Bitte den Elternwillen respektieren
Liebe Erzieherinnen, liebe Erzieher, es gibt wohl deutlich mehr berufstätige alleinerziehende Mütter und Väter in dieser Stadt, als viele glauben. Und diese Elternteile sind nicht auf dem Ego-Trip und gehen nur arbeiten, um ihre Selbstverwirklichung auszuleben. Nein, sie tun dies aus konkreten wirtschaftlichen Zwängen. Und das gilt für viele Haushalte mit zwei berufstätigen Elternteilen gleichermaßen. Wenn Sie, liebe Erzieherinnen und Erzieher, nun öffentlich kritisieren, dass Eltern von Kita-Kindern mittels einer „Eigenerklärung“bekunden können oder müssen, dass sie ihren Nachwuchs nicht anderweitig betreuen können, dann haben Sie die andere Seite der Medaille nicht bedacht.
Von einer funktionierenden „Familienpolitik“des Landes in Bezug auf Kitas und Schulen kann in NRW leider nur sehr ansatzweise die Rede sein. Das müssen vor allem auch Lehrer und Erzieher ausbaden – da haben Sie sicher Recht. Eltern wegen ihrer „Eigenerklärung“zu unterstellen, sie unterhöhlten leichtfertig die Notbetreuung in den Kitas, in dem sie einfach schriftlich erklären, dass
Zählt eigentlich der Elternwille gar nichts mehr? Nachdem sich Erzieherinnen öffentlich kritisch über die Notbetreuung geäußert hatten, könnte dieser Eindruck einstehen. Ein Brief an die Beschäftigten in den Duisburger Kindertagesstätten.
sie ihr Kind nicht anderweitig unterbringen können, greift allerdings zu kurz. Wer nimmt die Sorgen und Nöte der Eltern eigentlich noch ernst? Ist es zu viel verlangt, hier auch einmal den Elternwillen zu respektieren?
Nicht immer können Kleinkinder sinnvoll bei Oma und Opa „geparkt“
werden. Und kleine Kinder gibt man nicht einfach bei Nachbarn, Freunden, Bekannten oder Verwandten ab. Sie brauchen nämlich professionelle Betreuung und Zuwendung – dass wissen Sie, liebe Erzieherinnen und Erzieher, wohl am allerbesten. Für unverständliche, undurchsichtige und manchmal auch nicht nachvollziehbare Regelungen des Landes können Eltern aber auch nichts.
Damit Sie mich nicht missverstehen: Ihre Kritik an Familienminister Stamp ist nachvollziehbar. Dass immer noch nicht alle Erzieherinnen und Erzieher zwei Mal geimpft sind, dass Kitas flächendeckend noch nicht mit Lolli-Tests ausgestattet sind, sind schwere Versäumnisse. Dass die Arbeit von Erzieherinnen und Erziehern zu wenig wertgeschätzt wird, viel zu schlecht bezahlt ist und die Gruppen viel zu groß sind, ist allgemein anerkannt. Und dennoch ändert sich scheinbar nichts daran.
Darum, liebe Erzieherinnen und Erzieher, vertreten Sie Ihre Interessen weiter mit Nachdruck. Aber respektieren Sie auch den Elternwillen. Ihre Forderungen müssen an Politik und Gesellschaft gerichtet werden – und nicht an erkennbar in Not befindliche Eltern.