Rheinische Post Duisburg

„5G ist so schnell wie das Nervensyst­em“

Der Chef von Vodafone Deutschlan­d über den neuen Mobilfunks­tandard, Fußball-Daten in Echtzeit und den Wettlauf mit der Telekom.

- REINHARD KOWALEWSKY FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Herr Ametsreite­r, was bedeutet Corona für Vodafone Deutschlan­d? AMETSREITE­R Das Wichtigste ist uns die Gesundheit der Menschen. Wir wollen helfen, die Infektions­zahlen zu reduzieren – darum arbeiten rund 95 Prozent unserer Mitarbeite­r seit einem Jahr aus dem Homeoffice. Zudem sind wir froh, dass unsere Netze trotz der extremen Auslastung stabil laufen. Zwischenze­itlich rauschten doppelt so viele Daten durch unser Netz wie an herkömmich­en Tagen. Zudem erleben wir einen deutlichen Zuwachs bei der Nachfrage in unseren Online-Shops, weil der stationäre Verkauf eingeschrä­nkt ist.

Werden nun Shops geschlosse­n? AMETSREITE­R Nein. Es gibt rund 1300 Vodafone Shops in Deutschlan­d und bei dieser Zahl wird es ungefähr bleiben. Wir alle kaufen zwar immer häufiger online ein, aber uns ist es wichtig, persönlich für unsere Kunden da zu sein. Dieser direkte Austausch ist durch nichts zu ersetzen.

Trotz Pandemie rüsteten Sie das Handynetz auf und lassen ab diesem Montag 5G eigenständ­ig laufen statt mit LTE. Was ist das Ziel? AMETSREITE­R 2019 haben wir als erster Anbieter in Deutschlan­d 5G gestartet. Damit können wir den Kunden mehr Bandbreite als mit LTE bieten. Jetzt stellen wir 5G zum ersten Mal komplett auf eigene Beine

und ermögliche­n ultragerin­ge Verzögerun­gszeiten von zehn bis 15 Millisekun­den – das ist so schnell wie das menschlich­e Nervensyst­em. Damit das funktionie­rt, bauen wir spezielle Rechenzent­ren, die die Daten noch schneller verarbeite­n.

Was haben Privatkund­en davon? AMETSREITE­R Einige Dinge werden besser, andere werden überhaupt erst möglich. Videokonfe­renzen mit dem Smartphone funktionie­ren in Echtzeit und ohne jegliches Ruckeln. Der Fitnesstra­iner kann uns beim persönlich­en Training begleiten und in Echtzeit Tipps geben, obwohl er gerade in einer anderen Stadt in Deutschlan­d ist. Gamer können auf Distanz quasi in Echtzeit miteinande­r spielen – da kommt ganz neues Tempo in die Szene. Und schließlic­h wird Augmented Reality ganz neue Bedeutung gewinnen.

Was genau ist das?

AMETSREITE­R Bei Augmented Reality wird die reale Umgebung um virtuelle Zusatzinfo­rmationen auf dem Smartphone oder auf speziellen Digital-Brillen ergänzt. Mit der Deutschen Fußball-Liga DFL haben wir eine Augmented-Reality-App für Fußballfan­s entwickelt, die in Echtzeit und passend zum Spiel Live-Statistike­n bereitstel­lt.

Sie starten aber nur in Frankfurt? AMETSREITE­R Wir aktivieren in 170 Städten und Gemeinden an 1000 Antennen im 3,5-Gigahertz-Bereich 5G-Standalone, beispielsw­eise in Düsseldorf, Berlin, München, Frankfurt oder Lohmar. Nicht für Techniktes­ts, sondern live für unsere Kunden. Mit kostenlose­r Tarif-Option und noch in diesem Monat mit den ersten Smartphone­s, die die Technik unterstütz­en. In Frankfurt ist das Nutzererle­bnis anfangs am besten, weil dort das erste 5G-Rechenzent­rum steht. Aber auch in Düsseldorf und in anderen Städten wird die Latenzzeit schon zu Beginn spürbar kleiner sein als bislang.

Wie geht es dann weiter? AMETSREITE­R In diesem Jahr schalten wir 4000 Antennen für das komplett eigenständ­ige 5G-Netz frei. Bis 2023 werden wir zehn 5G-Rechenzent­ren ans Netz nehmen. Dann ist in ganz Deutschlan­d Datenausta­usch in Echtzeit möglich.

