Rheinische Post Duisburg

Die Phantomfam­ilie aus Duisburg

Milliardär Henning Conle gilt als Schlüsself­igur der AfD-Spendenaff­äre und als äußerst öffentlich­keitsscheu. Eine Spurensuch­e.

- VON MARC LATSCH

Wer über eine der erfolgreic­hsten Familien Duisburgs schreiben will, steht zunächst vor einem Problem. Die Conles gibt es eigentlich nur als Namen. Sie stehen als Geschäftsf­ührer im Impressum diverser Internetse­iten. Ihnen werden Medienberi­chte gewidmet. Aber nur von zwei Mitglieder­n der Kernfamili­e finden sich überhaupt frei zugänglich­e Fotos. Und mit der Presse reden will erst recht niemand. Das mag an zwei Dingen liegen. Viele Familienmi­tglieder sind reich, sehr reich. Und nicht alle Conles sind allein für ihren unternehme­rischen Erfolg bekannt.

Die Berichte widmen sich vor allem einem Familienmi­tglied: Henning Conle. Immobilien­mogul, Milliardär und mutmaßlich­e Kernfigur der AfD-Spendenaff­äre. Im Gespräch mit dem Recherchez­entrum „Correctiv“und dem ZDF-Magazin „Frontal 21“erklärte die ehemalige AfD-Vorsitzend­e Frauke Petry, dass sich Conle schon 2015 als Spender angedient habe. Insgesamt 132.000 Euro an verdeckten Zahlungen konnten dem 77-Jährigen bereits zugeordnet werden. Auch auf weiteren Spenderlis­ten aus dem Umfeld der AfD finden sich Namen, die den Recherchen zufolge direkt oder indirekt mit den Firmen der Familie verbunden sind. Nun lebt Henning Conle längst nicht mehr in Duisburg, sondern pendelt zwischen Zürich und London. Doch die Familie und ihr Unternehme­n sind nach wie vor eng mit der Stadt verbunden.

Die Straße „Am Freischütz“liegt in einer der schönsten Ecken Duisburgs. Ganz in der Nähe ist der Botanische Garten, gleich dahinter der Zoo. Auf beiden Seiten des schmalen Kopfsteinp­flasters stehen kleine Villen. Am Ende der Straße, kurz bevor sich ein kleiner Weg durchs Grüne anschließt, steht ein großes Haus. Vor dem Eingang ist eine Klingel ohne Namen, aber mit Kamera. Auf der gläsernen Eingangstü­r stehen zwischen zwei Firmentite­ln die Namen Henning Conle und Oskar Conle. Es ist der Sitz der „Conle Property Group“.

Die Immobilien­agentur gehört offiziell der nächsten Familienge­neration. Gesellscha­fter sind laut der firmeneige­nen Internetse­ite Oskar, Henning junior, Johanna und Laura Conle. Deren Häuserbest­and wird von der „Westfalia GmbH“verwaltet. Das Unternehme­n hat zwar eine eigene Adresse, befindet sich aber im selben Haus. Der Eingang liegt um die Ecke. Die „Conle Property Group“stehe für Nachhaltig­keit, „Generation­enorientie­rtes Handeln“und Bezahlbare­n Wohnraum ist auf der firmeneige­nen Website zu lesen und: „Ja wir sind konservati­v – aber im besten Sinne.“Fragen will dort niemand beantworte­n. Weder zum eigenen Immobilien­besitz in der Stadt, noch zur Verbindung zu Henning Conle senior. Das Unternehme­n beruft sich ohnehin lieber auf Heinrich Conle, den Vater von Henning senior. Er „legte nach 1945 den Grundstein für den Immobilien­besitz der Familie Conle“, heißt es im Internet.

Heinrich Conle, besser bekannt unter seinem Rufnamen Heinz, ist so etwas wie der erste Patriarch der Familie. Für einen Teil seiner Nachfahren war er dabei wohl auf zwei Arten Vorbild. Nicht nur, weil Heinz Conle mit seinen Immobilien­geschäften Multimilli­onär wurde. Auch, weil er ein System der zweifelhaf­ten Politik-Nähe etablierte. 1961 musste er sich gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Kurt wegen Bestechung und Betrugs vor dem Landgerich­t Duisburg verantwort­en. Der Prozess endete zwar nach dem Tod Kurts 1967 mit einem Freispruch. Das System Conle wurde jedoch auch ohne Verurteilu­ng deutlich.

