Der Kampf gegen Kindergeld-Betrug
Eine fälschungssichere Schulbescheinigung soll eine Leistungserschleichung verhindern. Eine Häufung dieser Straftaten sei bei Bewohnern von Problemimmobilien in Duisburg zu beobachten, so die Agentur für Arbeit.
(akal) Mit einer Schulbescheinigung einer konfessionellen Grundschule im Duisburger Norden wollte eine Familie Kindergeld beantragen. Doch die Schule gab es gar nicht. In diesem Fall fiel der Kindergeld-Betrug leicht auf, doch die Vielzahl an Schulen mit individuellen Bescheinigungen macht es der Familienkasse NRW in Krefeld nicht leicht.
Bislang bastelt jede Schule ihre eigene Schulbescheinigung – vom Logo bis zur Schriftart ist auf den DIN-A-4-Zetteln alles individuell. Fälschungen fallen in der Familienkasse oft nur auf, wenn die Fälscher allzu schlampig waren. „Wenn das Alter des Kindes nicht mit der Schulform zusammenpasst, stutzen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter natürlich“, sagt Christoph Löhr, Pressesprecher der Bundesagentur für Arbeit.
Das Schulministerium will diesen Betrug jetzt mit einer fälschungssicheren Variante eindämmen. In einem Modellprojekt soll das neue Dokument in Gelsenkirchen, Düren und Horn-Bad Meinberg an 99 Schulen getestet werden. Nach der Pilotphase könnten die neuen Schulbescheinigungen flächendeckend zum Einsatz kommen. Das Besondere sind QR-Codes, die von den Schulen erstellt werden und für die Familienkassen die Echtheit belegen sollen.
Der Stadt Duisburg sind aktuell keine Vorfälle von gefälschten Kindergeldbescheinigungen bekannt, sagt Pressesprecher Sebastian Hiedels. Ein Missbrauch von gefälschten Schulbescheinigungen sei aber nicht auszuschließen, weshalb der Testlauf in den drei Kommunen begrüßt wird. Noch 2018 hatte Oberbürgermeister Sören Link bundesweit für Aufsehen gesorgt und sich den Vorwurf des Rassismus eingehandelt, weil er in den Tagesthemen erklärt hatte, dass kriminelle Netzwerke und Schlepper Roma-Familien in die Stadt bringen würden, um systematisch Kindergeld und Hartz IV zu beziehen.
Im Einzugsbereich der Familienkasse Krefeld, wozu Duisburg gehört, sind 2019 bei einem Datenabgleich durch das Projekt „Missimo“80 Fälle festgestellt worden, in Gelsenkirchen waren es sogar 120. Dieser systematische Leistungsmissbrauch gehe allerdings oft über das Kindergeld hinaus.
Auch Leistungen aus dem SGBII würden häufig erschlichen. „Das kriminelle Geschäftsmodell, das wir in den vergangenen Jahren zusammen mit den Kommunen und dem Land verfolgt haben, beruhte auf einer Wohnadresse und einer bescheinigten Arbeit“, erklärt Löhr. Das sind die Grundvoraussetzungen, um als EU-Europäerin oder -Europäer im Rahmen der europäischen Freizügigkeit durch das Jobcenter aufstockende Leistungen erhalten zu können. Die Arbeitsbescheinigungen seien aber oft fingiert. Der Pressesprecher beschreibt einen Fall, wo drei Familien in einer Wohnung lebten, die Arbeitsagentur aber drei Wohnungen bezahlte – und statt der ebenfalls finanzierten Erstausstattung bestand das Mobiliar aus Matratzen auf dem nackten Boden.
Für die betroffenen Menschen, die oft mit falschen Versprechungen nach Deutschland gelotst worden seien, gebe es inzwischen Beratungsstellen, so Löhr. Die Behörden zeigen den Missbrauch an. Bundesweit seien 2020 rund 500 Fälle von Leistungsmissbrauch festgestellt worden. Der Schaden summiere sich auf rund 20 Millionen Euro, betont die Arbeitsagentur.
Einmal gewährtes Kindergeld wird bis zum 18. Lebensjahr grundsätzlich ohne strengen Prüfungsmaßstab weitergezahlt, daher wird der langfristige Leistungsbezug leicht gemacht – auch den „unredlichen Beziehern“, heißt es in einer Pressemitteilung der Landesregierung. Hochgerechnet habe der durch „Missimo“verhinderte finanzielle Schaden daher alleine in Krefeld 1,7 Millionen Euro betragen.
Im Duisburger Problemhaus „In den Peschen“, das bundesweit zu trauriger Berühmtheit gelangte, fiel es im Jahr 2013 erstmals auf, dass sich Fälle von Sozialbetrug häuften und aus Rumänien und Bulgarien zugezogene Familien Kindergeld mit gefälschten Bescheinigungen beantragten. Das Problemhaus ist mittlerweile kernsaniert und neu vermietet, das Problem selbst zieht weiterhin durch Kommunen, in denen es viel Leerstand gibt und damit Problemimmobilien, sagt Christoph Löhr, Pressesprecher der Bundesagentur für Arbeit. „Damals wurde das noch für die Ausnahme gehalten.“
Einen Missbrauch von Leistungen, auch durch gefälschte Arbeitsnachweise, könne man inzwischen in allen Städten mit preiswertem Wohnraum beobachten, so Löhr. „Die Beantragung von Kindergeld wird – vornehmlich von Antragstellern aus Südosteuropa – durch die Vorlage gefälschter Schulbescheinigungen begleitet“, ergänzt Sören Haack, der Leiter der Familienkasse NRW West.
In einem Modellprojekt soll das neue Dokument in Gelsenkirchen, Düren und Horn-Bad Meinberg an 99 Schulen getestet werden. Die Stadt Duisburg begrüßt das.