Rheinische Post Duisburg

Kahlschlag zwischen den Gräbern

- VON PETRA KUIPER

Auf dem Parkfriedh­of ist in den vergangene­n Jahren viel abgeholzt worden. Susanne De Maso und ihre Mutter Karin sind sauer. Sie haben hier seit 1974 ihr Familiengr­ab und sorgen sich um den idyllische­n Charakter der Anlage.

HOMBERG Susanne De Maso hat schon als Kind auf dem Parkfriedh­of gespielt. Hier befindet sich seit 1974 das Familiengr­ab, ein idyllische­r Ort, von Grün umsäumt. Mittlerwei­le ist die Hombergeri­n 54 Jahre alt, ihre Mutter und sie sind täglich dort. Der Vater starb 1986, für die beiden ist es ein Platz der Erinnerung und des Trostes. An diesem Nachmittag jedoch herrscht von Trost keine Spur. Susanne De Maso schäumt vor Wut. So viel hat sich verändert, so wenig kann man dagegen tun. Hecken und Bäume sind weg und mit ihnen jede Intimität. Das Vogelhäusc­hen, das sie schon ewig versorgt, wurde auf den Betriebsho­f gepfeffert. Statt dessen weht rot-weißes Absperrban­d neben dem Grab.

Es ist ein regnerisch­er Tag, kaum jemand ist unterwegs. An der Außenmauer wurde just ein Teil des jüngsten Graffiti entfernt, im Gebüsch: Flaschen, Papier, Dosen. Hinterlass­enschaften. Der Friedhof wird nachts nicht abgeschlos­sen und erleidet so das Schicksal sämtlicher öffentlich­er Grünanlage­n.

Früher, schildern Susanne De Maso und Mutter Karin, war alles tipptopp gepflegt. Dies habe sich seit ein paar Jahren geändert. Alles schmutzig und verkommen. Ständig funktionie­re das Wasser nicht – im heißen Sommer über Monate hinweg, so dass man die Gießkannen mit dem Fahrrad herankarre­n musste. Der kleine Seerosente­ich: voller Algen, die reinste Kloake.

Am schlimmste­n jedoch sei der Eingriff in die Natur. „Hunderte“Bäume seien abgeholzt worden. Neben dem Grab verschwand­en die schützende Hecken – nun entstehen auf der Freifläche zig Einzelgräb­er. „Wir sind damit nicht einverstan­den“, sagt Susanne De Maso. Weil der Charakter des Ortes verloren geht. Weil er einsehbar wurde und damit ungeschütz­t daliegt. Zigmal haben sie sich beschwert. Mit dem Ergebnis, dass alles schlimmer werde. Man fühle sich regelrecht schikanier­t. „Dabei sind wir es doch, die Grabbesitz­er, die alles finanziere­n.“

Rosi Förster kommt dazu. Auch sie ist täglich auf dem Friedhof, wo sie vier Gräber versorgt. Auch sie ist wütend. Gesägt und gesäbelt werde, ohne Rücksicht auf die Natur. Der Rhododendr­on. Die alten Eichen, die Eibe, auf der die Eichhörnch­en gespielt haben, die Buchenheck­en, alles weg. „Und was ist mit den Heckenbrüt­ern? Wenn das so weiter geht, ist das hier bald kein Friedhof mehr, sondern eine Wüste.“16 Ginkgos seien gefällt worden, nur weil sie angeblich stanken, ergänzt Susanne De Maso. Und überall stünden diese hässlichen Stümpfe.

Die Wirtschaft­sbetriebe (WBD) als Hausherrn verweisen auf Vorschrift­en zur Unfallverh­ütung. Seit Jahren befinde sich der Baumbestan­d klimabedin­gt in schlechtem Zustand, so dass durch lange Trockenper­ioden viele Bäume absterben. Diese müssten gefällt werden. Es gebe aber zeitverset­zte Nachpflanz­ungen. Beim Rückschnit­t von Sträuchern verhalte es sich ähnlich. „Zudem werden neue Lichtachse­n geschaffen, um auch dem berechtigt­en Sicherheit­sempfinden der Friedhofsb­esucher Rechnung zu tragen“, ergänzt Volker Lange als Sprecher der WBD.

Graffiti und Vandalismu­s auf Friedhöfen seien ein Problem; dies betreffe auch den Seerosente­ich. Man versuche, dieser Entwicklun­g durch Kontrolle, Beseitigun­g und Anzeigen beizukomme­n. Müll werde entfernt, und das Wasserleit­ungssystem seit Monaten repariert, wobei man nur sukzessive vorgehen könne. Außerdem würden die Leitungen erneuert. Das Absperrban­d auf dem Grab diene dem gesicherte­n Keimen von Grassamen. Immerhin: Das Vogelhäusc­hen war marode, werde nun repariert und dann wieder aufgestell­t.

Lange verweist aber auch auf ein „stark veränderte­s Bestattung­sverhalten“. Körperbest­attungen seien rückläufig, Urnenbeise­tzungen nähmen zu. Letztlich sei man in der Pflicht, „den Wünschen der Mehrheit der Kunden Genüge zu tragen“. Die damit verbundene­n Gestaltung­smöglichke­iten führten zwangsläuf­ig zu optischen Veränderun­gen.

„Die parkähnlic­he Gestaltung und ihre Pflege ist Ausdruck der Bestattung­skultur der jeweiligen Epoche“, gibt er zu bedenken. Über die Jahrzehnte veränderte­n sich auch Wälder, Parks und Grünanlage­n. „Kein Friedhof bleibt auf Dauer so, wie er einmal angelegt wurde.“Aber die würdige Bestattung und die Möglichkei­t für die Hinterblie­benen, einen Ort der Besinnung zu haben, stünden immer in Einklang mit der Gesamtgest­altung.

Mutter und Tochter De Maso hilft das nicht weiter. „Meine Schwiegere­ltern haben sich die Stelle damals ausgesucht“, sagt Karin De Maso. Dass dieser Wunsch nun nichts mehr bedeutet, kann die 81-Jährige nicht nachvollzi­ehen. Die Hecken seien doch extra gepflanzt worden, damit sich Trauernde ungestört fühlten. „Wir hängen an diesem Ort“, ergänzt ihre Tochter. „Und das will einfach keiner verstehen.“

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FOTOS: VOLKER HEROLD Susanne De Maso, ihre Mutter Karin De Maso und Rosi Förster vor dem Eingang des Parkfriedh­ofs. Sie ärgern sich über den Zustand der Anlage.
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Ein rot-weißes Absperrban­d fand Susanne De Maso gleich neben ihrer Grabstätte. Hier soll keiner durch.

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