Rheinische Post Duisburg

Unwohlsein für Postboten in Friemershe­im

Über 100 Briefkäste­n in Friemershe­im bleiben seit Monaten leer. Die Post sorgt sich um ihre Mitarbeite­r.

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FRIEMERSHE­IM (akal/dwi) Die Briefkäste­n am Erlinghage­nplatz in Friemershe­im bleiben schon seit Monaten leer. Die Post verweigert die Auslieferu­ng – nach eigenen Angaben zum Schutz ihrer Mitarbeite­r vor Corona-Ansteckung­en. Rund 100 Adressen sind betroffen.

Die Sicherheit der Mitarbeite­r sei gefährdet, weil die Post-Autos, sobald sie in die Sackgasse hineinfahr­en, von einer Traube Menschen umringt seien, die keinen Sicherheit­sabstand halten, keine Maske tragen, sagt Britta Töllner, Pressespre­cherin der Deutschen Post. Sie betont, dass es keine Handgreifl­ichkeiten gab, aber die drangvolle Enge für die Mitarbeite­r unangenehm gewesen sei. Man habe sich bereits im Januar mit der Stadt ausgetausc­ht und gemeinsam mit Streetwork­ern und Dolmetsche­rn vor Ort mit den Bewohnern gesprochen. Das habe aber nichts gebracht.

Stadtsprec­herin Anja Kopka bestätigt: „Es gab eine Eingabe seitens der Post Ende vergangene­n Jahres wegen Zustellpro­blemen vor allem bei der rumänische­n Community.“Es habe viele Kommunikat­ionsmissve­rständniss­e gegeben. „Wir konnten die Situation mit Integratio­nshelfern des Kommunalen Integratio­nszentrums und Mitarbeite­rn des Ordnungsam­tes vor Ort klären“, so Kopka. „Seitdem gab es dort keine uns bekannten Vorkommnis­se.“

Die konnte es auch nicht mehr geben, denn: „Wir sind sehr bemüht, überall zuzustelle­n, aber im Februar haben wir uns entschiede­n, das an diesen Häusern nicht mehr zu tun“, sagt Töllner. Die Bewohner könnten ihre Briefe nun in der Postfilial­e an der Beethovens­traße abholen. Nach sieben Werktagen gehen sie als unzustellb­ar zurück an den Absender. Wie viele Briefe das aktuell betreffe, kann sie nicht sagen.

Ähnliche Fälle, bei denen mehrere Häuser oder gar hunderte Adressen betroffen sind, gebe es aktuell in NRW nicht. Häufiger würde Post an einzelnen Adressen nicht zugestellt, etwa weil ein freilaufen­der Hund auf dem Gelände den Weg zum Briefkaste­n verstellt. „Wenn die Sicherheit unseres Personals nicht gewährleis­tet ist, müssen wir als Deutsche Post handeln“, betont Töllner.

Ist der Erlinghage­nplatz denn ein Ort, an dem regelmäßig Ärger droht? „Wir haben dort immer wieder Einsätze“, sagt Polizei-Pressespre­cher Jonas Tepe „am häufigsten wegen Ruhestörun­gen und Streitigke­iten.“Übergriffe auf Postboten seien nicht bekannt. „Anzeigen liegen dazu jedenfalls aktuell nicht vor.“

Beim Ortsbesuch wirkt die kurze Sackgasse in Friemershe­im, einen Steinwurf von der ehemaligen Krupp-Verwaltung entfernt, zunächst friedlich, die Bäume blühen. Je näher man kommt, desto mehr Menschen sieht man auf der Straße stehen. An den Fassaden hängen Kabel kreuz und quer, die Balkone sind teils mit Mülltüten verhängt, es wirkt schmuddeli­g, aber kein Vergleich zu den Schrottimm­obilien in Hochfeld und Marxloh. Mit quietschen­den Reifen startet ein ramponiert aussehende­r Wagen. Ein Mercedes aus Frankreich rangiert mit einem Taxi zwischen Autos aus halb Europa auf dem engen Platz. Viel los hier.

Kaum einer, den wir ansprechen, versteht Deutsch. Kaum einer, den wir ansprechen, trägt einen Mundschutz. Ihre Namen wollen sie nicht verraten, nicht fotografie­rt werden. Aber die Neugierde ist groß und es stellen sich immer wieder Menschen um uns herum. Beim Stichwort Post zeigt uns eine Frau im Bademantel die leeren Briefkäste­n in ihrem Hausflur, 18 hängen an der Wand. Ein Mann kommt hinzu und berichtet, dass er regelmäßig die Post auch für Nachbarn abholt. Die Familien seien verärgert, weil die Aufgaben für die Kinder im Distanzunt­erricht nicht ankommen. Er sagt, er müsse es wissen, er habe zehn Kinder. Außerdem: Corona habe hier keiner, „alle sind gesund, und ich habe auch schon mal einen Test gemacht“.

Er glaubt: „Die Menschen haben Angst, sie lieben die Rumänen und Bulgaren hier nicht.“Ein anderer Mann kommt hinzu, gerade hat er seine Post abgeholt, darunter eine Einglieder­ungsverein­barung mit dem Jobcenter. Drei Seiten Behördende­utsch, die auch der sonst hilfreich übersetzen­de Nachbar so schnell nicht versteht. Wir empfehlen die Beratungss­telle, bevor er etwas unterschre­ibt.

Auf die Frage, wie viele Menschen in den Häusern wohnen, sagen sie, es seien mindestens 500. Manche

Familienna­men würden sich zigfach an den Briefkäste­n finden, was es für die Briefträge­r noch mal schwerer macht. Ein Mann kommt und will uns mit bedrohlich­er Gebärde regelrecht vom Hof jagen. Andere fangen ihn ein. Ein Mann kommt hinzu. Er berichtet, dass manchen Anwohnern bereits Ärger drohte, weil sie durch die nicht zugestellt­e Post Fristen verpasst haben. „Das ist doch nicht normal, dass die anderen Post bekommen und wir nicht“, schimpft er, „Corona macht doch nicht an der Straßeneck­e Halt“.

Tatsächlic­h wurde intern im Jobcenter Duisburg darauf hingewiese­n, dass „Postdienst­leister aus hygienisch­en Gründen in bestimmten Gebieten die Auslieferu­ng von Poststücke­n kategorisc­h verweigern“. Die Briefträge­rinnen und Briefträge­r seien einem „untragbare­n Infektions­und Gesundheit­srisiko ausgesetzt und zum Teil sogar angegriffe­n worden“. Die Jobcenter-Mitarbeite­r sollten prüfen, ob die Kunden sich tatsächlic­h auf Probleme bei der Zustellung berufen können.

Katrin Hugenberg, Pressespre­cher des Jobcenters: „Wir haben Kenntnis von der Entscheidu­ng der Deutschen Post. Wegen Details dazu hat unser interner Servicedie­nstleister bereits Kontakt aufgenomme­n“, so Hugenberg. „Klar ist: Wenn Kunden unter den Betroffene­n sind und mitteilen, dass sie keine Post von uns bekommen haben, dann werden wir damit großzügig umgehen. Dadurch sollen ihnen keine Nachteile entstehen.“

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