FDP-Modell: Mutter-Mutter-Vater-Vater-Kind
Der Entwurf des Wahlprogammes der Liberalen unterstreicht: „Wie es ist, darf es nicht bleiben“.
BERLIN Die FDP will mit ihrem Bundestagswahlprogramm Deutschland fit machen für einen Neustart nach der Pandemie – und sich selbst offenbar fit für einen Einstieg in eine Bundesregierung nach der Wahl. Der Vorstand wird an diesem Montag noch ein wenig am Entwurf feilen, der Parteitag im Mai dann noch einmal detailliert. Doch am umfassenden Modernisierungskurs dürfte es keine Abstriche geben. „Wie es ist, darf es nicht bleiben“, lautet der erste Satz des Programmentwurfes – und er wiederholt sich litaneiartig zu Beginn jedes Kapitels.
Die FDP schielt nicht auf linke Mehrheiten oder rechte Stimmen, sondern definiert beide Orientierungen als „Irrwege“. Ihre Alternative: „Fortschritt geht nur nach vorne durch die Mitte.“Das aber ist in den meisten Kapiteln und Forderungen durchaus kompatibel mit möglichen Bündnissen unterschiedlichster Couleur. „Gründen wir Deutschland neu“, wird als genereller Anspruch festgelegt. Konkret bedeutet das etwa, den Firmen durch eine „negative Gewinnsteuer“Liquiditätshilfen direkt vom Finanzamt zukommen zu lassen, die Unternehmenssteuer auf 25 Prozent zu senken, den Spitzensteuersatz erst ab 90.000 Euro greifen zu lassen und die Steuererklärung durch Online-Hilfe und vorausgefüllte „Easy Tax“-Formulare einfacher zu machen.
Die Höhe der Sozialausgaben im Bundeshaushalt sollen nach den Vorstellungen der FDP auf 50 Prozent gedeckelt werden. Sie will ein Prozent der Mehrwertsteuereinnahmen zusätzlich in die Bildung stecken und die
Zuständigkeiten
der Länder hier überarbeiten. Studenten könnten sich für das Konzept eines elternunabhängigen Baukasten-BAföG interessieren: Dabei gibt es einen monatlichen Sockelbetrag von 200 Euro plus weitere 200 bei ehrenamtlichem Engagement oder Nebentätigkeit und ein erst bei gutem Einkommen rückzahlbares Darlehen.
Als Konsequenz aus den Pandemieerfahrungen will die FDP das Robert-Koch-Institut zu einer politikunabhängigen Behörde machen. Im Gesundheitskapitel findet sich auch die kontrollierte Abgabe von Cannabis – mit der Erwartung, durch eine Besteuerung jährlich bis zu einer Milliarde einnehmen und in die Suchtbehandlung stecken zu können. Größeren gesellschaftlichen Reformbedarf sieht die FDP unter ihrem Parteichef Christian Lindner
bei den privaten Lebensentwürfen.
Sie will die Mehrelternschaft mit bis zu vier Elternteilen rechtlich anerkennen und neben der Ehe die „Verantwortungsgemeinschaft“einführen. Danach sollen zwei oder mehr volljährige Personen eine neue Form gegenseitiger Absicherung gründen können.
Dürfte es bei diesen und vielen weiteren Forderungen in Koalitionsverhandlungen bereits lebhaft zugehen, so sind die Entwürfe für die Arbeit der politischen Akteure selbst nicht minder interessant: Der Bundestag soll künftig nicht mehr alle vier, sondern nur noch alle fünf Jahre gewählt werden, der Kanzler oder die Kanzlerin dann nur noch höchstes zwei Wahlperioden oder zehn Jahre im Amt sein dürfen. Die Zahl der Wahlkreise wollen die Liberalen von 299 auf 250 reduzieren und damit den Bundestag selbst verkleinern. Wählen dürfen die Menschen nach diesen Vorstellungen dann künftig schon ab 16.