Jägerstraße bleibt frei für Lkw
Eine Zählung ermittelte 10.700 Fahrzeuge pro Tag, davon 250 Lkw. Das reicht für eine Sperrung nicht aus. Auch der Flutweg soll weiter befahren werden dürfen. Die Anwohner protestieren dagegen.
RHEINHAUSEN Es hat lang gedauert, ein Jahr und drei Monate. Nun konstatiert Frank Behrmann von der Bürgerinitiative (BI) Lebenswertes Bergheim enttäuscht „einen Rückschlag. Das Ergebnis ist mehr als ernüchternd.“Dabei waren die Anwohner der Jägerstraße so optimistisch. Nach langem Kampf gegen die wachsende Unfallgefahr, Lärm und Gestank wussten sie die Politik auf ihrer Seite. Anfang 2020 stellte die Bezirksvertretung einen Antrag auf Sperrung von Jägerstraße und Flutweg für Lkw.
Nun die Reaktion: Die Verwaltung hält diese für nicht notwendig, informiert sie in der ersehnten Stellungnahme. Heißt: Der Schwerlastverkehr zwischen Logport und A40 darf erstmal weiter durch Bergheim rollen. 10.700 Kfz innerhalb von 24 Stunden, darunter 250 Lkw, reichten als rechtliche Grundlage für verkehrsreduzierende Maßnahmen nicht aus.
Geschlagen gibt sich die Initiative nicht. Sie wird weiter kämpfen. Die Anwohner seien aber frustriert über soviel Ignoranz, schildert Frank Behrmann. Das Engagement vor Ort sei derart groß, dass man sich für die März-Sitzung, bei der die „Jägerstraße“auf der Tagesordnung stand, so zahlreich angemeldet habe, dass die Bezirksbürgermeisterin darum bat, auch noch Platz für andere Zuhörer zu lassen. Dann sollte wegen der Corona-Pandemie nicht getagt werden, wieder einmal.
Nun liegt die Reaktion der Stadt vor. Für die Bergheimer ist sie ein Schlag ins Gesicht. Zuvor hatten sie geduldig gewartet. Erst auf die Umsetzung des Antrags der BV. Dann auf eine hierfür noch angesetzte Verkehrszählung. Und dann auf die entsprechende Stellungnahme der Verwaltung.
Nun heißt es: keine Sperrung - „im Zusammenhang betrachtet“seien die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrszeichen zum Durchfahrtsverbot für Lkw weder auf der Jägerstraße noch auf dem Flutweg gegeben. Dabei verweist die Stadt in diesem Zusammenhang auch auf die Gefahr einer Verlagerung der Schwerverkehre; durch einzelne Sperrungen würden sich diese nur auf umliegende Straßen verteilen.
In Bergheim hatte man sich bereits über die erneute Zählung als „verwertbare Datengrundlage“gewundert. Die Daten seien doch bereits längst erhoben worden. Überdies tauche die Jägerstraße wieder im Lärm-Aktionsplan auf. Nun gibt es also abermals Werte, deren repräsentative Aussagekraft Behrmann eh bezweifelt.
„Gezählt wird an einem Tag, 24 Stunden.“Und überhaupt reiche ein Schnitt von „nur“zehn Lkw, 445 Fahrzeugen stündlich, ja eigentlich aus. Die Verzweiflung sei groß. Anwohner berichten über Lärm von früh bis spät, davon, dass es in der Wohnung ständig dunkel wird, wenn ein Lkw vorbeifährt. Ein Öffnen der Fenster ist unmöglich, Überwege sind gefährlich. Längst zeigten Gebäude, darunter viel Eigentum, Risse und Schäden.
Verwaltungstechnisch klingt das anders: Die Jägerstraße als Hauptverkehrsstraße sei für Gewerbe und Industrie unverzichtbar und müsse daher in leistungsfähigem Zustand erhalten werden, wird dort mitgeteilt. Darüber hinaus sei sie Teil des Bus- und Rettungsnetzes. Die Ergebnisse der Verkehrszählung ergaben indes, dass die Jägerstraße am 20. August 2020 von rund 10.700 Fahrzeugen (250 Lkw mit und ohne Anhänger sowie 130 Bussen (380 SV )) befahren wurde und der Flutweg von rund 9.200 Kfz (170 Lkw mit und ohne Anhänger sowie 170 Bussen (340 SV)).
Und in puncto Lärm: Eine verkehrsbeschränkende Anordnung komme nur in Betracht, wenn die Pegelwerte von 70/60 dB(A) Tag/ Nacht an den Fassaden der Gebäude überschritten würden. Erst dann drohe eine „unmittelbare“gesundheitsgefährdende Immissionsbelastung. Diese Werte würden aber nur mancherorts nachts an der Jägerstraße überschritten. Die Empfehlung lautet nun, das Tempolimit zwischen 22 und sechs Uhr von 50 auf 30 km/h zu drosseln. Darüber muss Behrmann fast lachen. „Dann haben wir im Schlafzimmer ein Erdbeben der Stärke 3, statt der Stärke 5.“Durchschlafen kann er lange nicht mehr. Wenn die 40-Tonner vorbeifahren, wackeln die Wände.
Hilfe signalisiert die SPD, seinerzeit die Antragstellerin. Die Haltung der Stadt sei nicht nachvollziehbar, man werde sich damit nicht zufrieden geben, kündigt Sprecher Mehmet Aslan an. Nächste Woche will man über das weitere Vorgehen beraten. „Wir werden alle Möglichkeiten ausloten, um die Anwohner zu entlasten. Die Stadt kann sich nicht aus der Verantwortung ziehen.“Auch für Ferdi Seidelt, Sprecher der CDU, bleibt die Verkehrslenkung das entscheidende Thema. Aber er findet die Argumente der Verwaltung „an für sich logisch: Wenn wir eine Straße zumachen, ist das zu kurzfristig gedacht.“
Unter dem Strich sei es sinnvoll, Ergebnisse der ab März angekündigten, stadtweiten Verkehrszählung zu nutzen. Diese soll Routen/Straßen kenntlich machen, die explizit vom Logport-Verkehr betroffen sind. Hieraus ließe sich ein Schutzkataster samt zusammenhängender Maßnahmen erstellen: „Verbote, Kontrollen, Tiefbauarbeiten.“Die große Lösung, so Aslan und Seidelt, liege dann in einer Umgehungsstraße – der Osttangente.