Raub-Überfälle auf Tankstellen: Angeklagte belasten sich gegenseitig
Vier Männer im Alter zwischen 16 und 20 Jahren sollen im März und April 2020 vier Tankstellen in Moers und Kamp-Lintfort sowie eine Lottoannahmestelle in Rumeln überfallen haben. Jetzt stehen sie vor Gericht.
MOERS/KAMP-LINTFORT Die Serie von Überfällen auf Tankstellen hatte im März 2020 Schlagzeilen gemacht. Insgesamt fünf Taten wirft die Anklage vier jungen Männern vor, die sich seit Montag vor Gericht verantworten müssen. Die Angeklagten im Alter zwischen 16 und 20 Jahren sollen im März und April 2020 drei Tankstellen in Moers — die Shell-Tankstelle an der Uerdinger Straße, die Aral-Tankstelle an der Römerstraße und die Westfalia-Tankstelle an der Rheinberger Straße –, eine Aral-Tankstelle Kamp-Lintfort sowie eine Lotto-Annahmestelle in Duisburg-Rumeln überfallen haben. Die Beute: Bargeld in Höhe von 200 bis 1500 Euro, dazu diverse Zigarettenschachteln und Schokolade.
Neben der Anklage wegen schwerer räuberischer Erpressung muss sich der 20-Jährige auch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, Beleidigung, Körperverletzung und tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte verantworten. Bei einer Hausdurchsuchung wurden bei ihm knapp 419 Gramm Marihuana nebst Verkaufsutensilien und Bargeld gefunden. Bei seiner Festnahme hatte er die Polizeibeamten massiv beleidigt, dabei einen Beamten in den Bauch getreten und ins Gesicht gespuckt.
Laut Anklage hatten die beiden aus Moers stammenden Angeklagten die Überfälle und die Flucht geplant, das Fluchtfahrzeug, den Fahrer, Tatkleidung und Waffen bereitgestellt. Die beiden Komplizen, zwei jüngere Männer aus
Kamp-Lintfort, sollen dann mit Pistole und Messer bewaffnet zusammen – teilweise mit einer dritten Person – in die Tankstellen und die Lottoannahmestelle gegangen.
Der Ältere der beiden soll bei den Überfällen die Kassiererinnen jeweils hinter der Theke mit der Pistole bedroht, ihnen in zwei Fällen die Waffe direkt an den Kopf gehalten und die Herausgabe des Geldes gefordert haben. Im ersten Fall hatte die Mitarbeiterin wohl den Warnknopf gedrückt, so dass die Beute gering ausfiel. Die Staatsanwaltschaft sprach vom „konspirativen Vorgehen“einer „Bande“.
Alle vier Angeklagten gestanden, an den Taten beteiligt zu sein, allerdings in unterschiedlichen Nuancen und mit Aussagen, die dem Gericht oft nicht plausibel erschienen und den jeweils anderen belasteten.
Die beiden jungen Männer aus Kamp-Lintfort gaben beide an, „aus Angst“vor den Drohungen der beiden Männer aus Moers die Überfälle ausgeführt zu haben. Man habe teilweise versucht, sich „aus der Sache herauszureden“, sagte der 17-jährige Kamp-Lintforter. Das sei aber nicht gelungen. Erst später habe man dann mit den Familien den Schritt zur Polizei gewagt.
Man sei jeweils angerufen und abgeholt worden. Es habe jeweils immer einen neuen Fahrer gegeben. Man sei instruiert worden, habe sich vorher umgezogen, im Wagen Pistole und Waffen erhalten. Nach den Überfällen habe man sich getrennt und das Geld oder die Zigaretten – je nach Tatbeute – geteilt.
Der ältere Kamp-Lintforter behauptetet zunächst, die anderen Männer nicht zu kennen. Er musste aber auf energische Nachfrage von Richter Johanens Huismann einräumen, mit dem kleinen Bruder des einen Moersers vorher schon einen Überfall begangen zu haben. Beide Kamp-Lintforter konnten sich auch an die genauen Geldsummen nicht erinnern. „Das glaube ich Ihnen nicht“, äußerte Richter Huismann mehrfach seinen Unmut über die Aussagen der Angeklagten.
Der jüngere Moerser behauptete, nicht bei allen Taten dabei gewesen zu sein, nie jemanden bedroht zu
haben. Auch er sagte widersprüchlich aus. Ihm fiel der Name des ersten Fahrers angeblich nicht ein, obwohl er ihn bei der Polizei genannt hatte, und laut der Ermittlungen hatte er kurz vor dem Rumelner Überfall mit einem der Kamp-Linforter Täter telefoniert – obwohl er behauptete, damit nichts zu tun zu haben.
Der Rechtsanwalt des 20-jährigen Moersers gab für seinen Mandanten eine Erklärung ab. Er gestand demnach, an den Taten beteiligt gewesen zu sein, die Kleidung für die Überfälle bereitgestellt und bei dem zweiten Überfall mit im Wagen gesessen zu haben. Mit dem anderen Moerser habe er sich dann eine Summe von 350 Euro geteilt.
Vom Überfall auf die Westfalen-Tankstelle habe er keine Kenntnis gehabt, genauso wenig von dem Lotto-Überfall. Und den vierten Tatort hätten die beiden Kamp-Lintforter ausgewählt. Den Drogenfund räumte er ein, gab aber keine Details zur Herkunft preis. Das gefundene Geld stamme aus einem anderen Nebenerwerb, so der Angeklagte. In der Verhaftungssituation habe er so „unter Stress“gestanden, dass es zu den Beleidigungen und dem Handlungen gekommen sei. Die Verhandlung vor der auswärtigen Strafkammer des Landgerichts Kleve, die am Montag in Düsseldorf stattfand, wird fortgesetzt.