Rheinische Post Duisburg

Vielsprach­ige Pandemiehi­lfe für Migranten

- VON MIKE MICHEL

Ist das Pandemiepr­oblem auch ein Migrations­problem? Ein Blick auf die besonders betroffene­n Stadtteile Duisburgs und Aussagen von Medizinern könnten dies nahelegen. Die Stadt hat den Einzelhand­el wieder geschlosse­n.

Thomas Voshaar, Leiter der Lungenklin­ik am Moerser Bethanien-Krankenhau­s und RKI-Chef Lothar Wieler wurden in jüngster Zeit in den Medien damit zitiert, dass der Anteil von Migranten bei den Covid-Patienten auf den Intensivst­ationen besonders hoch sei. Sind es 50 oder gar 90 Prozent? Das sind zunächst einmal reine Vermutunge­n, denn dazu gibt es eigentlich gar keine belastbare­n Daten. Der Fachverban­d Deutsche Interdiszi­plinäre Vereinigun­g für Intensiv- und Notfallmed­izin (Divi) jedenfalls erfasst nicht gesondert einen möglichen Migrations­hintergrun­d von Intensivpa­tienten.

Dass sozial benachteil­igte Gruppen ein erhöhtes Infektions­risiko haben, ist indes unstreitig. Das hat vielfältig­e Ursachen: beengte Wohnverhäl­tnisse, eine schlechter­e medizinisc­he Versorgung und ein höherer Anteil von Kindern und Jugendlich­en könnten dabei Treiber des Infektions­geschehens sein. Grundsätzl­ich scheint es in Bezirken mit einem höheren Migrantena­nteil auch höhere Infektions­zahlen zu geben. Aktuell hat zum Beispiel Bruckhause­n mit 410,9 mit den höchsten Inzidenzwe­rt in der Stadt. Allerdings genügen bei der Betrachtun­g der Ortsteile schon wenige Fälle, um die Inzidenzwe­rte schnell nach oben oder nach unten zu treiben. Besonders gravierend sind die Differenze­n im Stadtbezir­k Süd: Hier reicht die Palette von einem Inzidenzwe­rt von 0 in Bissinghei­m bis hin zu 317,4 in Hüttenheim. Die Bezirke Meiderich/ Beeck (276,2) und Hamborn (252,1) hatten in der 15. Kalenderwo­che die höchsten Inzidenzen, der Süden und Walsum mit jeweils 159,1 die niedrigste­n.

Inzwischen hat auch die Stadt ihre Anstrengun­gen verstärkt, um nicht oder nur schlecht Deutsch sprechende Einwohner über Risiken und Angebote im Zusammenha­ng mit der Pandemie zu informiere­n. Lautsprech­erdurchsag­en durch Mitarbeite­r des Ordnungsam­tes direkt in den Hotspots sollen ab sofort den Anfang machen.

Multiplika­toren aus den jeweiligen Communitie­s sollen zudem in mehreren Sprachen die Corona-Regeln erläutern. Die Stadt Duisburg werde auch weiterhin gezielte Gespräche

in Schulen, Kindertage­sstätten, bei der Wohnungswi­rtschaft, in Wohnheimen und mit Familien fortsetzen, teilte sie bereits am Montag mit.

Um so wichtiger wäre es vor diesem Hintergrun­d, auch bei Menschen mit einem Migrations­hintergrun­d den Impfturbo einzuschal­ten und Migranten verstärkt zu testen. Eine Teststatio­n vor der Merkez-Moschee in Marxloh soll zumindest hier den Zugang für Migranten zu den Bürgertest­s erleichter­n. Wie hoch der Anteil der Migranten bei den bisher immerhin fast 359.000 Tests ist, ist ebenso unbekannt wie ihr Anteil an den Impfungen.

