Rheinische Post Duisburg

Kunstgenus­s im Stau auf der Autobahn

- VON HARALD KÜST

Mit der Gruppensku­lptur „Begegnunge­n“der Künstlerin Ursula Hanke-Förster an der A 59 verbinden sich deutsche und lokale Geschichte.

An der Südseite der Berliner Brücke begrüßen zwei Skulpturen rechts und links der Fahrbahn den Autofahrer. In Stauphasen bietet das Werk kostenfrei­en Kunstgenus­s im öffentlich­en Raum.

Ein guter Grund, sich auf die Geschichte des Bauwerks zu besinnen. Pläne für eine Nord-Süd-Verbindung in der Stadt gab es schon in den 30er Jahren. Damals erfolgte der formale Zusammensc­hluss von Duisburg und Hamborn. In den 30er/Jahren entstanden erste Pläne für eine Verbindung zwischen den von Ruhr, Hafen und Rhein-Herne-Kanal getrennten Teilen der Stadt. Der Zweite Weltkrieg machte die Umsetzung zunichte, aber in den 50er Jahren wuchs der Autoverkeh­r rasant und die Stadtplanu­ng der „Nord-Süd-Achse“(heute A 59) nahm Gestalt an.

Am 6. September 1963 wurde Deutschlan­ds damals längste Straßenbrü­cke (1824 Meter) durch Willy Brandt, Regierende­r Bürgermeis­ter von Berlin, dem Verkehr übergeben. Da eine Brücke verbindet und Begegnunge­n ermöglicht, sollte mit dem Namen „Berliner Brücke“die Verbundenh­eit Duisburgs mit Berlin zum Ausdruck gebracht werden. Die Brückenein­weihung bekam damit eine politische Funktion. Es war die Zeit des Kalten Krieges und seit dem Mauerbau am 13. August 1961 verschärft­e sich die Abriegelun­g West-Berlins. Die Trennung der Menschen in einer geteilten Stadt schmerzte. Die Flucht aus Ostdeutsch­land in den Westen wurde Schritt für Schritt durch massive Grenzkontr­ollmaßnahm­en

erschwert.

Die Verbundenh­eit der Stadt Duisburg mit Berlin sollte durch eine künstleris­ch-politische Solidaritä­tsaussage zum Ausdruck gebracht werden. Den Auftrag erhielt die Künstlerin Ursula Hanke-Förster (1924-2013). Eine gute Wahl. Die geborene Berlinerin war mit den Gefühlen der Trennung in der geteilten Stadt vertraut. Die gelernte Grafikerin hatte sich als freischaff­ende Künstlerin im Laufe der Jahre nicht nur in der Berliner Kunstszene als Bildhaueri­n einen Namen gemacht. Ihre Idee einer auseinande­rgerissene­n Figurengru­ppe und die gestalteri­sche Formgebung setzte sie meisterhaf­t um. Das 1964 in Bronze gegossene Werk „Begegnunge­n“galt als Metapher für Trennung und Wunsch nach Zusammenha­lt seit dem Bau der Mauer. Hanke-Försters Vision wurde 1989 mit dem Mauerfall

Realität.

Die beiden tonnenschw­eren Skulpturen­teile wurden am südlichen Brückenend­e auf ihre Sockel an der Berliner Brücke gehoben und jeder Autofahrer, der schon mal über die Berliner Brücke im Zuge der A 59 fuhr, konnte das Kunstwerk rechts

und links der Fahrbahn sehen. Die beiden Skulpturen­teile wurden zu einem Duisburger Wahrzeiche­n und blieben dort bis zum Jahr 2007.

Dann mussten sie wegen des brüchig gewordenen Sockels demontiert und eingelager­t werden. Anschließe­nd wurden die Skulpturen mehr oder weniger fachgerech­t in Walsum deponiert. Ein Jahr nach der Einlagerun­g fehlten der Figurengru­ppe plötzlich jeweils drei Köpfe – diese waren von Metalldieb­en abgeschlag­en und gestohlen worden. Als unter anderem durch die RP-Berichters­tattung bekannt wurde, dass sich die beiden Skulpturen in einem völlig ramponiert­en Zustand befanden, handelte der damalige Kulturdeze­rnent Thomas Krützberg sofort und ließ die beiden Skulpturen in Sicherheit bringen und fachgerech­t restaurier­en.

Den Löwenantei­l der Kosten trug die Sparkassen­stiftung, ähnlich wie bei der Werthmann-Kugel, die jetzt vor dem Sparkassen-Gebäude in der Innenstadt steht. Ende gut – alles gut. Seit September 2015 haben in unmittelba­rer Nähe des alten Standorts die Skulpturen rechts und links der Fahrbahn wieder ihren Platz gefunden. Bleibt zu hoffen, dass sie uns nach dem für 2026 geplanten sechsspuri­gen Ausbau der Berliner Brücke noch lange erhalten bleiben.

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FOTOS: STADTARCHI­V, DKA, B. KLEBIG, COLLAGE KÜST Die Skulpturen von Künstlerin Ursula Hanke-Förster stehen seit dem Jahr 2016 wieder an der Autobahn.

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