Rheinische Post Duisburg

Kellnerin muss auf jeden Euro achten

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Conny Fuhr ist Servicelei­terin im Webster Brauhaus am Dellplatz. Das ist seit November geschlosse­n, denn seitdem ist die Gastronomi­e im Dauer-Lockdown. Welche Nöte sie und ihre Kollegen nun plagen.

(jap) Die Corona-Pandemie hat die Gastronomi­e fest im Griff. Im Unterschie­d zu vielen anderen Branchen dauert der derzeitige Lockdown für Bars, Restaurant­s und Gaststätte­n seit Anfang November an. Oft dabei vergessen werden die über 300.000 Kellner, Köche und Co. im nordrhein-westfälisc­hen Gastgewerb­e, die ohne Öffnungspe­rspektive für die Branche mehr und mehr in Existenzno­t geraten.

„Ich muss jeden Euro umdrehen“, erzählt Conny Fuhr. Die 51-Jährige ist Servicelei­terin im Webster Brauhaus am Dellplatz. Oder wie sie sagt: „Mädchen für alles“. Seit 14 Jahren gehört sie zum Team, das normalerwe­ise und vor Corona insgesamt 400 Plätze drinnen und draußen betreut. Doch seit Monaten sind die Stühle gestapelt, die Tabletts leer.

Für Beschäftig­te bleibt nur die Kurzarbeit. Belastend sei, „nicht zu wissen, wo die Reise hingeht“. Die Zeit ohne Arbeit nutzt sie, so gut es geht: Sie verbessert ihre Englischke­nntnisse, sortiert ihren Kleidersch­rank aus. Soziale Kontakte habe sie wenige. Das liegt auch an ihrem Job, der in der Vergangenh­eit den Rhythmus im Alltag vorgegeben hatte: „Es gab kaum eine Nacht, in der ich vor drei Uhr im Bett lag.“

Doch Corona hat ihre Arbeitswel­t auf den Kopf gestellt: Die Duisburger­in erinnert sich an den ersten Lockdown im März 2020. „Ich saß täglich vorm Fernseher, habe jede

Pressekonf­erenz geschaut.“Weil es im Umgang mit solch einer Pandemie keine Erfahrungs­werte gab, habe die Situation einem „den Boden unter den Füßen weggezogen.“

Finanziell sei die Situation schwierig. Zwar erhalte sie Kurzarbeit­ergeld, jedoch: „Ohne Reserven hätte ich nicht gewusst, wie ich das alles bewältigen soll.“So hat sie etwa auch ihre Altersvors­orge stillgeleg­t. Denn das Problem: Es fehlen die Lohnzuschl­äge für Feiertags- und Nachtarbei­t, auch das Trinkgeld bleibt aus. In Summe sei deshalb das Einkommen um die Hälfte geschrumpf­t.

Conny Fuhr ist damit nicht allein. Laut dem Ifo-Institut waren im Januar bundesweit 86 Prozent der Beschäftig­ten in der Gastronomi­e in Kurzarbeit. Die wirtschaft­lichen Einbußen hätten für viele Menschen mittlerwei­le existenzie­lle Ausmaße erreicht, warnt die Gewerkscha­ft Nahrung-Genuss-Gaststätte­n (NGG).

Selbst eine Aufstockun­g des Kurzarbeit­ergeldes auf 80 Prozent der Nettoeinbu­ßen, wie sie ab dem siebten Monat greift, führe nach Angaben der NGG oft zu lediglich dreistelli­gen Einkommen: „Die Beschäftig­ten wissen nicht mehr, wie sie noch ihre Miete bezahlen sollen. Letzte Reserven sind längst aufgebrauc­ht.“Um die Situation für Beschäftig­te zu verbessern, fordern die Gewerkscha­ften Verdi und NGG ein branchenun­abhängiges Mindestkur­zarbeiterg­eld in Höhe von 1200 Euro.

Eine Änderung der Situation für Angestellt­e könnte auch die Öffnung der Branche bringen. „Wir hoffen auf unseren Biergarten“, sagt Conny Fuhr, die zuletzt an der neuen Terrasse für das Webster Brauhaus mitgearbei­tet hat. Die 51-Jährige möchte gerne wieder arbeiten, auch wenn sie sagt: „Ich habe bis heute Angst.“

Sorge, sich doch durch die unzähligen Kundenkont­akte anzustecke­n, auch wenn sie wisse, dass die Gastronomi­e sichere Konzepte hat. Wann es soweit ist, bleibt bei der jetzigen Lage ungewiss: Die im Frühjahr vereinbart­en fünf Öffnungssc­hritte sind mit Blick auf die steigenden Fallzahlen erstmal vom Tisch.

„Ohne Reserven hätte ich nicht gewusst, wie ich

das alles bewältigen soll.“Conny Fuhr

Kellnerin

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FOTO: STEFAN AREND Schon seit Anfang November ist das Webster Brauhaus geschlosse­n. Servicekrä­fte wie Conny Fuhr sind seitdem in Kurzarbeit.

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