Die Phantomfamilie aus Duisburg
Milliardär Henning Conle gilt als Schlüsselfigur der AfD-Spendenaffäre und als äußerst öffentlichkeitsscheu. Eine Spurensuche.
Wer über eine der erfolgreichsten Familien Duisburgs schreiben will, steht zunächst vor einem Problem. Die Conles gibt es eigentlich nur als Namen. Sie stehen als Geschäftsführer im Impressum diverser Internetseiten. Ihnen werden Medienberichte gewidmet. Aber nur von zwei Mitgliedern der Kernfamilie finden sich überhaupt frei zugängliche Fotos. Und mit der Presse reden will erst recht niemand. Das mag an zwei Dingen liegen. Viele Familienmitglieder sind reich, sehr reich. Und nicht alle Conles sind allein für ihren unternehmerischen Erfolg bekannt.
Die Berichte widmen sich vor allem einem Familienmitglied: Henning Conle. Immobilienmogul, Milliardär und mutmaßliche Kernfigur der AfD-Spendenaffäre. Im Gespräch mit dem Recherchezentrum „Correctiv“und dem ZDF-Magazin „Frontal 21“erklärte die ehemalige AfD-Vorsitzende Frauke Petry, dass sich Conle schon 2015 als Spender angedient habe. Insgesamt 132.000 Euro an verdeckten Zahlungen konnten dem 77-Jährigen bereits zugeordnet werden. Auch auf weiteren Spenderlisten aus dem Umfeld der AfD finden sich Namen, die den Recherchen zufolge direkt oder indirekt mit den Firmen der Familie verbunden sind. Nun lebt Henning Conle längst nicht mehr in Duisburg, sondern pendelt zwischen Zürich und London. Doch die Familie und ihr Unternehmen sind nach wie vor eng mit der Stadt verbunden.
Die Straße „Am Freischütz“liegt in einer der schönsten Ecken Duisburgs. Ganz in der Nähe ist der Botanische Garten, gleich dahinter der Zoo. Auf beiden Seiten des schmalen Kopfsteinpflasters stehen kleine Villen. Am Ende der Straße, kurz bevor sich ein kleiner Weg durchs Grüne anschließt, steht ein großes Haus. Vor dem Eingang ist eine Klingel ohne Namen, aber mit Kamera. Auf der gläsernen Eingangstür stehen zwischen zwei Firmentiteln die Namen Henning Conle und Oskar Conle. Es ist der Sitz der „Conle Property Group“.
Die Immobilienagentur gehört offiziell der nächsten Familiengeneration. Gesellschafter sind laut der firmeneigenen Internetseite Oskar, Henning junior, Johanna und Laura Conle. Deren Häuserbestand wird von der „Westfalia GmbH“verwaltet. Das Unternehmen hat zwar eine eigene Adresse, befindet sich aber im selben Haus. Der Eingang liegt um die Ecke. Die „Conle Property Group“stehe für Nachhaltigkeit, „Generationenorientiertes Handeln“und Bezahlbaren Wohnraum ist auf der firmeneigenen Website zu lesen und: „Ja wir sind konservativ – aber im besten Sinne.“Fragen will dort niemand beantworten. Weder zum eigenen Immobilienbesitz in der Stadt, noch zur Verbindung zu Henning Conle senior. Das Unternehmen beruft sich ohnehin lieber auf Heinrich Conle, den Vater von Henning senior. Er „legte nach 1945 den Grundstein für den Immobilienbesitz der Familie Conle“, heißt es im Internet.
Heinrich Conle, besser bekannt unter seinem Rufnamen Heinz, ist so etwas wie der erste Patriarch der Familie. Für einen Teil seiner Nachfahren war er dabei wohl auf zwei Arten Vorbild. Nicht nur, weil Heinz Conle mit seinen Immobiliengeschäften Multimillionär wurde. Auch, weil er ein System der zweifelhaften Politik-Nähe etablierte. 1961 musste er sich gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Kurt wegen Bestechung und Betrugs vor dem Landgericht Duisburg verantworten. Der Prozess endete zwar nach dem Tod Kurts 1967 mit einem Freispruch. Das System Conle wurde jedoch auch ohne Verurteilung deutlich.
