Behandelt wie Bittsteller
zur Eigenverwaltung und zur Schaffung von bürokratischen Hemmnissen neigt, die dann wieder zur eigenen personellen Auslastung führen. Hier könnte man sagen: Lass sie doch, solange sie es sich finanziell leisten können. Problematisch wird es allerdings dann, wenn es nicht nur um finanzielle Ausstattung, sondern, wie bei Corona, um die Gesundheit aller geht. Hier kann man, wie von der Autorin dargestellt, mit guten Gründen in der Corona-Krise von einem Komplettversagen der mit der Krise befassten Kreise des öffentlichen Bereichs sprechen. Der Titel könnte auch heißen: schädliche oder gefährliche deutsche Gründlichkeit.
Zu „Ein Dokument des moralischen Abgrunds“(RP vom
19. März): Die Verdeutlichung der Berichterstattung zum sexuellen Missbrauch anhand des neuen Gutachtens hat mich gefreut. Die im Gutachten erfolgte Schonung des Auftraggebers hat mich nicht überrascht. Als ehemaliger Geheimsekretär des Kardinals Meisner war er an der systematischen Einschüchterung der betroffenen Missbrauchsopfer im Interesse der „Brüder im Nebel“beteiligt. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass nicht der Papst der Adressat bei sexuellem Missbrauch
gewesen wäre, sondern in erster Linie die örtliche Staatsanwaltschaft. Die aktive Unterdrückung von Beweisaufnahmen sowie die Verhinderung von notwendigen strafrechtlichen Verfahren durch die Amtsträger der katholischen Kirche waren mehr als nur „Verfehlungen“beziehungsweise Pflichtverletzungen. Durch die Verhinderung der strafrechtlichen Verfolgung der sexuellen Straftäter wurde den Opfern schließlich jede wirkliche Rechtsgrundlage für eine angemessene Entschädigung vorenthalten. Sie werden bis heute wie Bittsteller behandelt und sind weiterhin auf die Gnade durch die katholischen Würdenträger „im Namen des Herrn“angewiesen.
Zu „Frauenproteste in der Türkei“(RP vom 22. März): Es ist zum Verzweifeln! Wir leben in Deutschland seit mehr als 70 Jahren in einer Demokratie, die von einer sehr großen Mehrheit immer noch geschätzt wird. Aber in der EU (Polen, Ungarn als Beispiel) und in der Türkei verstoßen Populisten und Autokraten zunehmend gegen demokratische Prinzipien und verletzen die Menschenrechte, wie es gerade Präsident Erdogan mit der Aufkündigung des Frauenrechtsabkommens des Europarates getan hat. Und was ist unsere Antwort? Laue Proteste, die keinen Autokraten beeindrucken! Ähnlich ist unser Verhalten gegenüber China, Saudi-Arabien und anderen Ländern. Die Erklärung ist einfach: Wir sind abhängig vom Wohlverhalten dieser Staaten. Wir müssen uns entscheiden, welchen Weg wir einschlagen wollen: achselzuckend, hilflos beziehungsweise den eigenen Nutzen bedenkend weitermachen wie bisher oder Einsatz für eine gerechte Welt, auch wenn es wehtut. Eine schwierige Wahl!