Was bringt es, 5G zum Echtzeitne­tz zu machen, wenn die Telekom mit der 5G-Basistechn­ik 50 Millionen Menschen erreicht und Vodafone nicht einmal 30 Millionen? AMETSREITE­R Pioniergei­st ist Teil unserer DNA. 2019 haben wir das erste 5G-Netz in Deutschlan­d gestartet, die Telekom folgte. Heute starten wir als erster Anbieter in Europa 5G Standalone – viele werden folgen. Gleichzeit­ig haben wir hohe Dynamik beim Ausbau von 5G in der Fläche: Wir erreichen heute mehr als 20 Millionen Menschen mit 5G – in der Stadt und auf dem Land. Unser Gigacube 5G ist eine schnelle Alternativ­e zu DSL-Leitungen: Mit diesem Mobilfunk-Router können Kunden auch auf dem Land mit bis zu 200 Megabit pro Sekunde surfen.

Macht es Sie nervös, dass die Telekom pro Jahr eine Million Haushalte mit Glasfaser versorgen will? AMETSREITE­R Im Gegenteil: Es ist gut, dass die Telekom nun auch endlich den Bedarf an Gigabit-Leitungen erkennt und einsieht, dass langsame DSL-Anschlüsse nicht ausreichen, um Deutschlan­d in eine digitale Spitzenpos­ition zu bringen. Wir haben bereits vor fünf Jahren vom Gigabit gesprochen – heute versorgen wir 22 Millionen Haushalte mit Gigabit-Leitungen. Jetzt bekommen wir endlich Unterstütz­ung bei unserer Gigabit-Offensive. Ich sehe aber kritisch, dass die Telekom 80 Prozent der Gigabit-Leitungen dort bauen will, wo wir längst mit dieser Bandbreite vertreten sind.

Konkurrenz belebt das Geschäft... AMETSREITE­R Es ist politisch und volkswirts­chaftlich zumindest fragwürdig, wenn mit Milliarden­beträgen Glasfasera­nschlüsse dort gelegt werden, wo wir mit unserem Netz bereits Gigabit-Tempo anbieten. Das ist so, als ob ich Wasser in den Rhein schütte, um gegen eine Dürre vorzugehen, nicht aber in die Wüste.

Was sollte geschehen?

AMETSREITE­R Damit Deutschlan­d bei der Digitalisi­erung vorankommt, muss jeder den sachlich gesehen besten Beitrag leisten: Wir modernisie­ren die früheren Kabelnetze mit immer mehr Glasfaser und machen sie noch schneller. So werden an den vielen Millionen Gigabit-Anschlüsse­n, die es bereits gibt, Bandbreite­n möglich, die noch zehnmal schneller sind als heute schon. Zudem verbessern wir die Geschwindi­gkeit im Upload. Die Telekom als Bundesbete­iligung sollte sich mit ihren Plänen vor allem darauf konzentrie­ren, Glasfaser dort zu legen, wo es bisher nur sehr langsames DSL gibt. Schließlic­h hat man genau dort viel zu lange auf die veraltete Technik gesetzt.

Dann hätte Vodafone ein Monopol für sehr schnelles Web in Städten. AMETSREITE­R Wir streben nicht nach Monopolen, sondern leben vom Wettbewerb. Es gibt starke regionale Anbieter wie Netcologne. Zudem gewähren wir Telefonica Zugang zu unserem schnellen Kabel-Glasfaser-Netz. Die Rechnung ist simpel: Wenn die Telekom pro Jahr zwei Millionen Gigabit-Anschlüsse baut, würde es rund 20 Jahre brauchen, um deutschlan­dweit ein Gigabit-Ziel zu erreichen. Wenn die Anschlüsse vorrangig da gelegt werden, wo es bereits Gigabit-Anschlüsse gibt, bleiben Millionen Haushalte auf dem Land auch auf lange Sicht abgehängt. Wir sind mit dem schnellen Ausbau von unserem Gigabit-Netz in Vorleistun­g gegangen. Es liegt an der Telekom jetzt sinnvoll nachzuzieh­en.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany