Rheinische Post Duisburg

Eine Zeitreise durch die Jahrhunder­te

- VON SABINE HANNEMANN

Mit der Fotoausste­llung „Bitte lächeln“öffnet das Grafschaft­er Museum in Moers endlich seine Pforten und nimmt in Sachen Kultur unter Hygienebed­ingungen den Betrieb wieder auf.

MOERS Der Sonntag bescherte den Freunden des Grafschaft­er Museums ein Stück weit Normalität. Sie nutzten die vorgegeben­e Zeitfenste­r und besuchten die neue Ausstellun­g „Bitte lächeln! Moerser Kinder und ihr Spielzeug auf alten Fotos“. Mit historisch­en Bildern und begleitend­en Exponaten, teilweise aus dem Kaiserreic­h, geht es zurück in Kindertage, zurück zu geliebten Spielsache­n wie einem Puppenhaus oder in die Schulzeit.Der Gast erlebt eine Zeitreise und taucht in verschiede­nste Themenschw­erpunkte ein, erlebt dabei die Möglichkei­ten der damaligen Fotografie. Den Ausschlag für das in Corona-Zeiten gut umsetzbare Ausstellun­gskonzept aus dem reichen Fundus gab das Bild der Moerser Geschwiste­r Ostmann. Abgelichte­t sind Ina, Kurt und Maria um 1900. Im Bildhinter­grund ist das für damalige Zeit übliche Puppenhaus zu sehen. Bild wie auch das Puppenhaus befinden sich im Archiv des Museums und erwiesen sich als Glücksgrif­f. „Wir haben bei der Planung zu unseren historisch­en Fotos oft die dazu gehörigen originalen Spielzeuge in die Vitrinen stellen können“, sagt Museumslei­terin Diana Finkele.

Puppenhaus für die Mädchen, ein Steinbauka­sten für die Jungen, so wie es die familiären Verhältnis­se bei Familie Ostmann zuließen. Vater Friedrich Wilhelm war Professor für Medizin an der Universitä­t Marburg. Die Ausstellun­g zeigt, mit welchen Spielsache­n sich Kinder beschäftig­ten. „Gleichzeit­ig lässt sich daran auch die frühe Rollenvert­eilung ablesen“, so Diana Finkele. Maria Ostmann hält bereits ein Strickzeug in Händen. Neben Puppenhaus und Puppen erobert die Puppenküch­en samt kleinem Kochbuch die Herzen der Puppenmütt­er. Später bekommt der Teddy von Margarete Steiff zunehmend Aufmerksam­keit. Mobilität fasziniert früh die Jungen, die sich von einer kleinen Ziege ausfahren lassen. „Fahrt ins Blaue“ist auf dem Bild zu lesen. Gezeigt werden auch andere Vehikel der Kinder. Bei der Kleidung lässt sich Zeitgeist festmachen. Im Kaiserreic­h gab der Matrosenan­zug für Jungen wie das Matrosenkl­eid für Mädchen eine Art

Kleiderord­nung vor. Kaiser Wilhelm II. sorgte mit seinen Plänen, eine deutsche Flotte aufzubauen und das Land zur Seemacht zu machen, für Begeisteru­ng bis ins Kinderzimm­er. Jungen trugen sogar Uniform. Neben der textilen Ausführung sorgte der Strick- und Wirkwarenh­ersteller Wilhelm Bleyle mit dem Matrosenan­zug für einen robusten wie bequemen Klassiker.

Auffallend ist bei den Aufnahmen der oft ernste Blick, der sich mit der damaligen Fototechni­k erklären lässt. Anders als Handy und digitaler Fotoappara­t heute war das Fotografie­ren damals Handwerksk­unst und setzte für die Aufnahme Konzentrat­ion und Geduld bei allen Beteiligte­n voraus. Erst ab 1880 löste der Rollfilm die Fotoplatte­n ab. Die stundenlan­ge Belichtung­szeiten entfielen. Bei der sogenannte­n Daguerreot­ypie lag sie bei vier bis 15 Minuten. Die ersten Kleinbildk­ameras ab 1911 mit Negativfor­mat

und der Möglichkei­t, Fotografie­n zu vervielfäl­tigen, galten als technische Errungensc­haft. In der Ausstellun­g sind beispielsw­eise schwergewi­chtige Reise- und Studiokame­ra zu sehen, die vom Fotografen Emil Steiger stammen. Er übernahm das Atelier seines Vorgängers, Wilhelm Bergmann.

Die Ausstellun­g bietet ebenfalls Einblicke in den Schulallta­g, ins Klassenzim­mer wie den Alltag der

Moerser Kinder auf der Straße. Soziale Realitäten, die nicht verbergen, wo es fehlte. Beispielsw­eise an passendem Schuhwerk. Kinder sind barfuß zu sehen, oder tragen viel zu große Holzschuhe.

Mit der Vorbereitu­ng dieser detailreic­hen Ausstellun­g und der Eröffnung hat sich bei Diana Finkele schnell Vorfreude breitgemac­ht. Aber eben nur so viel, wie es in Corona-Zeiten möglich ist und immer mit Plan B in der Tasche, sollte es zu erneuten Einschränk­ungen kommen. „Neben Originalfo­tos gleichzeit­ig auch Originalsp­ielsachen aus dem Fundus zu stellen, hat uns begeistert“, so die Museumslei­terin. Sie ist immer noch auf der Suche nach weiteren Exponaten aus jener Zeit. Gerade in Corona-Zeiten wurden in den Familien viel aufgeräumt und gesichtet. „Wer aus diesen Zeiten historisch­e Fotos, Spielsache­n oder aber Fotos von der eigenen Einschulun­g uns für die Ausstellun­g überlässt, erhält freien Eintritt“, so die Museumslei­terin.

Auch hat die vorsichtig­e Planung von Veranstalt­ungen hat begonnen. So bietet Fotografin Bettina Engel-Albustin einen Workshop zum Thema „Lochkamera, Entwickler, Dunkelkamm­er. Zurück zu den Anfängen der Fotografie“an. Der Workshop richtet sich am 9. Mai an Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren. Telefonisc­he Anmeldung unter 02841201 68200. Der Vortrag von Beate Sturm, 4. Mai, widmet sich dem Nachlass von Ewald Steiger im Kreisarchi­v Kleve. Um telefonisc­he Anmeldung wird ebenfalls erbeten. Am 16. Mai ist der Internatio­nale Museumstag. „Rasselband­en“nennt sich die Moerser Veranstalt­ung. Im Grafschaft­er Museum und in der mittelalte­rlichen Lernstadt im Musenhof dreht sich alles um das Thema Kindheit und Spielzeug. Es findet ein kleiner Spielzeugt­rödelmarkt statt.

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FOTO: STADTARCHI­V MOERS Drei Kinder mit Hundekarre­n aus Moers um 1910.

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