Vielsprachige Pandemiehilfe für Migranten
Ist das Pandemieproblem auch ein Migrationsproblem? Ein Blick auf die besonders betroffenen Stadtteile Duisburgs und Aussagen von Medizinern könnten dies nahelegen. Die Stadt hat den Einzelhandel wieder geschlossen.
Thomas Voshaar, Leiter der Lungenklinik am Moerser Bethanien-Krankenhaus und RKI-Chef Lothar Wieler wurden in jüngster Zeit in den Medien damit zitiert, dass der Anteil von Migranten bei den Covid-Patienten auf den Intensivstationen besonders hoch sei. Sind es 50 oder gar 90 Prozent? Das sind zunächst einmal reine Vermutungen, denn dazu gibt es eigentlich gar keine belastbaren Daten. Der Fachverband Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) jedenfalls erfasst nicht gesondert einen möglichen Migrationshintergrund von Intensivpatienten.
Dass sozial benachteiligte Gruppen ein erhöhtes Infektionsrisiko haben, ist indes unstreitig. Das hat vielfältige Ursachen: beengte Wohnverhältnisse, eine schlechtere medizinische Versorgung und ein höherer Anteil von Kindern und Jugendlichen könnten dabei Treiber des Infektionsgeschehens sein. Grundsätzlich scheint es in Bezirken mit einem höheren Migrantenanteil auch höhere Infektionszahlen zu geben. Aktuell hat zum Beispiel Bruckhausen mit 410,9 mit den höchsten Inzidenzwert in der Stadt. Allerdings genügen bei der Betrachtung der Ortsteile schon wenige Fälle, um die Inzidenzwerte schnell nach oben oder nach unten zu treiben. Besonders gravierend sind die Differenzen im Stadtbezirk Süd: Hier reicht die Palette von einem Inzidenzwert von 0 in Bissingheim bis hin zu 317,4 in Hüttenheim. Die Bezirke Meiderich/ Beeck (276,2) und Hamborn (252,1) hatten in der 15. Kalenderwoche die höchsten Inzidenzen, der Süden und Walsum mit jeweils 159,1 die niedrigsten.
Inzwischen hat auch die Stadt ihre Anstrengungen verstärkt, um nicht oder nur schlecht Deutsch sprechende Einwohner über Risiken und Angebote im Zusammenhang mit der Pandemie zu informieren. Lautsprecherdurchsagen durch Mitarbeiter des Ordnungsamtes direkt in den Hotspots sollen ab sofort den Anfang machen.
Multiplikatoren aus den jeweiligen Communities sollen zudem in mehreren Sprachen die Corona-Regeln erläutern. Die Stadt Duisburg werde auch weiterhin gezielte Gespräche
in Schulen, Kindertagesstätten, bei der Wohnungswirtschaft, in Wohnheimen und mit Familien fortsetzen, teilte sie bereits am Montag mit.
Um so wichtiger wäre es vor diesem Hintergrund, auch bei Menschen mit einem Migrationshintergrund den Impfturbo einzuschalten und Migranten verstärkt zu testen. Eine Teststation vor der Merkez-Moschee in Marxloh soll zumindest hier den Zugang für Migranten zu den Bürgertests erleichtern. Wie hoch der Anteil der Migranten bei den bisher immerhin fast 359.000 Tests ist, ist ebenso unbekannt wie ihr Anteil an den Impfungen.
Die Briefe mit den Impfangeboten würden aktuell nur in deutscher Sprache versendet, teilte die Stadt am Dienstag auf Anfrage mit. Bei den Impf-FAQs (frequently asked questions, auf deutsch: häufig gestellte Fragen) auf dern Homepage der Stadt Duisburg gibt es die Antworten auch in englischer, türkischer, bulgarischer, rumänischer, arabischer, polnischer, französischer und russischer Sprache. Dazu gehört auch eine Übersetzung der
Infos über Vektor- beziehungsweise RNA-Impfstoffe sowie die jeweiligen Anamnesebögen, die man in den Impfzentren ausgefüllt vorlegen muss.
„Wir bemühen uns auf allen Ebenen, die Regelungen auch in die Stadtteile zu kommunizieren, die besonders durch Zuwanderung geprägt sind“, so ein Stadtsprecher. Trotz aller nötigen und geleisteten Vemittlungsarbeit komme es immer auch „auf die Umsetzung jedes Einzelnen an“. Weiter heißt es seitens der Stadt wörtlich: „Unserer Erfahrung nach ist es eher ein Akzeptanzund Umsetzungsproblem, wenn Menschen (nicht nur auf migrantische Stadtteile bezogen) sich nicht an die Coronaregeln halten.“
Eine Schlüsselrolle bei der Vermittlung
fremdsprachiger Informationen kommt dabei dem Kommunalen Integrationszentrum (KI) zu: „Alle coronarelevanten Inhalte der städtischen Kommunikation werden übersetzt und durch das KI via soziale Medien (E-Mails, Facebook, Twitter, WhatsApp und andere Messengerdienste) an die Zielgruppen weitergegeben. Dabei werden unter anderem Migrantenorganisationen oder Arbeitskreise in Hochfeld, Marxloh und Rheinhausen kontaktiert. Dabei werde auch darum gebeten, Verordnungen und Appelle im jeweiligen Wirkungskreis weiterzuleiten. Mitarbeiter des KI haben auch das Gesundheitsamt bei Reihentestungen an Grundschulen und in einzelnen Mehrfamilienhäusern in Hamborn begleitet und „wertvolle Aufklärungsarbeit“geleistet.
Projektmitarbeiter des KI hätten Kontakt zu den religiösen Vorständen rumänischer und bulgarischer Gemeinden aufgenommen und Informationen entsprechend weitergegeben. Auch Mitarbeiter in Asylbewerberheimen wie Flüchtlingsbetreuer und -berater hätten auf die Einhaltung der aktuellen Regeln hingewiesen.
In den Kindertageseinrichtungen würden Elternkurse angeboten. Den Eltern werden die Corona-Maßnahmen erläutert. Außerdem werden Elternbriefe in verschiedenen Sprachen mit Hinweisen zur Corona-Krise an die Eltern verteilt. „Auch Duisburger Schulen wenden sich an uns und erhalten übersetzte Texte, um Eltern zu informieren“, so die Stadt.
„Es ist ein Akzeptanzund Umsetzungsproblem, wenn Menschen
sich nicht an die Coronaregeln halten“