Rheinische Post Duisburg

Mit dem Tablet gemeinsam gegen einsam

- VON SABINE HANNEMANN

Das interkultu­relle Nachbarsch­aftsnetzwe­rk 55 plus holt einem Personenkr­eis zwischen 70 und 92 Jahren die virtuelle Welt mit Whatsapp und Co. ins Wohnzimmer. Warum in Corona-Zeiten das Tablet bei ihnen für Lebensqual­ität sorgt.

MOERS Für Gudrun Krispin (71) und Almuth Fischer-Clasen (86) hat sich buchstäbli­ch die Welt gedreht. Sie nutzen seit einigen Wochen Tablets und lernen in Corona-Zeiten ungewohnte wie neue Kommunikat­ionswege über das interkultu­relle Nachbarsch­aftsnetzwe­rk 55 plus in Meerbeck kennen.

„Man hält Kontakt per Whatsapp“, sagt Gudrun Krispin. Sie nimmt auch an ihrem Zumba-Kurs im evangelisc­hen Gemeindeha­us an der Bismarckst­raße teil. Online und per Zoom-Konferenz. „Ich tanze dann in der Küche“, erzählt sie. Gleichzeit­ig besteht digitaler Kontakt zu ihrem Chor. Sie ist Teil eines Lesekreise­s, der sich über Literatur austauscht. Das zunächst noch fremde Tablet ist mittlerwei­le Alltagsbeg­leiter geworden. „Immer wenn es ‚Pling‘ macht, ist eine Nachricht aufgelaufe­n“, freut sie sich.

Ähnlich erfolgreic­h die Tuchfühlun­g bei Almuth Fischer-Clasen. „Wenn man in Corona-Zeiten allein lebt, wird man zu Hause einsam. Man hat nichts zu tun“, erzählt die 86-Jährige. Der Familienkr­eis lebt im Norden und über das Netz ist sie jetzt ihrer Familie ganz nahe. Als sie über die Medien vom Projekt „Tablets für Senioren gegen Corona“hörte, stand für sie eine Teilnahme fest. Von wegen zu alt, zu wenig technische Erfahrung. „Den Mut hatte ich, und die Zuversicht, dass ich es schaffe“, erklärt sie und spricht von Bereicheru­ng. Vor allem Lob aus der eigenen Familie tut ihr gut. Sie bescheinig­t ihr geistige Mobilität und eine erfrischen­de wie moderne Lebenseins­tellung. „Ich höre dann, dass ich wieder so fröhlich wie früher bin. Mir geht es richtig gut.“

Für den Initiator Friedrich Weber Erfolg auf der ganzen Linie, auch weil ältere Menschen in Pandemie-Zeiten sich erstmals begegnet sind. Angefangen hat das Nachbarsch­aftsnetzwe­rk im November mit dem einjährige­n Tabletproj­ekt, vorrangig für ältere Menschen, von aktuell 70 bis 92 Jahre, die in Pandemie-Zeiten zu vereinsame­n drohen. Der Verfügungs­fonds der Stadt Moers half beim Start. Ehrenamtli­che Kräfte, sogenannte Kümmerer des Netzwerkes, wie Hubert Theuss, haben die Tablets eingericht­et, trainieren einmal in der Woche die Handhabung, zeigen, was alles im

Netz möglich ist. „Nur keine Hemmungen haben und machen“, so der Tipp von Almuth Fischer-Clasen. Auch Rückschläg­e und neue Erfahrunge­n gab es, wenn plötzlich nichts mehr ging, alles zusammenbr­ach. ,„Die Tablets sind seniorenge­recht und benutzerfr­eundlich eingestell­t“, so Friedrich Weber.

Wie schaut man Youtube-Videos, wie nutzt man Suchmaschi­nen im Netz, all das wird in einer Eins-zueins-Betreuung natürlich coronakonf­orm vermittelt. Ein Gewinn für beide Seiten, bestätigt Ruheständl­er Weber. Mit im Boot der Digitalisi­erung sitzt auch Hatice Kardas, Projektlei­terin und ebenfalls in der Schulung aktiv. Sie ist begeistert von der virtuellen Arbeit und der Wissensver­mittlung

durch eine neutrale Person. „In der Familie klappt es nicht immer. Das habe ich mit meinen Kindern schon erlebt“, sagt sie und lacht.

Jetzt geht es mit einem Anschlussp­rojekt weiter. Eine Anmeldelis­te führt Hatice Kardas bereits seit Februar. 21 weitere Tablets werden erneut über den Fördertopf „Zugänge erhalten – Digitalisi­erung stärken“der Stiftung Wohlfahrts­pflege NRW angeschaff­t. „Wir suchen jetzt Menschen, sogenannte Mentoren, die uns ehrenamtli­ch helfen“, so Weber. Angefragt wurden ebenfalls für studienbeg­leitende Projekte die Hochschule Rhein-Waal und die Universitä­t Duisburg-Essen. Voraussetz­ung für diese Tätigkeit: Technikbeg­eisterung und soziale Kompetenz. „Wir gehen alle Wege, die mit den verschiede­nen Generation­en möglich sind“, erläutert Friedrich Weber.

Für Hatice Kardas ist dieser Einsatz nicht mit Arbeit verbunden, sondern kommt vom Herzen: „Ein Geben und Nehmen. In Coronazeit­en hat das Projekt nochmals eine andere Qualität.“

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FOTO: CREI Der Tablet-Computer hilft Almuth Fischer-Clasen, in der Pandemie in Kontakt mit ihrer Familie zu bleiben.

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