„Schwerer Schlag ins Herz der Union“
Nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ist vor der Entscheidung über die Kanzlerkandidatur.
BERLIN Der erste Aufschlag am Tag nach den CDU-Niederlagen bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz kommt aus München. Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder tritt um 9.45 Uhr vor die Presse und gibt den Ton für die Union schon mal vor: Er wolle „nicht mit dem Schlafwagen zur Bundestagswahl“fahren, poltert der Nürnberger. Und hat auch gleich ein Rezept parat: „Um das Kabinett herum müssen die beiden Unionsparteien noch einmal Teams für die Zukunft bilden“, sagt Söder. „Die Wahlen gestern waren ein schwerer Schlag in das Herz der Union.“Besonders die Niederlage im ehemaligen CDU-Stammland Baden-Württemberg tue weh.
Eine „hektische Kabinettsumbildung“werde nun nach seiner Einschätzung nichts bringen, betont der CSU-Chef. Er weiß zu diesem Zeitpunkt bereits, dass Gerüchte über eine mögliche Absetzung von CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier oder CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn in Berlin zirkulieren. Dass Söder Altmaier schon länger für eine Schwachstelle hält, lässt er sich an diesem Morgen nicht anmerken. Ihm ist klar, dass Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu einem Austausch ihrer Minister mitten in der Pandemie nicht bereit ist. Aber die Union müsse zeigen, dass sie für die Zeit nach der Bundestagswahl neue Kräfte zur Verfügung habe, das ist dem bayerischen Regierungschef wichtig.
Denn Söder ist besorgt. Die massiven Stimmverluste der CDU bei den Landtagswahlen seien ein „Wake-up-Call“für die Union. Es seien nun auch Mehrheiten jenseits der Union möglich. Wer glaube, CDU und CSU würden auf jeden Fall den nächsten Bundeskanzler stellen, sei widerlegt. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wird die Ergebnisse später in einer internen Schalte „schockierend“nennen. In CDU und CSU ist man sich durchaus bewusst, dass nicht nur die Maskenaffären von Bundestagsabgeordneten, sondern auch Fehler im Corona-Krisenmanagement mitverantwortlich sind für das miserable CDU-Ergebnis.
Markus Söder geht öffentlich darauf ein, nennt zu spät ausgezahlte Wirtschaftshilfen, zu geringes Tempo bei den Impfungen, Probleme bei den Corona-Tests und die kritisierte Corona-Warn-App.
Knapp vier Stunden später tritt der CDU-Vorsitzende Armin Laschet im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin vor die Presse. Auch er setzt diesen Punkt: „Ich erwarte, dass die Bundesregierung gute Arbeit
leistet.“Dabei nimmt Laschet auch Minister seiner eigenen Partei ins Visier: Seine Forderung nach guter Arbeit gelte „für alle Minister und Ministerinnen“– sei es bei Impfungen, Corona-Tests oder Abschlagszahlungen. Die CDU-Kabinettsmitglieder dürften über diesen Hinweis nicht gerade begeistert sein.
Einen aber kritisiert Laschet ganz offen und harsch. Er erwarte, dass der SPD-Bundesfinanzminister sich künftig ausschließlich um sein Ressort kümmere. „Dass die Regierung als Ganzes zu guten Sachlösungen kommt, das ist das Minimum“, sagt der NRW-Regierungschef unter Anspielung auf Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, ohne diesen beim Namen zu nennen.
Laschet kündigt an, in den kommenden Wochen die Vorbereitung für die Bundestagswahl voranzutreiben.
Am 26. März wolle er mit den Kreisvorsitzenden der CDU beraten, am 29. März dann mit Vertretern der CDU im Osten. Ende März solle auch die Erarbeitung eines Wahlprogramms starten – in einem „offenen Diskussionsprozess“.
Insgesamt begegnet Laschet dem Wahldebakel sachlich. Der Parteivorstand beschließt am Vormittag einen Verhaltenskodex, der künftig für alle Mandatsträger und Kandidaten bei Wahlen gelten soll. Es ist die Antwort auf die Affäre um dubiose Geldleistungen bei der Maskenbeschaffung.
Laschets Miene verfinstert sich nur bei einer Frage sichtlich: Ob er denn Ministerpräsident in NRW bleiben wolle, als CDU-Chef, aber auch als möglicher Kanzlerkandidat? Laschet holt tief Luft: Wenn ein Ministerpräsident als Kanzler kandidiere, bleibe er bis zum Wahltag im Amt. Das werde „auch in diesem Wahljahr 2021 so für mich gelten“. Ein Freud’scher Versprecher? Mehr Hinweise gibt es nicht an diesem Montag.