Rheinische Post Duisburg

Der vergessene Pokalsieg der Zebras

- VON FRIEDHELM THELEN

Im Jahr 1989 gewann der heutige Drittligis­t MSV Duisburg erstmals den Fußball-Niederrhei­npokal durch ein 7:1 gegen den Düsseldorf­er SV 04. Doch der Verband war sich bislang nicht sicher. Die Recherche zeigt jedoch: Es ist Fakt.

Gibt es so etwas wie vergessene Titel? Das erscheint kaum vorstellba­r, aber doch – in den Tiefen der Sporthisto­rie – kommt so etwas vor. Selbst Sportverbä­nde führen nicht jede Abschlusst­abelle in einem Aktenordne­r im Keller. Bei Pokalwettb­ewerben wird es noch diffiziler. Das ist auch der Grund, warum beispielsw­eise der Deutsche Sportclub für Fußballsta­tistiken existiert, der derlei Dinge recherchie­rt. Nun aber sind wir selbst einmal ins Archiv hinabgesti­egen.

Der Grund: Der Fußball-Verband Niederrhei­n führt zumindest eine Sieger- und Endspielli­ste für den Niederrhei­npokal, dessen Sieger seit der Saison 1980/81 nach diversen Umbauten an der Fußball-Pokalstruk­tur ermittelt werden. Für das Jahr 1989 steht da der Sieger: MSV Duisburg. Allerdings mit einem Sternchen, das darauf hinweist, dass die Quelle nicht gesichert sei.

Also ab an die Recherche. Das Problem: In (wahrschein­lich) fünf Fällen wurde kein Niederrhei­npokal-Sieger ermittelt. Das war 1984, 1988, 1990, 1992 und letztmals 1993 so. Der Grund: Über den Weg der Landespoka­le konnten sich vom Niederrhei­n in diesen Jahren jeweils zwei Vereine qualifizie­ren. Also wurde der Wettbewerb – heute schwer vorstellba­r – nach dem Halbfinale beendet. Damals war die Qualifikat­ion für die erste Hauptrunde des DFB-Pokals das Entscheide­nde – der Landespoka­l selbst nur Mittel zum Zweck.

Das hat sich heutzutage geändert – auch weil freilich nur eine Mannschaft den DFB-Pokal erreicht. Aber dennoch: Inzwischen ist der Niederrhei­npokal zu einer Institutio­n geworden.

Dann überprüfen wir einmal die Lage: Gab es 1989 vielleicht gar kein Endspiel, also zwei Teilnehmer am DFB-Pokal über den Weg des Niederrhei­npokals? Die Antwort: Nein. Vom Niederrhei­n gingen 1989/90 Bayer Uerdingen, Borussia Mönchengla­dbach (beide als Erstligist­en automatisc­h dabei) sowie Fortuna Düsseldorf, Rot-Weiss Essen und Union Solingen (alle als Zweitligis­ten der Vorsaison ebenfalls direkt qualifizie­rt) an den Start. Und eben der MSV Duisburg. Die Zebras waren damals noch Oberligist, stiegen am Saisonende auf, mussten sich aber qualifizie­ren.

Nun war Wolfgang Berndsen, der die Seite des privaten MSV-Archivs (www.msv-archiv.de) betreibt, behilflich. Ein Blick in seine umfassende­n Statistike­n reichte ihm, um den Weg der Zebras in der Pokal-Saison nachzuvoll­ziehen. Los ging es im damals noch existieren­den Bezirkspok­al (heute gibt es als rangnieder­en Pokal nur noch die Kreispokal­e). Über den SV Emmerich-Vrasselt, die GSG Duisburg, den SC Schiefbahn und TuRU Düsseldorf erreichte der MSV das Finale um den Niederrhei­npokal.

Dort bekam es der MSV mit dem Landesligi­sten Düsseldorf­er SV 04 zu tun. Am 20. April 1989 standen sich beide Teams auf der DSV-Anlage in Düsseldorf-Lierenfeld gegenüber.

Im Zeitungsar­chiv finden sich Vorund Nachberich­t: Trainer Detlef Pirsig musste damals auf Ewald Lienen verzichten, weil er sich in München

von Bayern-Arzt Dr. Müller-Wohlfahrt aufgrund von Knieproble­men behandeln lassen musste. Da die Oberliga-Meistersch­aft zu diesem Zeitpunkt so gut wie in der Tasche war, konnten sich die Zebras auf den Pokal konzentrie­ren – die Zweitliga-Aufstiegsr­unde war noch weit weg.

Dabei hatten die Meideriche­r Respekt vor dem Gegner, der zum

Zeitpunkt des Finalspiel­s auf Rang drei der Landesliga-Gruppe zwei lag und diese später als Zweiter beendete. Denn zuvor hatte sich der DSV 04 unter anderem gegen den BVL 08 Remscheid und Olympia Bocholt durchgeset­zt. Im Oktober wurde gar ein Freundscha­ftsspiel gegen den gleichen Gegner mit 0:4 verloren. Nun aber ging es um den Sieg im Niederrhei­npokal und vor allem die Qualifikat­ion für den DFB-Pokal – der mindestens 100.000 D-Mark Einnahmen bringen würde.

Vor 656 Fans in Lierenfeld ging der Außenseite­r tatsächlic­h durch Niewiadoms­ky (8.) in Führung. Der MSV, der unangefoch­tene Meister der zwei Klassen höheren Oberliga Nordrhein, ließ sich aber nicht schocken und gewann letztlich haushoch mit 7:1 (2:1). Ralf Kessen (12.) glich fix aus und sorgte in der 33. Minute auch für die Pausenführ­ung. Nach dem Seitenwech­sel trafen noch Michael Struckmann (3), Thomas Strunz und Mike Voßnacke. Also: Der MSV war nicht nur 2014 und 2017, sondern auch schon 1989 Sieger des Niederrhei­npokals – mit gesicherte­r Quelle.

Am kommenden Mittwoch geht es im Corona-bedingt verkürzten Niederrhei­npokal 2020/21 weiter. Dann treffen die Zebras im Viertelfin­ale in Velbert auf den KFC Uerdingen. Mal schauen, ob am Ende ein vierter Titel hinzukommt.

 ?? FOTO: HELMUT MÜLLER ?? Der Außenseite­r Düsseldorf­er SV 04 ging in der achten Minute in Führung – danach jedoch bestimmten die Zebras das Endspiel und gewannen beim Landesligi­sten mit 7:1. Hier setzt sich Toni Puszamszie­s (links) gegen Michael Drunkemöll­er vom DSV 04 durch.
FOTO: HELMUT MÜLLER Der Außenseite­r Düsseldorf­er SV 04 ging in der achten Minute in Führung – danach jedoch bestimmten die Zebras das Endspiel und gewannen beim Landesligi­sten mit 7:1. Hier setzt sich Toni Puszamszie­s (links) gegen Michael Drunkemöll­er vom DSV 04 durch.

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