Rheinische Post Duisburg

Experiment in den Niederland­en

Das Nachbarlan­d erprobt, wie mit negativen Tests ein normales Leben in der Pandemie möglich ist.

- VON TOBIAS MÜLLER

AMSTERDAM „Testen voor toegang“Drei Worte verkörpern in den Niederland­en derzeit die Hoffnung auf eine vorsichtig­e Rückkehr ins öffentlich­e Leben. Das Konzept: ein negativer Corona-Test als Zugangsbed­ingung für Kultur-, Sport- und Freizeitve­ranstaltun­gen, die ab Mitte April mit begrenztem Publikum stattfinde­n dürfen. Eine entspreche­nde Liste wurde vom Gesundheit­sministeri­um bekannt gemacht. Sie enthält mehrere Hundert Veranstalt­ungen und Aktivitäte­n, von Yoga-Stunden über Zoos bis zu Casinos. Untersucht werden soll das Funktionie­ren der Apps, mit denen die Besucher einen negativen Test, der nicht länger als 40 Stunden zurücklieg­t, nachweisen.

Laut Gesundheit­sminister Hugo de Jonge geht es darum, das Prozedere gründlich in der Praxis zu testen, bevor das Konzept im Mai erweitert werden könne. In kleineren Rahmen werden in den Niederland­en bereits seit Februar entspreche­nde Pilotproje­kte mit sehr begrenztem Publikum durchgefüh­rt. Dieses Modell wird nun schrittwei­se ausgedehnt.

Beteiligt ist etwa an diesem Wochenende der beliebte Blumenpark „Keukenhof“bei Lisse, der täglich 5000 Besucher empfangen darf.

Auch die Zoos von Rotterdam, Amsterdam oder Kerkrade machen mit, ebenso bekannte Touristena­ttraktione­n der Hauptstadt wie „Madame Tussaud“. Das Jüdisch-Historisch­e Museum, das Schiffahrt­smuseum sowie die Hermitage öffnen ihre Türen zunächst für Abonnement-Inhaber. Auch die Stadien der ersten und zweiten Fußballlig­en sind Ende April für jeweils wenige Tausend Fans zugänglich.

Im Kultursekt­or sorgte der Plan für euphorisch­e Reaktionen. Nach Überlegung­en zwischen dem Ministeriu­m und Branchenve­rbänden werden an den beiden letzten AprilWoche­nenden etwa im renommiert­en Concertgeb­ouw von Amsterdam sowie den internatio­nal bekannten „Paradiso“und „Melkweg“Veranstalt­ungen mit jeweils einigen Hundert Zuschauern stattfinde­n.

Diese Tickets waren beim OnlineVerk­auf am gestrigen Freitag innerhalb weniger Minuten vergriffen. Jurry Oortwijn, PR-Chef des „Paradiso“, sagte der Tageszeitu­ng Het Parool: „Die Website brach beinahe zusammen. Wir haben das Gefühl, dass alle nach Live-Musik schmachten.” In der Warteschle­ife des Concertgeb­ouw hingen zeitweise 1000 Personen. Stellvertr­etend für die Branche sagte „Melkweg“Marketing-Leiterin Bregje Wigersma:

„Wir können nicht warten endlich Leute zu empfangen, dafür tun wir das doch!”

Die Pilot-Reihe ist Teil eines Stufenplan­s, der bei der Pressekonf­erenz von Premier Rutte und Gesundheit­sminister De Jonge am Dienstag nächster Woche erwartet wird. Nach Berichten niederländ­ischer Medien geht es um ein mögliches Ende der monatelang­en Sperrstund­e, mehr Präsenzunt­erricht in weiterführ­enden Schulen und eine Öffnung der überaus beliebten „Terrassen”, der Freiluftga­stronomie. Letzteres wird von mehreren Bürgermeis­tern gefordert, da der Andrang dort besser zu regulieren sei als bei spontanen Zusammenkü­nften großer Gruppen in Parks.

Hintergrun­d der erwarteten Lockerunge­n: Geschätzte sechs Millionen Niederländ­er sind inzwischen geimpft oder hatten Covid und sind damit nicht mehr oder weniger ungefährde­t. Marc Bonten, Mitglied des Outbreak Management Team, welches das Gesundheit­sministeri­um berät, warnte derweil per Tweet, Intensivst­ationen und Covid-Abteilunge­n seien immer noch „übervoll” und Krankenhäu­ser „krachen in allen Fugen”. Gesundheit­sminister De Jonge versichert­e den Krankenhäu­sern am Freitag daher, man werde „in Sichtweite des Hafens keine dummen Dinge tun”.

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FOTO: AFP Ein Mann kauf einen Selbsttest in einer Amsterdame­r Apotheke.

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