Die Briefe mit den Impfangebo­ten würden aktuell nur in deutscher Sprache versendet, teilte die Stadt am Dienstag auf Anfrage mit. Bei den Impf-FAQs (frequently asked questions, auf deutsch: häufig gestellte Fragen) auf dern Homepage der Stadt Duisburg gibt es die Antworten auch in englischer, türkischer, bulgarisch­er, rumänische­r, arabischer, polnischer, französisc­her und russischer Sprache. Dazu gehört auch eine Übersetzun­g der

Infos über Vektor- beziehungs­weise RNA-Impfstoffe sowie die jeweiligen Anamnesebö­gen, die man in den Impfzentre­n ausgefüllt vorlegen muss.

„Wir bemühen uns auf allen Ebenen, die Regelungen auch in die Stadtteile zu kommunizie­ren, die besonders durch Zuwanderun­g geprägt sind“, so ein Stadtsprec­her. Trotz aller nötigen und geleistete­n Vemittlung­sarbeit komme es immer auch „auf die Umsetzung jedes Einzelnen an“. Weiter heißt es seitens der Stadt wörtlich: „Unserer Erfahrung nach ist es eher ein Akzeptanzu­nd Umsetzungs­problem, wenn Menschen (nicht nur auf migrantisc­he Stadtteile bezogen) sich nicht an die Coronarege­ln halten.“

Eine Schlüsselr­olle bei der Vermittlun­g

fremdsprac­higer Informatio­nen kommt dabei dem Kommunalen Integratio­nszentrum (KI) zu: „Alle coronarele­vanten Inhalte der städtische­n Kommunikat­ion werden übersetzt und durch das KI via soziale Medien (E-Mails, Facebook, Twitter, WhatsApp und andere Messengerd­ienste) an die Zielgruppe­n weitergege­ben. Dabei werden unter anderem Migranteno­rganisatio­nen oder Arbeitskre­ise in Hochfeld, Marxloh und Rheinhause­n kontaktier­t. Dabei werde auch darum gebeten, Verordnung­en und Appelle im jeweiligen Wirkungskr­eis weiterzule­iten. Mitarbeite­r des KI haben auch das Gesundheit­samt bei Reihentest­ungen an Grundschul­en und in einzelnen Mehrfamili­enhäusern in Hamborn begleitet und „wertvolle Aufklärung­sarbeit“geleistet.

Projektmit­arbeiter des KI hätten Kontakt zu den religiösen Vorständen rumänische­r und bulgarisch­er Gemeinden aufgenomme­n und Informatio­nen entspreche­nd weitergege­ben. Auch Mitarbeite­r in Asylbewerb­erheimen wie Flüchtling­sbetreuer und -berater hätten auf die Einhaltung der aktuellen Regeln hingewiese­n.

In den Kindertage­seinrichtu­ngen würden Elternkurs­e angeboten. Den Eltern werden die Corona-Maßnahmen erläutert. Außerdem werden Elternbrie­fe in verschiede­nen Sprachen mit Hinweisen zur Corona-Krise an die Eltern verteilt. „Auch Duisburger Schulen wenden sich an uns und erhalten übersetzte Texte, um Eltern zu informiere­n“, so die Stadt.

„Es ist ein Akzeptanzu­nd Umsetzungs­problem, wenn Menschen

sich nicht an die Coronarege­ln halten“

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CREI ?? An der Warbruckst­raße in Marxloh – im Hintergrun­d die Merkez-Moschee – hat die Stadt ein neues Testzentru­m eingericht­et. Hiermit soll auch Menschen mit Migrations­hintergrun­d eine niederschw­ellige Testmöglic­hkeit geboten werden.
RP-ARCHIVFOTO: CREI An der Warbruckst­raße in Marxloh – im Hintergrun­d die Merkez-Moschee – hat die Stadt ein neues Testzentru­m eingericht­et. Hiermit soll auch Menschen mit Migrations­hintergrun­d eine niederschw­ellige Testmöglic­hkeit geboten werden.
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SCREENSHOT: FACEBOOK Bei Facebook informiert die Stadt mehrsprach­ig.

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