„Wir werden mit Bürokratie überzogen“
Duisburger Hausärzte kritisieren das Vorgehen der Bundesregierung beim Impfen. Ab dem 6. April sollen sie auch in ihren Praxen den Pieks setzen, doch bisher ist nichts klar geregelt.
Vielen Duisburger Ärzten reicht ein einziges Wort, um das Vorgehen der Bundesregierung beim Impfen gegen das Coronavirus zu beschreiben: Es sei ein „Skandal“. Der Impfstart in den Hausarztpraxen wird immer weiter nach hinten geschoben, es gibt zu wenig Impfstoff, nichts sei bisher klar. „Nur eine Sicherheit haben wir. Wir werden einmal mehr mit unglaublicher Bürokratie überzogen“, sagt der Sprecher der Duisburger Hausärzte, Eugen Breimann.
In vielen Praxen steht das Telefon nicht mehr still, weil die Patienten anrufen, um einen Impftermin zu bekommen. „Hier klingelt das Telefon in einer Tour“, beschreibt Stephan Bock die Situation in seiner Marxloher Praxis. „Der erste Skandal war, dass Hausärzte fürs Impfen gar nicht vorgesehen waren. Als dann aber die Impfzentren aufgestellt waren und alles gut lief, kam Gesundheitsminister Spahn mit der Nachricht, Hausärzte könnten jetzt doch impfen. Ein fataler Zeitpunkt. Denn selbst Menschen, die schon einen Termin hatten, nahmen ihn dort nicht mehr wahr.“
Sie hätten sich lieber bei Hausärzten impfen lassen wollen. Die hätten aber bis heute von den angekündigten 20 Impfdosen pro Woche noch nicht eine erhalten. Bisher sollte der Impfstart am 29. März sein, hatte die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) mitgeteilt. Jetzt ist er auf den 6. April verschoben. „Wir wissen nicht, wann wir die Substanzen bekommen, wir wissen nicht welche und wir wissen nicht, wie viele“, ärgern sich die Ärzte.
Für den Marxloher Arzt ist eins klar: Er werde keine Patienten impfen, die über 80 Jahre alt und mobil sind. Denn die könnten sich sofort im Impfzentrum einen Termin geben lassen. Er werde zuerst die Patienten impfen, die bettlägerig sind, zu Hause gepflegt werden und wo keine mobilen Impftrupps hinkommen. Außerdem hätten in seiner Praxis Patienten mit gravierenden Vorerkrankungen Vorrang, sagt Bock.
Als Skandal bezeichnet er es auch, dass das Mittel Astrazeneca so schlechtgeredet worden ist. „Das schadet jetzt auch den Hausärzten, wenn sie die Substanz verimpfen. Dabei ist das Mittel völlig in Ordnung.“Ein Dorn im Auge ist den Ärzten ebenso die ständig wachsende Bürokratisierung, die „auf unserem Rücken ausgetragen wird“so der Marxloher Mediziner. Hausarztsprecher Eugen Breimann fasst die Entwicklung in einem Satz zusammen: „Die Bürokratie wird von ängstlichen Bürokraten gemacht.“
Wenn man sich überlege, dass man in Israel an Tankstellen geimpft werden kann und in den USA auf Parkplätzen nur den Arm ausstrecken müsse, dann fasse man sich an den Kopf, was hier in Deutschland passiert. Und das mitten in einer Pandemie, die Handeln und nicht Zögern erfordere, ist die einhellige Meinung der Ärzte.
Einen ganz anderen Punkt spricht Hals-Nasen-Ohrenarzt Uso Walter an. „Durch den personellen Aufwand, den die Impfzentren haben, kostet dort eine Impfung 300 Euro. In den Arztpraxen dagegen lediglich 20 bis 30 Euro“, sagt er.
Das hätte man von Anfang an deutlich preiswerter haben können, betont er und hat eine eher düstere Prognose: „Zurzeit gehen wir einen Schritt vor und zwei zurück. Wenn das so weitergeht, sind wir nächstes Jahr Ostern genauso weit wie in diesem Jahr.“Das einzig Mögliche sei seit Monaten, die Tests zu intensivieren, damit man Corona-Positive herausfiltern könne.
Genau in dem Bereich engagiert sich Uso Walter schon seit vergangenem Herbst. In seiner Mittagspause zwischen den Sprechstundenzeiten testet er täglich zwischen 13 und 14 Uhr an unterschiedlichen Schulen die Lehrer. „Das ist zwar nur immer eine Momentaufnahme. Aber eine effektive, wenn man das regelmäßig macht.“In den Monaten seit August habe er fünf bis sechs positive Fälle gefunden. Weitere wichtige Ziele würden durch die Tests an Schulen erreicht. Die Lehrer sparten viel Zeit, man halte die Praxen leer und das Infektionsrisiko geringer.
Ein Ärgernis für alle Hausärzte sind die ständigen Änderungen durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV).
„Man muss wissen, dass die KV nicht die Ärzte vertritt, sie ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts“, erklärt Eugen Breimann. „Die KV unterliegt dem Gesundheitsministerium von Nordrhein-Westfalen.“
Auf eine Reihe von Fragen unserer Zeitung an die KV zum Impfstart und der Durchführung kam lediglich die Antwort, dass der Start aufgrund der Beschlüsse der Gesundheitsminister-Konferenz Ende vergangener Woche auf die Woche nach Ostern verschoben worden sei. „Wie genau dieser im Detail aber umgesetzt wird, soll sich im Laufe der Woche auf Bundes- und auch auf Landesebene noch klären. Darauf warten auch wir nun.“
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