Der Ausgangspunkt einer langen Reise
Am 15. April ist der in Duisburg aufgewachsene Schriftsteller Walter Kaufmann im Alter von 97 Jahren in Berlin gestorben. Mit Duisburg verband ihn eine besondere ebenso persönliche wie schriftstellerische Beziehung. „Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an Duisburg denke“, bekannte er einmal.
Walter Kaufmann, geboren am 19. Januar 1924 in Berlin, wuchs in Duisburg auf. Der Adoptivvater ist Sally Kaufmann, angesehener Rechtsanwalt, alteingesessen und prominent. Ein Mann, den das Schicksal dazu bestimmt, die Jüdische Gemeinde in den Jahren der Verfolgung zu führen.
Das Fazit seines langen schriftstellerischen Lebens: Er hat viele Bücher veröffentlicht, wurde mit zahlreichen Literatur-Preisen ausgezeichnet – unter denen nicht zuletzt der Heinrich-Mann- und der Theodor-Fontane-Preis (beide 1967 verliehen) herausragen.
Walter Kaufmann hatte etwas zu erzählen. Sein Leben war gekennzeichnet durch die Tyrannei des
20. Jahrhunderts. Über seine Duisburger Jahre hat er in seiner Autobiographie „Spiegel eines Lebens“geschrieben. Hier deutet er die sich seit 1933 immer mehr zuspitzenden bedrückenden Jahre seiner Jugend an. Bei den Freunden, den Hockeykameraden vom Club Raffelberg bemerkt er als erstes einen subtilen Antisemitismus.
Walter Kaufmann erlebt in seiner Jugend alle möglichen Diskriminierungen – nicht nur auf dem Realgymnasium (heute Steinbart-Gymnasium), das er bis 1938 besuchte – die ihren Höhepunkt im Novemberpogrom 1938 erreichen. Das Elterhaus wird verwüstet, der Vater als „Schutzhäfling“verschleppt. Für Walter Kaufmann war wichtig, dass er eine behütete Kindheit im Elternhaus in Duissern erleben durfte.
Im Gegensatz zu seinen Adoptiveltern Johanna und Sally Kaufmann konnte Walter Kaufmann den Nazis entkommen. Kaufmann wurde australischer Soldat. Der junge Emigrant aus Duisburg schlug sich in Australien mit allen möglichen Arbeiten durchs Leben. Meistens im Bereich des Hafens, auf Schleppern und Frachtern. Dann aber auch als Straßenphotograph, Schlachthausarbeiter, Obstpflücker, Docker und lange Jahre als Seemann. Bewusst entschied er sich Mitte der 1950er Jahre für ein Leben in der DDR. Er behielt den australischen Pass, durfte als Journalist und Schriftsteller reisen.
Seine Bücher führen ihn von seiner Heimatstadt weit in die Welt des vergangenen Jahrhunderts und immer wieder zurück in die Gegenwart. Duisburg war der Mittelpunkt seines jungen Lebens und ist die Stadt geblieben, die für ihn – neben Sydney und Berlin – die größte Bedeutung hat. Bei jeder Gelegenheit besuchte Walter Kaufmann die Stadt. Meistens kam er zu Lesungen aus einem seiner Bücher, in denen die Stadt Duisburg breiten Raum einnimmt.
Im Februar 2008 kam er nach Duisburg, um im Rahmen der rollenden Ausstellung „Zug der Erinnerung“aus seinen Büchern zu lesen. Dabei betonte er – wie stets – kein „Opfer“zu sein. Aber es vergehe kein Tag, an dem er nicht an seine Eltern denke, die in Auschwitz ermordet wurden. Über die deportierten jüdischen Kinder bemerkte er, er hätte sehr wohl eines der Kinder sein können.
Duisburg hat Walter Kaufmann nie losgelassen. In seinen Werken spiegelt sich die Erinnerung an die Stadt auf extreme Weise – im Guten wie im Bösen. Sein Bekenntnis: „Ich bin immer ein Sohn der Stadt Duisburg geblieben“. Bis zuletzt nahm Walter Kaufmann am politischen Weltgeschehen regen Anteil und blieb schriftstellerisch tätig. Der Dokumentarfilm „Walter Kaufmann – Welch ein Leben!“der Berliner Regisseure Karin Kaper und Dirk Szuszies wird voraussichtlich ab Frühherbst in den Kinos zu sehen sein.
Demnächst werden auch die letzten Briefe von Johanna und Sally Kaufmann an ihren Sohn Walter in den Duisburger Geschichtsquellen mit dem Titel „Alles Schreiben hat ja den Zweck, daß wir uns wiedersehen“erscheinen.
Walter Kaufmanns lange Reise ist nach 97 Jahren friedlich an ihren Endpunkt gelangt.