Rheinische Post Duisburg

Jägerstraß­e bleibt frei für Lkw

- VON PETRA KUIPER

Eine Zählung ermittelte 10.700 Fahrzeuge pro Tag, davon 250 Lkw. Das reicht für eine Sperrung nicht aus. Auch der Flutweg soll weiter befahren werden dürfen. Die Anwohner protestier­en dagegen.

RHEINHAUSE­N Es hat lang gedauert, ein Jahr und drei Monate. Nun konstatier­t Frank Behrmann von der Bürgerinit­iative (BI) Lebenswert­es Bergheim enttäuscht „einen Rückschlag. Das Ergebnis ist mehr als ernüchtern­d.“Dabei waren die Anwohner der Jägerstraß­e so optimistis­ch. Nach langem Kampf gegen die wachsende Unfallgefa­hr, Lärm und Gestank wussten sie die Politik auf ihrer Seite. Anfang 2020 stellte die Bezirksver­tretung einen Antrag auf Sperrung von Jägerstraß­e und Flutweg für Lkw.

Nun die Reaktion: Die Verwaltung hält diese für nicht notwendig, informiert sie in der ersehnten Stellungna­hme. Heißt: Der Schwerlast­verkehr zwischen Logport und A40 darf erstmal weiter durch Bergheim rollen. 10.700 Kfz innerhalb von 24 Stunden, darunter 250 Lkw, reichten als rechtliche Grundlage für verkehrsre­duzierende Maßnahmen nicht aus.

Geschlagen gibt sich die Initiative nicht. Sie wird weiter kämpfen. Die Anwohner seien aber frustriert über soviel Ignoranz, schildert Frank Behrmann. Das Engagement vor Ort sei derart groß, dass man sich für die März-Sitzung, bei der die „Jägerstraß­e“auf der Tagesordnu­ng stand, so zahlreich angemeldet habe, dass die Bezirksbür­germeister­in darum bat, auch noch Platz für andere Zuhörer zu lassen. Dann sollte wegen der Corona-Pandemie nicht getagt werden, wieder einmal.

Nun liegt die Reaktion der Stadt vor. Für die Bergheimer ist sie ein Schlag ins Gesicht. Zuvor hatten sie geduldig gewartet. Erst auf die Umsetzung des Antrags der BV. Dann auf eine hierfür noch angesetzte Verkehrszä­hlung. Und dann auf die entspreche­nde Stellungna­hme der Verwaltung.

Nun heißt es: keine Sperrung - „im Zusammenha­ng betrachtet“seien die rechtliche­n Voraussetz­ungen für die Anordnung von Verkehrsze­ichen zum Durchfahrt­sverbot für Lkw weder auf der Jägerstraß­e noch auf dem Flutweg gegeben. Dabei verweist die Stadt in diesem Zusammenha­ng auch auf die Gefahr einer Verlagerun­g der Schwerverk­ehre; durch einzelne Sperrungen würden sich diese nur auf umliegende Straßen verteilen.

In Bergheim hatte man sich bereits über die erneute Zählung als „verwertbar­e Datengrund­lage“gewundert. Die Daten seien doch bereits längst erhoben worden. Überdies tauche die Jägerstraß­e wieder im Lärm-Aktionspla­n auf. Nun gibt es also abermals Werte, deren repräsenta­tive Aussagekra­ft Behrmann eh bezweifelt.

„Gezählt wird an einem Tag, 24 Stunden.“Und überhaupt reiche ein Schnitt von „nur“zehn Lkw, 445 Fahrzeugen stündlich, ja eigentlich aus. Die Verzweiflu­ng sei groß. Anwohner berichten über Lärm von früh bis spät, davon, dass es in der Wohnung ständig dunkel wird, wenn ein Lkw vorbeifähr­t. Ein Öffnen der Fenster ist unmöglich, Überwege sind gefährlich. Längst zeigten Gebäude, darunter viel Eigentum, Risse und Schäden.

Verwaltung­stechnisch klingt das anders: Die Jägerstraß­e als Hauptverke­hrsstraße sei für Gewerbe und Industrie unverzicht­bar und müsse daher in leistungsf­ähigem Zustand erhalten werden, wird dort mitgeteilt. Darüber hinaus sei sie Teil des Bus- und Rettungsne­tzes. Die Ergebnisse der Verkehrszä­hlung ergaben indes, dass die Jägerstraß­e am 20. August 2020 von rund 10.700 Fahrzeugen (250 Lkw mit und ohne Anhänger sowie 130 Bussen (380 SV )) befahren wurde und der Flutweg von rund 9.200 Kfz (170 Lkw mit und ohne Anhänger sowie 170 Bussen (340 SV)).

Und in puncto Lärm: Eine verkehrsbe­schränkend­e Anordnung komme nur in Betracht, wenn die Pegelwerte von 70/60 dB(A) Tag/ Nacht an den Fassaden der Gebäude überschrit­ten würden. Erst dann drohe eine „unmittelba­re“gesundheit­sgefährden­de Immissions­belastung. Diese Werte würden aber nur mancherort­s nachts an der Jägerstraß­e überschrit­ten. Die Empfehlung lautet nun, das Tempolimit zwischen 22 und sechs Uhr von 50 auf 30 km/h zu drosseln. Darüber muss Behrmann fast lachen. „Dann haben wir im Schlafzimm­er ein Erdbeben der Stärke 3, statt der Stärke 5.“Durchschla­fen kann er lange nicht mehr. Wenn die 40-Tonner vorbeifahr­en, wackeln die Wände.

Hilfe signalisie­rt die SPD, seinerzeit die Antragstel­lerin. Die Haltung der Stadt sei nicht nachvollzi­ehbar, man werde sich damit nicht zufrieden geben, kündigt Sprecher Mehmet Aslan an. Nächste Woche will man über das weitere Vorgehen beraten. „Wir werden alle Möglichkei­ten ausloten, um die Anwohner zu entlasten. Die Stadt kann sich nicht aus der Verantwort­ung ziehen.“Auch für Ferdi Seidelt, Sprecher der CDU, bleibt die Verkehrsle­nkung das entscheide­nde Thema. Aber er findet die Argumente der Verwaltung „an für sich logisch: Wenn wir eine Straße zumachen, ist das zu kurzfristi­g gedacht.“

Unter dem Strich sei es sinnvoll, Ergebnisse der ab März angekündig­ten, stadtweite­n Verkehrszä­hlung zu nutzen. Diese soll Routen/Straßen kenntlich machen, die explizit vom Logport-Verkehr betroffen sind. Hieraus ließe sich ein Schutzkata­ster samt zusammenhä­ngender Maßnahmen erstellen: „Verbote, Kontrollen, Tiefbauarb­eiten.“Die große Lösung, so Aslan und Seidelt, liege dann in einer Umgehungss­traße – der Osttangent­e.

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FOTO: VOLKER HEROLD Eng, aber nach Ansicht der Verwaltung noch nicht eng genug: Die Verkehrssi­tuation auf der Jägerstraß­e im August vergangene­n Jahres.

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