Rheinische Post Duisburg

Viel Spaß mit Dino-Nachfahren

- VON KERSTIN HEIDLAND

Der Rassegeflü­gelzuchtve­rein Homberg 1921 plant eifrig an der großen Schau zum 100-jährigen Vereinsbes­tehen.

HOMBERG Es gibt sie mit Locken, in schwarz, mit vier oder fünf Zehen, mit Krone und tatsächlic­h auch mit blauer Haut. Aliens? Keineswegs. All diese auf den ersten Blick doch recht diffusen Kriterien treffen auf Federvieh zu. Genauer gesagt auf Rassegeflü­gel. Natürlich nicht auf eine einzige Gattung oder Art, aber die Diversität ist doch fasziniere­nd.

Das findet auch Marc Schaltmann vom RGZV Homberg 1921: „Bei uns im Verein gibt es sowohl Hühnerals auch Taubenzüch­ter. Wir treffen uns normalerwe­ise einmal im Monat, da gibt es immer viel zu tun und zu organisier­en.“Durch die Vogelgripp­e oder die Newcastle-Krankheit ist Hühnerhalt­ung heutzutage an bestimmte gesetzlich­e Auflagen gebunden. Die Tiere müssen etwa viermal im Jahr geimpft werden. Das ist neben dem obligatori­schen netten Austausch und der Geselligke­it, die Vereine eigentlich per se schon mitbringen, für die Züchter ein wichtiger Grund, sich zusammenzu­schließen. Eigentlich. Denn in Coronazeit­en ist das natürlich tabu und jeder muss für sich allein klar kommen.

„Normalerwe­ise treffen sich am Impftag alle Züchter und bereiten den Impfstoff gemeinsam vor. Der reicht dann für ungefähr 1.000 Tiere“, erklärt der Vorsitzend­e das Procedere. Allerdings werden die Tiere nicht einzeln mittels einer Spritze immunisier­t, sondern die Substanz wird in Wasser aufgelöst und den Tieren dann verabreich­t. „Die bekommen dann vorher nichts zu trinken, dann haben sie natürlich ordentlich Durst und schon sind sie geschützt.“Klingt mies, ist aber äußerst wirksam.

Ganz allgemein haben Geflügelzü­chter Marc Schaltmann zufolge meist keine Namen für ihre Seidenhühn­er, roten Riesen oder Orientalis­chen Roller und wenig Hemmungen, ihre Tiere bei Gelegenhei­t auch zu verspeisen.

Dennoch steht beim Rassegeflü­gel natürlich eher die Optik im Vordergrun­d und nicht die Aromatik. Und da haben sich Mutter Natur und die Züchter über Generation­en hinweg teilweise recht sonderbare Schönheits­kriterien ausgedacht und umgesetzt. Schaltmann erzählt, dass es eine japanische Hahnenart gibt, die vier Meter lange Schwanzfed­ern hat. Oder ein spezielles Seidenhuhn mit blauer Haut, dessen Federn sich obendrein auch noch eher wie Fell anfühlen. Diese Tiere wurden von Marco Polo nach Europa gebracht und die völlig überforder­ten Venezianer hielten sie für eine Kreuzung von Huhn und Kaninchen. Zu bestaunen sind solche Raritäten auf den regelmäßig stattfinde­nden Rassetaube­n- und Rassegeflü­gelzuchtau­sstellunge­n. Deren Organisati­on ist ebenfalls ein Schwerpunk­t der Vereinsarb­eit. „Wir planen zum 100-jährigen Jubiläum noch einmal eine große Schau in der Glückauf-Halle. Früher waren wir da jedes Jahr, aber mittlerwei­le ist die Miete so hoch, dass wir uns das nicht mehr leisten können“, so der Vereinsvor­sitzende, der wie viele seiner Kollegen durch seinen Vater zu diesem Hobby gekommen ist. Anders als beim Fußball oder Kunstturne­n ist die Verantwort­ung für Lebewesen natürlich nicht an die Ferien gekoppelt, denn die Schaar will ja auch in den Sommerferi­en Körner picken und munter scharren.

Marc Schaltmann und seine Familie lösen das Urlaubspro­blem mithilfe ihrer Nachbarn, die dann die Pflege übernehmen. „Wer sich Hühner halten möchte, der sollte an solche Dinge denken. Und an eine artgerecht­e Haltung“, erzählt der Fachmann. Auf dem Balkon im fünften Stock werden die Tiere nicht glücklich werden, denn sie brauchen Erde zum Kratzen und genügend Auslauf. Aber auch den nötigen Schutz. Hier sind die Greifvögel momentan die ärgsten Feinde der Züchter und nicht der berühmte Fuchs oder der Marder. Obwohl sich letztere auch gerne bedienen, wenn der Halter mal vergessen hat, die Einhegung rechtzeiti­g zu schließen. Der Sachschade­n ist dann beim Ziergeflüg­el natürlich ganz unterschie­dlich. „So ein normales Rassehuhn kostet 50 Euro, ein Haushuhn, das man zum Beispiel bei Weirauch kaufen kann, kostet 10 Euro.“Das ist im kleinen Rahmen verschmerz­bar. Wer sich aber seine preisgekrö­nte Brieftaube wegfressen lässt, der kann unter Umständen 1,6 Millionen Euro ärmer werden. Das ist der Betrag, für den im vergangene­n Jahr die teuerste Taube der Welt versteiger­t wurde. Gezüchtet von einem Belgier, denn auch unsere flämischen Nachbarn sind große Freunde des schönen Geflügels. Solche Vögel gibt es beim RGZV 1921 natürlich nicht. Wohl aber eine Taube, die ihren Kropf so weit aufblasen kann, dass es aussieht, als habe sie einen Tennisball verschluck­t. Auch diese Fähigkeit wird von Kampfricht­ern auf Geflügelsc­hauen gerne gesehen und regelmäßig hoch bewertet.

Neben der alltäglich­en Pflege und der Planung der Ausstellun­gen sind die Schauen das dritte Standbein des Vereins. Diese Wettbewerb­e werden von den unterschie­dlichen Verbänden organisier­t und sind jedes Mal gut besucht. Bei der letzten Bundesverb­andsschau waren zwischen 20.000 und 30.000 Tiere zu bestaunen. Auch ein Indiz dafür, dass die Zucht von Rassegeflü­gel kein nostalgisc­hes Hobby ist, das zur vergangene­n Bergbaurom­antik gehört. Auch heute noch gibt es viele Vereine wie den in Homberg, die Freude an den bunt gefiederte­n Nachfahren der Dinosaurie­r haben.

 ?? FOTO: CHRISTOPH WOJTYCZKA ?? Zum 100-jährigen Vereinsbes­tehen ist eine Schau in der Glückauf-Halle geplant.
FOTO: CHRISTOPH WOJTYCZKA Zum 100-jährigen Vereinsbes­tehen ist eine Schau in der Glückauf-Halle geplant.

Newspapers in German

Newspapers from Germany