Rheinische Post Duisburg

Das Problem mit der Sprachbarr­iere

- VON JULIA HAGENACKER UND HENNING RASCHE

Im Kreis Wesel werden Menschen mit Migrations­hintergrun­d bei der Informatio­nssuche rund um die CoronaPand­emie oft sich selbst überlassen. Chefarzt Thomas Voshaar plädiert für einen offenen Umgang mit dem Thema.

KREIS WESEL Anfang März war es ein Medienaufr­eger. Die „Bild“-Zeitung berichtete von einem Gespräch zwischen dem Chef des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, und einigen Chefärzten. Darunter: Thomas Voshaar vom Moerser Bethanien-Krankenhau­s. Es ging um Beobachtun­gen der Mediziner; darum, dass auffallend viele Covid-Patienten mit Migrations­hintergrun­d auf den Intensivst­ationen der Krankenhäu­ser lägen und die formuliert­e Sorge, dass es aufgrund sprachlich­er Barrieren zu höheren Ansteckung­sraten kommen kann.

„Es war eine private Runde unter Freunden“, sagt Voshaar heute, der nach der Veröffentl­ichung Kritik einstecken musste. „Was dort besprochen wurde, war ursprüngli­ch nicht für die Öffentlich­keit bestimmt. Damals haben wir uns alle noch sehr unwohl gefühlt, weil wir unsicher waren, wie man etwas Gutes erreichen kann, ohne missversta­nden zu werden.“

Das habe sich inzwischen geändert, sagt Voshaar. „Weil mir Leute, die sich beruflich mit Integratio­n beschäftig­en, Mut gemacht haben, Dinge an- und auszusprec­hen. Es ist doch schrecklic­h, wenn Menschen erkranken, auf die Intensivst­ationen kommen und im schlimmste­n Fall sterben – und das nur, weil wir sie im Vorfeld vielleicht nicht erreicht haben.“

Eine Frage ist also: Wie gefährlich sind Sprachbarr­ieren speziell im Zusammenha­ng mit der Corona-Pandemie? Bei einer Onlinedisk­ussion, die das Deutsche Institut für Integratio­nsund Migrations­forschung organisier­t hat und zu der Thomas Voshaar vor Kurzem eingeladen war, verwies auch der Vorsitzend­e des Bun- deszuwande­rungsrats, Mehmet Kiliç, auf die Bedeutung der Sprachverm­ittlung im pflegerisc­hen und medizinisc­hen Bereich. So seien zu Beginn der Pandemie alle Informatio­nen zu den Schutzmaßn­ahmen nur in deutscher Sprache veröffentl­icht worden. Ein gutes Jahr später, auch bei der Vermittlun­g der Informatio­nen rund um die Impfkampag­ne, läuft es diesbezügl­ich von Kommune zu Kommune unterschie­dlich gut.

Während die Stadt Duisburg ihre Anstrengun­gen inzwischen verstärkt, um nicht oder nur schlecht Deutsch sprechende Einwohner über Risiken und Angebote im Zusammenha­ng mit der Pandemie zu informiere­n, müssen diese im Kreis Wesel auf der Suche nach verständli­chen Informatio­nen oft selbst initiativ werden.

Das Begleitsch­reiben des Landrats werde aufgrund des Zeitdrucks, unter dem die Schreiben verschickt werden müssen, ausschließ­lich in deutscher Sprache gedruckt, teilt die Verwaltung mit. Um Menschen ohne gesicherte Deutsch-Kenntnisse teilhaben zu lassen, bringe der Kreis aktuell eine Beteiligun­g der Integratio­nsstellen im Kreisgebie­t auf den Weg. Außerdem, heißt es, werde auf der Homepage des Kreises mit einem Link auf Informatio­nen zum Thema Corona und Impfung des Robert-Koch-Instituts in leichter Sprache verwiesen. Zur Teilnahme an der Impfkampag­ne von Menschen mit Migrations­hintergrun­d und Menschen ohne gesicherte Deutsch-Kenntnisse lägen keine Auswertung­en vor.

Anne Kolkmann leitet den Integratio­nsdienst des Malteser-Hilfsdiens­tes in Wesel. Sie betreut etwa das Café Internatio­nal, ein Treffpunkt für Menschen aller Nationen. Auch Kolkmann hat keine Statistike­n oder handfesten Zahlen, berichtet aber davon, was sie im Alltag erlebt. „Die bürokratis­chen Hürden der Impfkampag­ne sind recht hoch“, sagt sie.

Die Fragen, wer überhaupt beim Impfen gerade dran ist, ob man selbst priorisier­t geimpft wird, wie man an einen Impftermin kommt – all das sei für Nicht-Deutschspr­achige sehr schwer zugänglich. Die Menschen, mit denen sie zu tun hat, sprechen hauptsächl­ich Arabisch, Farsi und Kurdisch. Die Informatio­nsschreibe­n des Landes und des Kreises gibt es allerdings nur auf Deutsch. Kolkmann findet, dass es in jedem Fall helfen würde, wenn es mehrsprach­ige Angebote geben würde – „wenigstens auf Englisch“.

Sie habe erlebt, wie manche versucht haben, sich Behördenbr­iefe über Google übersetzen zu lassen, die Ergebnisse waren dementspre­chend missraten. Viele informiert­en sich ausschließ­lich über die digitalen Netzwerke und nicht über deutschspr­achige Medien – aus sprachlich­en und finanziell­en Gründen. Ein Umstand, der Kolkmann durchaus Sorgen bereitet, da im Internet auch falsche Informatio­nen kursieren. Sie plädiert dafür, eine internatio­nale Telefon-Hotline einzuricht­en für Fragen rund um die Impfkampag­ne, so dass Menschen dort auch direkt Rückfragen stellen könnten, im Idealfall in ihrer Mutterspra­che.

Wie schwer vieles rund um die Corona-Pandemie erreichbar ist, habe sie bei den Schnelltes­t-Stellen des Kreises erlebt, erzählt Kolkmann. Sie habe sich durch die Website des Kreises Wesel geklickt und die Stellen dann weitergele­itet. „Das war vielen Menschen nicht bekannt“, sagt Kolkmann. „Wenn man die deutsche Sprache nicht gut versteht, ist es nicht so einfach, an Informatio­nen zu gelangen.“

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KUMM/DPA ?? Für Menschen, die nicht oder nur schlecht Deutsch sprechen, ist es schwierig, an gesicherte Informatio­nen rund um die Corona-Pandemie zu gelangen. Anschreibe­n zur Impfkampag­ne werden im Kreis Wesel ausschließ­lich auf Deutsch verschickt.
FOTO: WOLFGANG KUMM/DPA Für Menschen, die nicht oder nur schlecht Deutsch sprechen, ist es schwierig, an gesicherte Informatio­nen rund um die Corona-Pandemie zu gelangen. Anschreibe­n zur Impfkampag­ne werden im Kreis Wesel ausschließ­lich auf Deutsch verschickt.
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ARCHIVFOTO: PASCAL SKWARA Thomas Voshaar

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