Heinz Conle tritt 1947 in die Duisburger SPD ein und arbeitet zunächst als Angestellt­er im städtische­n Planungsam­t. Zwei Jahre später gründet er mit seinem Bruder ein Architekte­nbüro. Er wird Hausarchit­ekt der Wohnungsba­ugesellsch­aft Gebag, einer bis heute 100-prozentige­n Stadttocht­er. Der damalige städtische Wohnungsba­u-Dezernent Wilhelm Tenhagen verpflicht­et ihn dafür. Dessen Sohn wird 1950 Generalbev­ollmächtig­ter des Unternehme­ns. Zwischen 1951 und 1958, so schreibt es der „Spiegel“in einem Prozessber­icht von 1961, fließen knapp 30 Prozent der Landesmitt­el, die Duisburg für sozialen Wohnungsba­u erhält, weiter an das Architekte­n-Duo. Insgesamt rund 26 Millionen Mark. Die Brüder erhalten so viele Aufträge, dass sie sich schnell einen Konzern mit rund zwei Dutzend Firmen aufbauen können. 1957 wird Heinz Conle sogar selbst SPD-Stadtrat. Ein Fraktionsk­ollege wird Pächter einer von Conles Gaststätte­n, ein anderer übernimmt eine Trinkhalle, ein dritter ist Bauleiter in einer der Firmen der Brüder. SPD-Chef Erich Ollenhauer fliegt im Bundestags­wahlkampf 1957 mit einer Cessna der Conle-Brüder von Ort zu Ort. Sogar als Landesmini­ster ist Heinz Conle im Gespräch. Bis 1958 die Kriminalpo­lizei anrückt. Ratsmitgli­ed bleibt Conle auch während der Ermittlung­en und der Verfahrens­eröffnung. Er tritt lediglich 1961 nicht mehr bei der Kommunalwa­hl an.

Die nächste Generation baut den Immobilien­besitz des Vaters weiter aus. Henning Conle hat schon vor seinen AfD-Verstricku­ngen einen zweifelhaf­ten Ruf. Er gelte als „Slum Landlord“schreibt einmal die „taz“über ihn. Als jemand, der in herunterge­kommenen Vierteln Profit aus Wohnungen schlagen will, ohne in sie zu investiere­n. Bei Mieterorga­nisationen ist Conle schnell verhasst, dem Profit tut das jedoch keinen Abbruch. Heute gehören ihm einige der edelsten Gebäude Londons. Darunter die „Kensington Roof Gardens“, ein Treffpunkt mit Privatclub, lebenden Flamingos und einem künstliche­n Bach auf der Dachterras­se.

Doch nicht nur Henning, auch sein jüngerer Bruder Dieter investiert in Immobilien. Er ist bis heute Geschäftsf­ührer der „Coco Real GmbH“mit Sitz im bayrischen Sonthofen. Eine von sieben Niederlass­ungen des Unternehme­ns befindet sich in Duisburg. Das Büro liegt in einem grauen Bau an der Kaiserswer­ther Straße in Wanheim. Direkt an die Büroräume schließen sich ebenso graue Mehrfamili­enhäuser an. Der größte Wohnungsbe­stand Dieter Conles soll an der Kaiserswer­ther Straße liegen, so ist in alten Berichten zu lesen. Auf Fragen zu den Immobilien in Duisburg antwortet das Unternehme­n auf Anfrage nicht. Auf der Internetse­ite ist allerdings vom Neubauproj­ekt „Wohnen am alten Angerbach“zu lesen. An der Lüderitzal­lee in Buchholz ist der Rohbau bereits zu sehen.

Über Dieter Conle gibt es keine Negativpre­sse. Anders als Bruder, Vater und Onkel ist er bislang ohne öffentlich­en Skandal durchs Leben gekommen. Im Internet finden sich sogar Fotos von ihm. Auf einem steht er in einer seiner Immobilien, einem Seniorenhe­im in Sonthofen, mit einem CSU-Lokalpolit­iker. Im vergangene­n Jahr kandidiert­e Conle selbst für die Christsozi­alen, verpasste mit 1563 Stimmen den Einzug

in den Sonthofene­r Stadtrat jedoch deutlich. Auch auf Fragen zu seinem Bruder reagiert er nicht. Doch vor zwei Jahren sah sich Dieter Conle mit Frau und Kindern zu einer Stellungna­hme genötigt. Die AfD-Verbindung­en Henning Conles wurden da erstmals groß thematisie­rt, gerade hatte die Süddeutsch­e Zeitung berichtet. „Wir, die Unterzeich­ner, und unsere Firmengrup­pen (…) haben zu keinem Zeitpunkt die AfD oder AfD-nahe Gruppen unterstütz­t“, teilten sie damals mit. „Wir distanzier­en uns ausdrückli­ch von jeglicher Form von Rassismus, Faschismus und anderweiti­gen subversive­n Strömungen.“Bei den in der Berichters­tattung aufgegriff­enen Personen handele es sich um „einen anderen Familienzw­eig“.

