrunden-Staffel, der charmant plaudernd seine Karikaturen und Kritzelzeichnungen auf einer großen Leinwand zeigte. Das war originell, doch passt es eigentlich – wie beim Tanz der Goldfarb-Zwilllige – nicht zum Wettbewerb, der auf das politisch-gesellschaftlich relevante Kabarett zielen soll.
Einen famosen Eindruck hinterließ die junge Poetry Slammerin Victoria Helene Bergemann, die einem ihre Empörung über Spießigkeit, Macho-Gehabe und falsche weibliche Lockungen in einer so gekonnt-artistischen Weise um die Ohren haut und ins Gehirn katapultiert, dass es einem selber die Sprache verschlägt.
Eine Anregung für die Fortsetzung am kommenden Mittwoch um 19.30 Uhr: Vielleicht die Lacher vom Band weg lassen. Die sind überflüssig und auch ein wenig nervig.