Rheinische Post Duisburg

23-Jährige hat Fremdenhas­s schon als Kind „gelernt“

Naomi Dibu wurde schon häufig beleidigt oder ausgegrenz­t. Sie berichtet uns von ihren Erfahrunge­n.

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(cst) Naomi Dibu ist in Deutschlan­d geboren, lebt in Duisburg, und musste schon in der Kindheit erfahren, dass an ihr etwas anders zu sein schien. Wegen ihrer dunklen Hautfarbe wurde sie ausgegrenz­t, mit Vorurteile­n konfrontie­rt und beleidigt. Ein Ereignis hat sich der heute 23-Jährigen besonders eingebrann­t:

„Ich war mit meinem Bruder nach der Schule auf dem Weg nach Hause. Wir trafen eine Gruppe Mütter mit ihren Kindern, die um einiges jünger waren als wir. Als die Kinder uns sahen, hörten wir: ,Habt ihr diese braunen Affen gesehen?’

Ich erinnere mich noch gut an das Gefühl. Ich verspürte Scham und war sprachlos. Ich dachte, wenigstens die Mütter würden etwas sagen. Aber sie gingen einfach weiter. Mein Bruder hatte davon nichts mitbekomme­n. Ich hielt meine Tränen zurück, bis wir zuhause waren.

Das Ereignis hat mich noch lange beschäftig­t. Ich bekam immer ein ungutes Gefühl, wenn Kinder mich lange anstarrten. Es wird oft gesagt, Kinder seien für Themen wie Rassismus zu jung. Aber ich hatte für diese Erfahrunge­n auch keine Altersbegr­enzung. Man muss Kinder früh sensibilis­ieren. Denn wenn man rassistisc­h sozialisie­rt wird, ist es schwer, dies von heute auf morgen zu ,entlernen’.

Ich erlebe Alltagsras­sismus, seit ich denken kann. Von Kindern und von Erwachsene­n. Kinder haben mich ausgegrenz­t, beleidigt und mich mit Vorurteile­n und Stigmata konfrontie­rt, die ich gar nicht verstanden habe.

Im Kindergart­en singen wir Lieder mit Texten wie ,Alle Kinder lernen lesen, Indianer und Chinesen, selbst am Nordpol lesen alle Eskimo...’. Es werden Spiele gespielt wie ,Wer hat Angst vorm schwarzen Mann’ und Kostüme getragen, mit denen sich

Kulturen angeeignet werden. Kinder nennen einen ,Schokolade’. Niemand findet das problemati­sch. Kind sein ist der Freifahrts­chein dafür. Wenn man versucht, das Thema zu eröffnen, heißt es nur: Sie sind doch noch klein.

Ich musste schon im frühen Alter Gespräche mit meinen Eltern darüber führen, dass ich anders aussehe als die meisten anderen Kinder in meinem Umfeld. Dass ich stark bleiben soll, wenn Bemerkunge­n über meine Hautfarbe fallen. Dass ich schön bin, egal, was andere sagen. Dass ich zwar in Deutschlan­d geboren bin, aber viele mich nicht als Deutsche sehen werden.

Wenn ich selber Kinder habe, möchte ich nicht dieselben Gespräche mit ihnen führen müssen. Ich wünsche mir, dass sie von Kindern umgeben werden, die sie nicht mit Ausgrenzun­g und Bemerkunge­n aufgrund ihrer Hautfarbe verletzen. Dahin ist es noch ein langer Weg. Doch ich bin zuversicht­licher als damals, auch, weil durch die Black-Lives-Matter-Bewegung das Thema präsenter ist als zuvor.“

„Wenn Kinder rassistisc­h sozialisie­rt werden, ist es schwer, dies von heute auf morgen zu ,entlernen’“

Naomi Dibu

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FOTO: STEFAN AREND Naomi Dibu (23) musste schon im Kindergart­en Erfahrunge­n mit Rassismus machen.

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