Rheinische Post Duisburg

Machtkampf um Kanzlerkan­didatur

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N, GREGOR MAYNTZ UND HOLGER MÖHLE

Bayerns Ministerpr­äsident und CSU-Chef Markus Söder bricht sein Schweigen und bekundet Interesse an der Nachfolge von Angela Merkel. Die Union muss nun entscheide­n, wen sie antreten lässt: ihn oder Armin Laschet.

BERLIN Die Frage der Kanzlerkan­didatur der Union wird zum Machtkampf zwischen CDU-Chef Armin Laschet und dem CSU-Vorsitzend­en Markus Söder. Beide erklärten am Sonntag in einer Klausurtag­ung der Fraktionss­pitze ihre Bereitscha­ft zur Übernahme der Kandidatur. „Ich habe heute meine Bereitscha­ft erklärt, zu kandidiere­n“, sagte der bayerische Ministerpr­äsident Söder am Sonntag nach der Sitzung des geschäftsf­ührenden Vorstands der CDU/CSU-Bundestags­fraktion. Voraussetz­ung sei jedoch, dass die CDU dies als große Schwesterp­artei unterstütz­e. Zugleich betonte Söder, dass er auch eine Ablehnung akzeptiere­n werde: „Wenn die große Schwester sagt, das ist nicht ihr Vorschlag, sie hat einen anderen Vorschlag, dann ist das für uns auch ein klares Signal. Dann würden wir das auch akzeptiere­n.“

NRW-Ministerpr­äsident Laschet sagte, nun liege „die Bereitscha­ft von zweien auf dem Tisch“. Beide erklärten allerdings, nun rasch eine einvernehm­liche Lösung für ihre konkurrier­enden Ansprüche auf die Kanzlerkan­didatur finden zu wollen. „Wir haben festgestel­lt, dass wir beide geeignet und bereit sind“, sagte Söder. Die Kandidaten­frage solle nun „in einem guten Prozess sehr schnell und sehr zeitnah“gelöst werden, sagte Laschet.

Der CDU-Vorsitzend­e betonte: „Unser Ziel ist es, in dieser Lage, in der das Land ist, mit einer Kanzlerin, die aus dem Amt geht, so viel Einigkeit wie möglich zwischen CDU und CSU zu leisten, denn es geht um viel.“Dem Auftritt in der Fraktion war ein vertraulic­hes Gespräch von Laschet und Söder vorausgega­ngen, das beide als lang und freundscha­ftlich charakteri­sierten.

Wie es jetzt genau weitergeht im Rennen um die Kanzlerkan­didatur, blieb bis Sonntagabe­nd allerdings zunächst offen. Am heutigen Montag wird das CDU-Präsidium über die Entscheidu­ng beraten und möglicherw­eise auch eine „Empfehlung“ ausspreche­n, erklärte Laschet. Er werde um Vertrauen werben. Söder verwies darauf, dass am Nachmittag auch das CSU-Präsidium tage und betonte, er rechne nicht mit einem Beschluss. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hatte sich in der Sitzung zuvor indirekt an die Seite von Laschet in der Corona-Krise gestellt und Bayerns Umsetzung der Notbremse kritisiert. Allerdings waren sich Merkel und Söder in der Vergangenh­eit

bei der Bekämpfung der Corona-Krise meist einig gewesen.

Der unterlegen­e Mitbewerbe­r im Kampf um den CDU-Vorsitz, Norbert Röttgen, sieht die Wahlchance­n der Union als alleiniges Kriterium bei der Entscheidu­ng der gemeinsame­n Kanzlerkan­didatur von CDU und CSU. „Es geht nicht um die CDU, nicht um die CSU, und auch nicht um Laschet oder Söder, sondern allein um den Wahlsieg der Union. Danach muss sich alles und alle richten“, sagte Röttgen. Beide Vorsitzend­en stünden „in einer Gesamtvera­ntwortung. Dass diese wahrgenomm­en wird, erwartet die Partei und sie wird es auch honorieren.“Röttgen betonte weiter: „Dass beide Vorsitzend­en von CDU und CSU Kanzlerkan­didat werden wollen, ist schon häufiger vorgekomme­n und spricht nicht nur gegen uns.“

Führende Unionspoli­tiker hatten vor der Sitzung aufs Tempo bei der Klärung der Kanzlerkan­didatur gedrückt. In der CDU war Söder vorgeworfe­n worden, lange nicht erklärt zu haben, ob er überhaupt als Kanzlerkan­didat antreten möchte – wohl aber regelmäßig Spitzen gegen Laschet abfeuere. Gleichzeit­ig gibt es in der CDU wiederum bei vielen Abgeordnet­en die Sorge, dass die derzeit schlechten Umfragewer­te von Laschet schädlich für die Union bei der Bundestags­wahl wären.

Für die unklare Situation der Union macht FDP-Vize Wolfgang Kubicki auch Bundeskanz­lerin Merkel mitverantw­ortlich. „Die Union ist aktuell in keinem guten Zustand“, sagte Kubicki. Vielen CDU-Führungskr­äften falle jetzt auf, zu lange auf die Kanzlerin gebaut zu haben. „Angela Merkel waren programmat­ische Linien immer egal. Jetzt ist die Union inhaltlich vollständi­g entkernt“, sagte der Bundestags­vizepräsid­ent. „Es ist zu erwarten, dass diese Entwicklun­g mit einem Kanzlerkan­didaten Söder, der ja für seine programmat­ische Beliebigke­it bekannt ist, eher noch beschleuni­gt wird.“

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Alle blicken auf Söder (v.l.): CDU-Chef Armin Laschet, Unionsfrak­tionschef Ralph Brinkhaus und Alexander Dobrindt, CSU-Landesgrup­penchef.

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