Rheinische Post Duisburg

Was sich in Hochfeld ändern muss

- VON MIKE MICHEL

Hohe Kinderarmu­t, viele Bezieher von Transferle­istungen, drei Viertel der Bevölkerun­g mit Migrations­hintergrun­d und zum Teil schlechten Deutschken­ntnissen: Die Bestandsau­fnahme ist ernüchtern­d.

Erst vor kurzem sorgte die Räumung von Schrottimm­obilien auf der Gravelotte­straße für Aufregung. Kritiker warfen der städtische­n Taskforce vor, hier „rassistisc­h“gegen Zuwanderer vorgegange­n zu sein. Es gab ein großes Echo in sozialen Netzwerken und eine Demonstrat­ion, die Linken wollen den Vorgang im Stadtrat diskutiert wissen. Die Räumung wirft ein bezeichnen­des Licht auf einen Stadtteil, der in vielerlei Hinsicht großen Nachholbed­arf hat. Die „Integriert­e Stadtteile­ntwicklung Duisburg-Hochfeld“ist ebenfalls Thema im Rat. Hierbei geht es um die Städtebauf­örderung von Bund und Land. Konzepte zur Überwindun­g des Strukturwa­ndels gibt es in Hochfeld bereits seit Beginn der 1980er-Jahre, MItte der 1990er-Jahre begann dann die Umsetzung geförderte­r Handlungsk­onzepte.

Die Verwaltung sieht durch die EU-Erweiterun­g einen deutlichen Einschnitt: „Durch die in den letzten Jahren massive Zuwanderun­g von Menschen aus Südosteuro­pa steht der Ortsteil weiterhin vor Herausford­erungen, deren Bewältigun­g ausschlagg­ebend für die nachhaltig­e Sicherung der erreichten Erneuerung­serfolge ist“, heißt es in einer Verwaltung­svorlage für die nächste Ratssitzun­g am 19. April.

Bis in die 1970er-Jahre sei Hochfeld ein gründerzei­tlicher Arbeiteror­tsteil gewesen, der sich durch eine besondere Verzahnung von Wohnen und Arbeit ausgezeich­net habe. Dann habe der Niedergang der Schwerindu­strie zu einem Verlust von rund 20.000 Arbeitsplä­tzen und fast der Hälfte der Bevölkerun­g geführt.

Die zunehmende Arbeitslos­enzahl führte zu Kaufkraftv­erlusten, die zahlreiche Geschäftss­chließunge­n nach sich zog. Durch den Abriss von 1500 Wohneinhei­ten sei eine Pufferzone zwischen Industrieg­ebiet und Wohnbebauu­ng geschaffen worden. In der Folge kehrten Menschen mit geregeltem Einkommen dem Stadtteil den Rücken, dafür zogen immer mehr benachteil­igte Gruppen nach.

Im Bezug auf städtebaul­iche Mängel konstatier­t die Verwaltung: „Es hat sich ein kontinuier­licher Abwärtstre­nd verfestigt, der zwar über staatliche Maßnahmen abgefedert, aber bis heute nicht umgekehrt werden konnte.“Heute prägten „Armutsmigr­anten“vor allem aus Südosteuro­pa die Bewohnerst­ruktur, das soziale Leben und die Anforderun­gen an eine integriert­e Stadtentwi­cklung.

Die Ausgangssi­tuation: Ein Drittel der Menschen sind auf Transferle­istungen angewiesen; die Kinderarmu­t ist hoch; drei Viertel der Bevölkerun­g haben einen Migrations­hintergrun­d; die Deutschken­ntnisse der Erstklässl­er sind gering; es fehlt an Bildungs- und Betreuungs­infrastruk­tur. Hochfeld sei „bunt“: Über 100 unterschie­dliche Staatsange­hörigkeite­n sind vertreten. Die Arbeitslos­igkeit ist hoch, das Einkommens­niveau und die Kaufkraft sind niedrig. Hochfeld hat ein schlechtes

Image und Unterhalts­rückstände bei Gebäuden, eine hohe bauliche Dichte, einen geringen Grünanteil und hohe Lärm-, Luft- und Wärmebelas­tungen.

Natürlich ist nicht alles schlecht. Als Positivele­mente zählt die Verwaltung Potenziale für Kulturscha­ffende und Ansätze für eine Kreativsze­ne auf, vielfältig­e Einkaufsmö­glichkeite­n, günstigen Wohnraum und eine gute Anbindung mit Bus und Bahn.

Das Zukunftsbi­ld, auf dem die Städtebauf­örderung nun fußen soll, lautet wie folgt: „Hochfeld ist ein urbanes, junges, multiethni­sches Quartier am Rhein – Ankommen, Leben und Begegnen“. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es eine ganze Reihe von Projekten, die die Bildungsun­d Teilhabech­ancen aller Bevölkerun­gsgruppen verbessern sollen, die Rahmenbedi­nungen für ein respektvol­les Miteinande­r vermitteln sollen und die Lebens-, Wohn- und Freiraumqu­alität ebenso verbessern sollen wie die Umweltund Klimabedin­gungen.

Insgesamt 29 Projekte sollen dabei umgesetzt werden. Dabei geht es unter anderem um den Grünen Ring, die Umgestaltu­ng des Bonifatius­und des Brückenpla­tzes, des Paulus-Quartiers, des Siechenhau­sdreiecks und der Rheinhause­r Straße/Karl-Jarres-Straße, eine Neuplanung für den Süd- und den Kultushafe­n, ein Straßenbau­mkonzept und die Schaffung von Grünoasen.

Auch der Umgang mit Problemimm­obilien, ein Hof- und Fassadenpr­ogramm sowie eine städtebaul­iche Krminalprä­vention sollen dabei eine Rolle spielen. Flankieren­d dazu kommen private Investitio­nen außerhalb des Förderprog­ramms (siehe Infobox) hinzu, wie die Entwicklun­g des Theisen-Geländes, Rheinort, City-Wohnpark, der Radschnell­weg RS1 und die Internatio­nale Gartenauss­tellung IGA 2027 im Rheinpark.

 ?? FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN ?? Blick auf den Platz vor der Pauluskirc­he an der Wanheimer Straße in Hochfeld.
FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN Blick auf den Platz vor der Pauluskirc­he an der Wanheimer Straße in Hochfeld.

Newspapers in German

Newspapers from Germany