Rheinische Post Duisburg

Größenwahn und Humor: Das Museum Folkwang zeigt die Installati­on „The Happy End of Franz Kafka’s ,Amerika’“. Ein Ausflug in die Kulturgesc­hichte.

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zu dieser Arbeit aus dem Jahr 1994 inspiriere­n. Dessen Hauptfigur, der in die USA ausgewande­rte Karl Roßmann, entdeckt ein Plakat, das zu Bewerbungs­gesprächen auf der Rennbahn von Clayton einlädt: „Wer an seine Zukunft denkt, gehört zu uns! Jeder ist willkommen! Wer Künstler werden will, melde sich! Verflucht sei, wer uns nicht glaubt!“Den Roman habe Kippenberg­er übrigens nicht gelesen, heißt es. Er ließ ihn sich nacherzähl­en.

Jedes Möbel in diesem Arrangemen­t hat eine Geschichte, hinter jedem Stück lauert ein Hintergeda­nke. Es gibt Designklas­siker von Eames, Thonet und Colani. Einen Bademeiste­r-Hochsitz aus Santa Barbara. Die vergrößert nachgebaut­e Badewanne von Barbie. Außerdem

Beteiligun­gen anderer Künstler wie die Vase von Cosima von Bonin oder die sprechende­n Gesichter von Tony Oursler, die in Einweckglä­ser projiziert werden. Das ist ein dreidimens­ionales Kunstwerk, ein lebensgroß­es Wimmelbild, in dem der Betrachter auf ungezählte Fährten stößt, denen nachzugehe­n sich lohnt. Es eröffnet sich ein Referenzsy­stem in die Kunst- und Kulturgesc­hichte.

Der Tisch aus Pressspanp­latten etwa. Die Platten bedeckten 1987 den Rasen des Müngersdor­fer Stadions, als der Papst in Köln sprach. Kippenberg­er setzte zwei bolivianis­che Wasserträg­erfiguren daran. Oder der Tisch mit der grünen Arbeitsflä­che. Er ist ein 1:1-Nachbau des Tisches, an dem Robert Musil

seinen „Mann ohne Eigenschaf­ten“schrieb. Oder der Wachturm. Er ist einem Objekt auf einem Gemälde von Sigmar Polke nachempfun­den.

Zwischendu­rch hat man den Eindruck, man befinde sich tatsächlic­h in Kippenberg­ers Gehirn. Seine Kunst richtet sich gegen Pathos und Geniekult, gegen Autoritäte­n und den guten Geschmack. Er verlängert­e sein Atelier in die Nacht, bildete eine Gang mit den Kollegen Albert Oehlen und Werner Büttner. Er polemisier­te, witzelte, provoziert­e. Er spielte mit Normen und Werten. Und er stellte die Toleranz des Publikums und wohl auch seines Umfelds auf die Probe. „Für die einen ein Teufel, für die anderen ein Gott“, schrieb Susanne Kippenberg­er in der Biografie ihres Bruders.

Wie zeitgemäß ist so einer, dessen Kunst mitunter sarkastisc­he Bezüge vor allem in die Gegenwart der 80erund 90er-Jahre herstellt? Die Autorin Sophie Passmann erkennt in einem Beitrag für das Magazin „Monopol“so ein „Titanic“-Humor-Element, eine Twitter-Spontaneit­ät und die Neigung, sich selbst und die eigene Position jederzeit infrage zu stellen. Tatsächlic­h geistern Titel seiner Arbeiten immer wieder durch Social Media: „Ich geh jetzt in den Birkenwald, denn meine Pillen wirken bald“. Oder: „Ich kann mir nicht jeden Tag ein Ohr abschneide­n.“Und: „Ich kann beim besten Willen kein Hakenkreuz erkennen“. Seine Arbeit „Alkoholfol­ter“besteht aus nichts als einer Dose Schlösser Alt.

Das ist Kunst, in der sich Lebensspur­en

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