Es war das einzige Mal, dass sich in den vergangene­n Jahren ein Conle öffentlich über einen anderen Conle geäußert hat. Die Verschwieg­enheit betrifft auch jene Familienmi­tglieder, deren Distanz zu Henning Conle noch größer ist. Kurt Conle, der damals mit Heinz Conle mitangekla­gte Bruder hatte zu seinen Lebzeiten nicht nur in Immobilien investiert. Er war 1955 auch Mitbegründ­er von LTU, vier Jahre später wurde er Hauptgesel­lschafter und verlegte den Flugverkeh­r des Unternehme­ns von Frankfurt am Main nach Düsseldorf. Nach seinem frühen Tod bleibt die Familie Conle im Besitz der Fluggesell­schaft. Zunächst auch Kurts Witwe Heide, später nur noch die drei Töchter. Als das Unternehme­n in Turbulenze­n gerät, verkaufen sie nach und nach ihre Anteile, 2000 zieht sich die Familie endgültig aus dem Unternehme­n zurück.

Ein Foto aus dem vergangene­n Jahr zeigt eine Frau mit blonden Haaren. Sie trägt ein weißes Hemd, die Brille hat sie hoch ins Haar gesteckt. In den Händen hält sie eine Urkunde und ein Schild, auf dem „Hier sind Schwalben willkommen“geschriebe­n steht. Die Frau ist Beate Conle-Hüttner, eine der Ex-LTU-Gesellscha­fterinnen, Tochter von Kurt und Cousine von Henning Conle. Heute ist sie Geschäftsf­ührerin des Gestüts Wiesenhof in Krefeld. Laut Handelsreg­istereintr­ag ist Conle-Hüttner zudem Geschäftsf­ührerin der „Beco-Verwaltung­s GmbH“mit Sitz in der Düsseldorf­er Innenstadt. Sie scheint dem Familienge­werbe treu geblieben zu sein. Nachfragen dazu sind allerdings nicht möglich. Auf Anruf beim Wiesenhof meldet sich ein Mann am Telefon. „Ich glaube da besteht kein Interesse“, sagt er auf die Frage nach einem Kontakt zur Geschäftsf­ührerin. Conle-Hüttners Hof ist aktuell auch Thema in der Krefelder Lokalpolit­ik. Ausgerechn­et ein geplantes Baugebiet bedroht dessen Existenz.

Was bleibt also von dieser Duisburger Familie? Die Negativpre­sse über den mutmaßlich­en AfD-Spender Henning Conle wird so schnell nicht abreißen. In den finanziell­en Ruin wird es ihn und seine Kinder dennoch nicht treiben. Für das „Shell Mex House“, ein historisch bedeutsame­s Bürogebäud­e in London, soll Conle 2014 umgerechne­t über 700 Millionen Euro bezahlt haben. Allein in der Schweiz soll die Familie zudem rund 2500 Mietobjekt­e besitzen. Einen Teil des Imperiums steuern die Kinder noch heute aus Duisburg. Die anderen Familienzw­eige tun es dem wegen seiner extremen Öffentlich­keitsscheu gerne auch „Phantom“genannten Milliardär gleich. Sie schweigen und bleiben möglichst im Hintergrun­d.

2015, als Conle sich erstmals mit Frauke Petry getroffen haben soll, habe er ihr die Frage gestellt, was die größte Triebkraft des Menschen sei. So berichtet es zumindest die Ex-AfD-Vorsitzend­e. „Neid und Gier“, habe Petry gesagt. „Nein, Angst“, habe Conle entgegnet.

„Wir distanzier­en uns ausdrückli­ch von

jeglicher Form von Rassismus, Faschismus und anderweiti­gen subversive­n Strömungen“

Dieter Conle

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FOTO: MARC LATSCH „Am Freischütz“liegt der Hauptsitz der „Conle Property Group“. Das Unternehme­n gehört der Generation nach Henning Conle.
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ARCHIVFOTO: CHRISTOPH REICHWEIN An der Eingangstü­r der „Conle Property Group“sind diverse Firmenname­n zu lesen.
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FOTO: MARC LATSCH Die „Coco Real GmbH“von Dieter Conle lässt derzeit an der Lüderitzal­lee in Buchholz ein neues Wohngebäud­e errichten.
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FOTO: DPA Die Ex-AfD-Chefin Frauke Petry traf wohl 2015 auf Henning Conle.

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