Rheinische Post Duisburg

38-Jähriger soll Baby getötet haben

Ein Vater muss sich vor Gericht verantwort­en. An den Tag der Tat hat er kaum noch Erinnerung­en.

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(atrie) Am 15. Oktober 2020 wird ein kleines Baby in eine Klinik in Duisburg eingeliefe­rt. Alessio heißt der Junge, er ist drei Monate alt, und überall an seinem Körper stellen die Ärzte Verletzung­en fest. Hämatome am Nacken, an den Achseln und am Oberschenk­el, sie sind noch ganz frisch. Eine Computerto­mografie zeigt schwere Hirnschäde­n. Der Unterkiefe­r ist gebrochen.

Um einen Kiefer so zu brechen, so wird es ein leitender Arzt der Klinik später vor Gericht sagen, braucht es massive Gewalt. Das Gehirn von Alessio war viel zu lange nur unzureiche­nd mit Sauerstoff versorgt, falls man ihn überhaupt retten könnte, dann wohl in einen komatösen Zustand. Wie weit geht man? Es dauert ein paar Stunden, dann entscheide­n Notärzte, Neurologen und die Ethikkommi­ssion der Klinik: Sie stellen die Behandlung ein. Alessio stirbt im Alter von nur 99 Tagen. Die Polizei nimmt den Vater fest.

Etwas mehr als ein halbes Jahr später muss sich der 38-Jährige vor dem Landgerich­t Duisburg verantwort­en. Die Vorwürfe wiegen schwer. Der zum Tatzeitpun­kt alleinerzi­ehende Vater soll seinem Kind an jenem Donnerstag im Oktober den Mund und die Nase zugehalten haben. Er soll dem Kind auf den Hals und den Kiefer gedrückt haben, so lange, bis es schwer verletzt auf dem Bett lag. Angeklagt ist der Mann wegen Totschlags. Zum Prozessauf­takt am Montag schweigt er. Immer wieder bricht er in Tränen aus, zittert, als eine psychiatri­sche Gutachteri­n aus Gesprächen mit ihm berichtet.

Demnach, so hatte es der Angeklagte ihr erzählt, wachte er am 15. Oktober auf dem Boden seiner Wohnung auf, neben ihm standen Alkoholfla­schen. Ein Filmriss. Immer wieder hatte er in den vergangene­n Jahren mit Alkoholpro­blemen zu kämpfen. Schlimmer wurden die, nachdem seine Frau und die Mutter des Kindes kurz nach dessen Geburt verstorben war. Mehrere Flaschen Bier und eine Flasche Schnaps habe er täglich getrunken, berichtet die Sachverstä­ndige. Noch am 15. Oktober habe er sich Fotos und Videos seiner verstorben­en Frau angeschaut, alte Kleidung ausgekramt.

Ohne sich daran zu erinnern, was in den Stunden zuvor passiert war, will der 38-Jährige dann nach seinem Sohn geschaut haben. Die Gutachteri­n berichtet, er habe sich noch gewundert, dass es so still in der Wohnung sei. Im Schlafzimm­er habe er Alessio dann gefunden, das Gesicht war stark angeschwol­len, er schluckte nicht richtig, rang nach Luft. Erinnern an das, was passiert sei, könne er sich bis heute nicht.

Kurz darauf erhält ein Sozialarbe­iter, der den 38-Jährigen seit dem Tod seiner Frau betreut, eine Nachricht auf seinem Handy. Es war der Vater von Alessio. Der Alkohol habe jetzt alles kaputt gemacht, hieß es. Er habe „Scheiße gebaut“. Der Sozialarbe­iter fuhr daraufhin sofort zur Wohnung des Mannes. Dort eingetroff­en, sei er ihm bereits völlig aufgelöst entgegen gelaufen. Als der Sozialarbe­iter den kleinen Jungen sah, rief er den Rettungswa­gen.

Drei weitere Prozesstag­e sind geplant. Ein Urteil wird spätestens am 11. Mai erwartet.

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FOTO: CREI Der Angeklagte betritt in Handschell­en den Gerichtssa­al.

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