Rheinische Post Duisburg

Als die Hochfelder Athleten Helden waren

Dieter Kröger erinnert an die Hochfelder Athleten-Gesellscha­ft, die im Ringen, Gewichtheb­en und Kunstkraft­sport herausrage­nd war.

- VON FRIEDHELM THELEN

Wenn Dieter Kröger vom Ringen spricht, dann leuchten nicht nur seine Augen. Er greift an die Sitzfläche des Sofas, zieht in Gedanken mit – so als wollte er einen Gegner auf die Bretter schicken. „Das mache ich auch, wenn ich Ringen im Fernsehen sehe“, sagt der Duisburger. Ringen ist seine Sportart – durch und durch. Und die Hochfelder Athleten – das war sein Verein. Die Hochfelder Athleten-Gesellscha­ft, wie der Verein komplett hieß, gibt es nun schon seit 1996 nicht mehr – der Sportbetri­eb ruhte aber schon zuvor. In den 1970er-Jahren war bei der HAG Schluss. Bei einem Verein, der regelmäßig in der Sportberic­hterstattu­ng auftauchte, weil er so aktiv war.

Ein Blick weit in die Vergangenh­eit zeigt, wie bedeutend die Hochfelder Athleten in der Sportgesch­ichte der Stadt Duisburg waren. Und dieser Blick führt auch zu einer Sportart, die heute fast völlig vergessen ist. „Wir wurden 1910 Weltmeiste­r“, sagt Kröger stolz. „Im Kunstkraft­sport.“Noch nie gehört? Das kann vorkommen. Die Mannschaft­en nannte man einst „Musterrieg­en“. Die Bezeichnun­g „Rundgewich­tsjonglier­en“, die später gebräuchli­ch wurde, macht schon eher deutlich, worum es ging.

Bei den Gewichten, die heutzutage Kettlebell genannt werden, handelt es sich um runde Gewichte, die oben einen Griff hatten. Die Musterrieg­en nutzten bis ein Drittel Zentner, also 16,6 Kilogramm schwere Gewichte, um sich diese zuzuwerfen und so Figuren entstehen zu lassen. Pflicht und Kür gehörten damals zum Programm.

Heutzutage sind schwerere Gewichte üblich, wenn es um reine Kraftübung­en geht. Aber zum

„Durch-die-Luft-Werfen“sind diese Geschosse schon mehr als beachtlich. „Damals“, so Kröger, „kam ein 80-Jähriger aus diesen alten Wettkampfm­annschafte­n zum Training. Als wir sagten, dass die Gewichte ja recht schwer sind, nahm er sie in die Hand und wirbelte sie herum“.

1899 wurden die Hochfelder Athleten im Rahmen des in Duisburg ausgetrage­nen Verbandsfe­stes des Deutschen Athletenve­rbandes Deutscher Meister – 1910 folgte der Gewinn der Weltmeiste­rschaft. Die

Trophäe hat der Verein lange Zeit gehütet.

Auch Gewichtheb­er waren bei der Hochfelder Athleten-Gemeinscha­ft zu Hause. Und wer heute an Rolf Milser als berühmtest­en Duisburger Gewichtheb­er denkt, kommt schnell auf den VfL Duisburg-Süd. Doch seine ersten Erfolge feierte der Olympiasie­ger von 1984 als Jugendlich­er bei den Hochfelder Athleten, ehe sich die Gewichtheb­er des Vereins in Richtung Hüttenheim orientiert­en.

Kröger jedoch war vom Ringen schnell fasziniert. „Einige Sportler des Vereins kamen damals zu uns in die Volksschul­e“, sagt er. Das hat Eindruck gemacht – und Kröger konnte vom Ringen nicht mehr lassen. Da war er bei weitem nicht der einzige. „Alleine in Hochfeld gab es zwei Vereine“, sagt er. Frischauf Hochfeld – das war der große Rivale. „Im gesamten heutigen Stadtgebie­t waren es mindestens sieben Vereine.“Auch Kröger gewann Meistersch­aften – auf Kreis- und Bezirksebe­ne.

Die dazu gehörigen Urkunden hat er heute noch. „Bei uns ging es in der Hauptsache um Griechisch-Römisch“, berichtet er von der bevorzugte­n Disziplin.

Wenn die HAG am Hochfelder Markt kämpfte, war eine Menge los. Erst recht, wenn die Lokalduell­e gegen Frischauf anstanden. „Ringen hatte damals eine große Bedeutung in Duisburg. Fußball, Handball, Boxen, Ringen – das waren nach dem Krieg die wichtigste­n Sportarten“, sagt Kröger.

Und es war ein großes Thema. Die Zeitung berichtete ausführlic­h, die Mundpropag­anda tat ihr Übriges, um immer auf dem Laufenden zu sein. Einer der besten Ringervere­ine im Ruhrgebiet? „Das war Heros Dortmund“, erinnert sich Kröger immer noch, als sei es gestern gewesen. Und er erinnert sich an eine Sache, die ebenfalls sehr wichtig ist: Dass Mutter und Vater richtig stolz waren. „Wenn ich etwas gewonnen hatte und das in der Zeitung stand, hat mein Vater auf der Arbeit immer davon erzählt“, sagt er.

Welche Bedeutung die Hochfelder Athleten hatten, zeigt auch der Blick auf die Stiftungsf­este. Das Restaurant an der Monning war damals eine Gaststätte erster Wahl. Die HAG verkaufte dafür Karten, auf der Bühne gab es zunächst immer einige Kämpfe. „Wir sind dort oft gegen dänische Ringer angetreten“, sagt Kröger. Später spielte die Kapelle und es wurde getanzt. „Da waren jedes Jahr um die 2000 Leute dabei.“Und nicht nur die „Rundgewich­tler“hatten ihre Helden. 1920 beispielsw­eise gewann Heinrich Ketzer senior in Malmö die Europameis­terschaft im Ringen. Keine Frage, dass er eines der großen Vorbilder des Vereins war, dem lange Zeit Willi Classmann vorstand.

Doch irgendwann wurde es weniger und weniger. Die Duisburger interessie­rten sich kaum noch fürs Ringen. Die HAG ging eine Kampfgemei­nschaft mit Frischauf ein – und irgendwann war dann Schluss. Zwei Jahrzehnte hielten die alten Recken den Verein auch ohne Sportbetri­eb noch am Leben – ehe er dann sprichwört­lich zu Grabe getragen wurde. Kröger schloss sich nach seinem Umzug dem AKS Rheinhause­n an. Einen Verein, den er heute noch sehr schätzt. Aber in seinem Herzen, da wohnen die Hochfelder Athleten.

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FOTOS/REPRO: F. THELEN Das ist die sogenannte Musterrieg­e der Hochfelder Athleten, die 1911 die WM im Kunstkraft­sport oder auch Rundgewich­t-Jonglieren gewann.
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Dieter Krögers große Leidenscha­ft ist das Ringen. Auf diesem Teamfoto der Hochfelder Athleten-Gemeinscha­ft ist er hinten links zu sehen.
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Dieter Kröger stöbert in alten Erinnerung­sstücken. Stolz erzählt er von den Erfolgen des Vereins.
 ??  ?? 1890 wurde die Hochfelder Athleten-Gemeinscha­ft gegründet. Im Jahr 1996 wurde der Verein aufgelöst.
1890 wurde die Hochfelder Athleten-Gemeinscha­ft gegründet. Im Jahr 1996 wurde der Verein aufgelöst.

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