Machtkampf um Kanzlerkandidatur
Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder bricht sein Schweigen und bekundet Interesse an der Nachfolge von Angela Merkel. Die Union muss nun entscheiden, wen sie antreten lässt: ihn oder Armin Laschet.
BERLIN Die Frage der Kanzlerkandidatur der Union wird zum Machtkampf zwischen CDU-Chef Armin Laschet und dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder. Beide erklärten am Sonntag in einer Klausurtagung der Fraktionsspitze ihre Bereitschaft zur Übernahme der Kandidatur. „Ich habe heute meine Bereitschaft erklärt, zu kandidieren“, sagte der bayerische Ministerpräsident Söder am Sonntag nach der Sitzung des geschäftsführenden Vorstands der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Voraussetzung sei jedoch, dass die CDU dies als große Schwesterpartei unterstütze. Zugleich betonte Söder, dass er auch eine Ablehnung akzeptieren werde: „Wenn die große Schwester sagt, das ist nicht ihr Vorschlag, sie hat einen anderen Vorschlag, dann ist das für uns auch ein klares Signal. Dann würden wir das auch akzeptieren.“
NRW-Ministerpräsident Laschet sagte, nun liege „die Bereitschaft von zweien auf dem Tisch“. Beide erklärten allerdings, nun rasch eine einvernehmliche Lösung für ihre konkurrierenden Ansprüche auf die Kanzlerkandidatur finden zu wollen. „Wir haben festgestellt, dass wir beide geeignet und bereit sind“, sagte Söder. Die Kandidatenfrage solle nun „in einem guten Prozess sehr schnell und sehr zeitnah“gelöst werden, sagte Laschet.
Der CDU-Vorsitzende betonte: „Unser Ziel ist es, in dieser Lage, in der das Land ist, mit einer Kanzlerin, die aus dem Amt geht, so viel Einigkeit wie möglich zwischen CDU und CSU zu leisten, denn es geht um viel.“Dem Auftritt in der Fraktion war ein vertrauliches Gespräch von Laschet und Söder vorausgegangen, das beide als lang und freundschaftlich charakterisierten.
Wie es jetzt genau weitergeht im Rennen um die Kanzlerkandidatur, blieb bis Sonntagabend allerdings zunächst offen. Am heutigen Montag wird das CDU-Präsidium über die Entscheidung beraten und möglicherweise auch eine „Empfehlung“ aussprechen, erklärte Laschet. Er werde um Vertrauen werben. Söder verwies darauf, dass am Nachmittag auch das CSU-Präsidium tage und betonte, er rechne nicht mit einem Beschluss. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich in der Sitzung zuvor indirekt an die Seite von Laschet in der Corona-Krise gestellt und Bayerns Umsetzung der Notbremse kritisiert. Allerdings waren sich Merkel und Söder in der Vergangenheit
bei der Bekämpfung der Corona-Krise meist einig gewesen.
Der unterlegene Mitbewerber im Kampf um den CDU-Vorsitz, Norbert Röttgen, sieht die Wahlchancen der Union als alleiniges Kriterium bei der Entscheidung der gemeinsamen Kanzlerkandidatur von CDU und CSU. „Es geht nicht um die CDU, nicht um die CSU, und auch nicht um Laschet oder Söder, sondern allein um den Wahlsieg der Union. Danach muss sich alles und alle richten“, sagte Röttgen. Beide Vorsitzenden stünden „in einer Gesamtverantwortung. Dass diese wahrgenommen wird, erwartet die Partei und sie wird es auch honorieren.“Röttgen betonte weiter: „Dass beide Vorsitzenden von CDU und CSU Kanzlerkandidat werden wollen, ist schon häufiger vorgekommen und spricht nicht nur gegen uns.“
Führende Unionspolitiker hatten vor der Sitzung aufs Tempo bei der Klärung der Kanzlerkandidatur gedrückt. In der CDU war Söder vorgeworfen worden, lange nicht erklärt zu haben, ob er überhaupt als Kanzlerkandidat antreten möchte – wohl aber regelmäßig Spitzen gegen Laschet abfeuere. Gleichzeitig gibt es in der CDU wiederum bei vielen Abgeordneten die Sorge, dass die derzeit schlechten Umfragewerte von Laschet schädlich für die Union bei der Bundestagswahl wären.
Für die unklare Situation der Union macht FDP-Vize Wolfgang Kubicki auch Bundeskanzlerin Merkel mitverantwortlich. „Die Union ist aktuell in keinem guten Zustand“, sagte Kubicki. Vielen CDU-Führungskräften falle jetzt auf, zu lange auf die Kanzlerin gebaut zu haben. „Angela Merkel waren programmatische Linien immer egal. Jetzt ist die Union inhaltlich vollständig entkernt“, sagte der Bundestagsvizepräsident. „Es ist zu erwarten, dass diese Entwicklung mit einem Kanzlerkandidaten Söder, der ja für seine programmatische Beliebigkeit bekannt ist, eher noch beschleunigt wird.“
Leitartikel, Politik