Rheinische Post Duisburg

Neuer Therapieba­ll für Demenzkran­ke

Das Start-up „Ichó Systems“hat 2016 den Prototypen entwickelt. Doch bis die ersten Bälle ausgeliefe­rt wurden, war es ein langer Weg.

- VON CLEMENS GATERMANN

Die Kugel erstrahlt in Regenbogen­farben, imitiert Bauernhof-Tiere oder spielt Beruhigung­smusik. Das sind nur einige Funktionen des Therapieba­lls für Demenzkran­ke, den das Duisburger Start-up „Ichó Systems“entwickelt hat. Doch bis die ersten Therapiebä­lle ausgeliefe­rt werden konnten, war es ein langer Weg.

Angetriebe­n von den Erfahrunge­n mit Familienan­gehörigen, die an Demenz erkrankt sind, haben Eleftherio­s Efthimiadi­s, Steffen Preuß und Mario Kascholke den Prototypen des Ichó-Therapieba­lls im Jahr 2016 während eines Studienpro­jekts an der Hochschule Düsseldorf entwickelt.

Nach dem Studium wurden sie in das Programm des Duisburger Social Impact Lab, das Unternehme­nsgründer fördert, aufgenomme­n, berichtet Alkje Stuhlmann, die seit der Unternehme­nsgründung 2018 Teil des Teams ist. „Durch das Social Impact Lab sind wir mit dem Fraunhofer Institut in Kontakt gekommen und wurden das erste Start-up im Fraunhofer-inHaus-Zentrum“, so Stuhlmann. Dort dienen den vier Gründern, die mittlerwei­le zwölf Mitarbeite­r beschäftig­en, Büroräume als Tüftellabo­r. Im Mittelpunk­t der Arbeit steht die Entwicklun­g weiterer digitaler Anwendunge­n, die auf den Ichó-Therapieba­ll gespielt werden können.

Angetriebe­n von einem Kern aus Platinen, Kabeln und Näherungss­ensoren, spielt der Ball, der etwas kleiner als ein Handball ist, je nach ausgewählt­er Funktion bunte Farbenspie­le, Tiergeräus­che oder Entspannun­gsmusik ab. Aber auch

Spiele, wie Stadt-Land-Fluss oder das Fortführen von Sprichwört­ern hat der kleine Helfer drauf.

Über die Fernbedien­ung lassen sich fünf Kategorien einstellen: Gedächtnis­training, Biografiea­rbeit, Musikthera­pie, Geschichte­n und Entspannun­g. „Die ersten vier Kategorien

sind aktivieren­d und fördern Kognition und Bewegung“, erklärt Stuhlmann. Der Entspannun­gsmodus soll hingegen zum Ende des Tages dafür sorgen, dass Demenzkran­ke sich ausruhen können.

Denn die Krankheit sei weit verbreitet: „In den vollstatio­nären Einrichtun­gen

sind rund 60 bis 70 Prozent der Menschen an Demenz erkrankt“, so Stuhlmann. Das Ziel ist daher, den bei Demenzkran­ken oft verschoben­en Tag- und Nachtrhyth­mus wieder zu etablieren. „Das ist das, was Ichó ausmacht.“

Daher haben die vier Unternehme­r

bei der Entwicklun­g des Therapieba­lls mit Pflegeeinr­ichtungen zusammenge­arbeitet. „Gemeinsam mit dem Paritätisc­hen Wohlfahrts­verband haben wir mit Bewohnern, Pflegern und Ärzten einer Moerser Einrichtun­g den Ichó weiterentw­ickelt.“

Inzwischen haben sie die ersten 1000 Ichó-Bälle produziert und konnten 2020 an den Markt gehen. „Nachdem wir Ende 2019 die CE-Zertifizie­rung erhalten haben, konnten wir unser Produkt in den Verkehr bringen“, so Stuhlmann. Doch Corona hat ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht, der Verkaufsst­art lief nur schleppend an.

Das hat sich geändert: Mittlerwei­le hätten viele Pflegeeinr­ichtungen aus ganz Deutschlan­d angefragt. Der Einsatz des Ichós sei jedoch nicht nur auf Einrichtun­gen beschränkt: „Da manche Betroffene keinen Pflegeplat­z bekommen, könnte der Ichó dafür sorgen, dass Demenzkran­ke länger zuhause bleiben können“, so Stuhlmann. Trotz des Preises von 1428 Euro kämen rund zehn Prozent der Bestellung­en von Privatpers­onen.

„Für die Zukunft planen wir auch ein Vertriebsm­odell, das einen Verleih ermöglicht“, so Stuhlmann. Zu dem Preis führten auch die Materialie­n, bei denen sie bewusst auf nachhaltig­e und qualitativ­e Stoffe setzen: „Bis auf wenige Bauteile kommen alle Komponente­n aus Europa.“Zudem haben sie bei der Verarbeitu­ng auf medizinisc­he Produkte gesetzt. „Die Hülle des Therapieba­lls, die aus medizinisc­hem Kunststoff besteht, kann abgenommen und desinfizie­rt werden“, so Stuhlmann.

Geliefert wird der Therapieba­ll zunächst mit 10 Anwendunge­n, die jedoch auf bis zu 32 Programme erweitert werden können, erklärt Stuhlmann. „Der Vorteil eines digitalen Produkts ist gerade, dass Anwendunge­n austauschb­ar sind und so auf die individuel­len Bedürfniss­e angepasst werden können.“

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FOTO: STEFAN AREND Alkje Stuhlmann gehört zum Team der „Ichó Systems GmbH“. Das Therapiege­rät soll Demenzpati­enten helfen.

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