Heinz Conle tritt 1947 in die Duisburger SPD ein und arbeitet zunächst als Angestellter im städtischen Planungsamt. Zwei Jahre später gründet er mit seinem Bruder ein Architektenbüro. Er wird Hausarchitekt der Wohnungsbaugesellschaft Gebag, einer bis heute 100-prozentigen Stadttochter. Der damalige städtische Wohnungsbau-Dezernent Wilhelm Tenhagen verpflichtet ihn dafür. Dessen Sohn wird 1950 Generalbevollmächtigter des Unternehmens. Zwischen 1951 und 1958, so schreibt es der „Spiegel“in einem Prozessbericht von 1961, fließen knapp 30 Prozent der Landesmittel, die Duisburg für sozialen Wohnungsbau erhält, weiter an das Architekten-Duo. Insgesamt rund 26 Millionen Mark. Die Brüder erhalten so viele Aufträge, dass sie sich schnell einen Konzern mit rund zwei Dutzend Firmen aufbauen können. 1957 wird Heinz Conle sogar selbst SPD-Stadtrat. Ein Fraktionskollege wird Pächter einer von Conles Gaststätten, ein anderer übernimmt eine Trinkhalle, ein dritter ist Bauleiter in einer der Firmen der Brüder. SPD-Chef Erich Ollenhauer fliegt im Bundestagswahlkampf 1957 mit einer Cessna der Conle-Brüder von Ort zu Ort. Sogar als Landesminister ist Heinz Conle im Gespräch. Bis 1958 die Kriminalpolizei anrückt. Ratsmitglied bleibt Conle auch während der Ermittlungen und der Verfahrenseröffnung. Er tritt lediglich 1961 nicht mehr bei der Kommunalwahl an.
Die nächste Generation baut den Immobilienbesitz des Vaters weiter aus. Henning Conle hat schon vor seinen AfD-Verstrickungen einen zweifelhaften Ruf. Er gelte als „Slum Landlord“schreibt einmal die „taz“über ihn. Als jemand, der in heruntergekommenen Vierteln Profit aus Wohnungen schlagen will, ohne in sie zu investieren. Bei Mieterorganisationen ist Conle schnell verhasst, dem Profit tut das jedoch keinen Abbruch. Heute gehören ihm einige der edelsten Gebäude Londons. Darunter die „Kensington Roof Gardens“, ein Treffpunkt mit Privatclub, lebenden Flamingos und einem künstlichen Bach auf der Dachterrasse.
Doch nicht nur Henning, auch sein jüngerer Bruder Dieter investiert in Immobilien. Er ist bis heute Geschäftsführer der „Coco Real GmbH“mit Sitz im bayrischen Sonthofen. Eine von sieben Niederlassungen des Unternehmens befindet sich in Duisburg. Das Büro liegt in einem grauen Bau an der Kaiserswerther Straße in Wanheim. Direkt an die Büroräume schließen sich ebenso graue Mehrfamilienhäuser an. Der größte Wohnungsbestand Dieter Conles soll an der Kaiserswerther Straße liegen, so ist in alten Berichten zu lesen. Auf Fragen zu den Immobilien in Duisburg antwortet das Unternehmen auf Anfrage nicht. Auf der Internetseite ist allerdings vom Neubauprojekt „Wohnen am alten Angerbach“zu lesen. An der Lüderitzallee in Buchholz ist der Rohbau bereits zu sehen.
Über Dieter Conle gibt es keine Negativpresse. Anders als Bruder, Vater und Onkel ist er bislang ohne öffentlichen Skandal durchs Leben gekommen. Im Internet finden sich sogar Fotos von ihm. Auf einem steht er in einer seiner Immobilien, einem Seniorenheim in Sonthofen, mit einem CSU-Lokalpolitiker. Im vergangenen Jahr kandidierte Conle selbst für die Christsozialen, verpasste mit 1563 Stimmen den Einzug
in den Sonthofener Stadtrat jedoch deutlich. Auch auf Fragen zu seinem Bruder reagiert er nicht. Doch vor zwei Jahren sah sich Dieter Conle mit Frau und Kindern zu einer Stellungnahme genötigt. Die AfD-Verbindungen Henning Conles wurden da erstmals groß thematisiert, gerade hatte die Süddeutsche Zeitung berichtet. „Wir, die Unterzeichner, und unsere Firmengruppen (…) haben zu keinem Zeitpunkt die AfD oder AfD-nahe Gruppen unterstützt“, teilten sie damals mit. „Wir distanzieren uns ausdrücklich von jeglicher Form von Rassismus, Faschismus und anderweitigen subversiven Strömungen.“Bei den in der Berichterstattung aufgegriffenen Personen handele es sich um „einen anderen Familienzweig“.
Es war das einzige Mal, dass sich in den vergangenen Jahren ein Conle öffentlich über einen anderen Conle geäußert hat. Die Verschwiegenheit betrifft auch jene Familienmitglieder, deren Distanz zu Henning Conle noch größer ist. Kurt Conle, der damals mit Heinz Conle mitangeklagte Bruder hatte zu seinen Lebzeiten nicht nur in Immobilien investiert. Er war 1955 auch Mitbegründer von LTU, vier Jahre später wurde er Hauptgesellschafter und verlegte den Flugverkehr des Unternehmens von Frankfurt am Main nach Düsseldorf. Nach seinem frühen Tod bleibt die Familie Conle im Besitz der Fluggesellschaft. Zunächst auch Kurts Witwe Heide, später nur noch die drei Töchter. Als das Unternehmen in Turbulenzen gerät, verkaufen sie nach und nach ihre Anteile, 2000 zieht sich die Familie endgültig aus dem Unternehmen zurück.
Ein Foto aus dem vergangenen Jahr zeigt eine Frau mit blonden Haaren. Sie trägt ein weißes Hemd, die Brille hat sie hoch ins Haar gesteckt. In den Händen hält sie eine Urkunde und ein Schild, auf dem „Hier sind Schwalben willkommen“geschrieben steht. Die Frau ist Beate Conle-Hüttner, eine der Ex-LTU-Gesellschafterinnen, Tochter von Kurt und Cousine von Henning Conle. Heute ist sie Geschäftsführerin des Gestüts Wiesenhof in Krefeld. Laut Handelsregistereintrag ist Conle-Hüttner zudem Geschäftsführerin der „Beco-Verwaltungs GmbH“mit Sitz in der Düsseldorfer Innenstadt. Sie scheint dem Familiengewerbe treu geblieben zu sein. Nachfragen dazu sind allerdings nicht möglich. Auf Anruf beim Wiesenhof meldet sich ein Mann am Telefon. „Ich glaube da besteht kein Interesse“, sagt er auf die Frage nach einem Kontakt zur Geschäftsführerin. Conle-Hüttners Hof ist aktuell auch Thema in der Krefelder Lokalpolitik. Ausgerechnet ein geplantes Baugebiet bedroht dessen Existenz.
Was bleibt also von dieser Duisburger Familie? Die Negativpresse über den mutmaßlichen AfD-Spender Henning Conle wird so schnell nicht abreißen. In den finanziellen Ruin wird es ihn und seine Kinder dennoch nicht treiben. Für das „Shell Mex House“, ein historisch bedeutsames Bürogebäude in London, soll Conle 2014 umgerechnet über 700 Millionen Euro bezahlt haben. Allein in der Schweiz soll die Familie zudem rund 2500 Mietobjekte besitzen. Einen Teil des Imperiums steuern die Kinder noch heute aus Duisburg. Die anderen Familienzweige tun es dem wegen seiner extremen Öffentlichkeitsscheu gerne auch „Phantom“genannten Milliardär gleich. Sie schweigen und bleiben möglichst im Hintergrund.
2015, als Conle sich erstmals mit Frauke Petry getroffen haben soll, habe er ihr die Frage gestellt, was die größte Triebkraft des Menschen sei. So berichtet es zumindest die Ex-AfD-Vorsitzende. „Neid und Gier“, habe Petry gesagt. „Nein, Angst“, habe Conle entgegnet.
„Wir distanzieren uns ausdrücklich von
jeglicher Form von Rassismus, Faschismus und anderweitigen subversiven Strömungen“
Dieter Conle
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