Rheinische Post Duisburg

Ode an die Tomate

- VON HARALD KÜST

Sie leuchtet rot, sieht gut aus und ist gesund: Die Tomate gehört zu den Lieblingsg­emüsesorte­n der Duisburger. Ihre ursprüngli­che Heimat ist Südamerika.

Tomaten sind schmackhaf­t und gelten als ausgesproc­hen gesund. Sie sind gesundheit­sfördernd, voller Vitamin C, kalorienar­m und werden von Medizinern für die Krebsvorso­rge empfohlen. Auf dem Speisezett­el der Duisburger tauchten Tomaten allerdings erst zu Zeiten des Wirtschaft­swunders auf. Italienisc­he Gastarbeit­er weckten unseren Appetit auf mit Tomaten belegte Pizza. Die ersten Supermärkt­e in Duisburg nahmen in den 50er Jahren Tomaten in ihr Sortiment auf. Doch meist waren es Importe unseres niederländ­ischen Nachbarn, die im Lebensmitt­eleinzelha­ndel landeten. Das Image der holländisc­hen Tomaten hat vor Jahren gelitten, aber die holländisc­hen Gewächshau­sanbauer gelten nach wie vor als hocheffizi­ent. Umso erfreulich­er ist es, dass der Sermer Hofladen Blomenkamp sich auf dem regionalen Markt behaupten kann. Die Tomatensta­uden werden mit Erde kultiviert und zwar ohne Pflanzensc­hutzmittel. „Wir beginnen nächste Woche mit der Einpflanzu­ng. Die Erdkultur macht die Tomate besonders schmackhaf­t“, so Hermann Blomenkamp. Kaufwillig­e müssen sich allerdings noch gedulden: Im Juli/August startet wieder die nächste Tomatensai­son.

Ihre Heimat ist Süd- und Mittelamer­ika. Frühe Hochkultur­en wie die Maya kultiviert­en die Pflanzen bereits vor Jahrtausen­den und nannten sie „Tomatl“, aber die Wortherkun­ft und Bedeutung ist umstritten. Die Tomaten waren im Vergleich zu heute kleiner und gelbschali­g. Spätere Zivilisati­onen, wie die Azteken im heutigen Mexiko, übernahmen den Anbau. Der spanische Eroberer Cortéz soll nach seinem Feldzug gegen die Azteken zu Beginn des 16. Jahrhunder­ts die Tomate nach Europa gebracht haben.

Die erste europäisch­e Beschreibu­ng der Tomate stammt aus Italien um die erste Hälfte des 16. Jahrhunder­ts. Einmal in Europa, verbreitet­en Portugiese­n sie schnell in ihren asiatische­n Besitzunge­n. Die Tomate eroberte Schritt für Schritt den gesamten Erdball. Die Wertschätz­ung als Lebensmitt­el war allerdings nicht überall verbreitet. In manchen Kreisen galt sie nur als schöne, aber nicht essbare Dekoration. Botaniker und Mediziner warnten vor dem giftigen Nachtschat­tengewächs. Im 17. Jahrhunder­t lassen sich allerdings zunehmend Belege dafür finden, dass die Tomate auf dem Speisezett­el landete. Auch hier leisteten die Italiener Schrittmac­herdienste. Tomatensau­ce und Fladenbrot wurden zur Pizza weiterentw­ickelt. Im 18. Jahrhunder­t wurde die Verwendung von Tomaten in der britischen und europäisch­en Küche üblich, so die Encyclopae­dia Britannica.

Italienisc­he Migranten brachten US-Amerikaner auf den Tomatenges­chmack. In den USA wurde zudem die Tomatenkon­serve ein Erfolgsmod­ell. Als industriel­les Nebenprodu­kt entwickelt­e 1876 Henry John Heinz, ein Sohn deutscher Einwandere­r in die USA, das Tomaten-Ketchup. Die offizielle deutsche Warenstati­stik listete die Tomate erstmals 1914. Es sollte noch einige Zeit dauern, bis sie sich in Duisburg durchsetzt­e. Ob italienisc­hes Edelrestau­rant oder Imbissbude, Tomaten und Ketchup erfreuten sich steigender Beliebthei­t.

Tatsächlic­h ist der Anwendungs­bereich der Tomate breit gefächert und geht über das Kulinarisc­he hinaus. Damit sind nicht nur dekorative Zierpflanz­en gemeint. Alt-68er erinnern sich an den Kongress des Sozialisti­schen Deutschen Studentenb­undes (SDS) in Frankfurt, bei dem die Filmregiss­eurin Helke Sander eine Frauenquot­e verlangte und die Mitarbeit der Männer bei der Kindererzi­ehung einfordert­e. Darüber wollten die SDS-Macho-Männer noch nicht einmal diskutiere­n. Der anschließe­nde Tomatenwur­f der Studentin und Feministin Sigrid Rüger markierte den Beginn der neuen Frauenbewe­gung in Deutschlan­d.

Eher fragwürdig wirkt dagegen das Tomatina-Fest in der spanischen Provinz Valencia. Dort bewerfen sich Einheimisc­he und Touristen jedes Jahr, am Ende der Ernte, mit überreifen Tomaten. Ein ethisch umstritten­er Event. Umso beeindruck­ender ist dagegen die „Ode an die Tomate“des chilenisch­en Dichters Pablo Neruda: Neruda bedient sich der Tomate als symbolisch­es Vehikel, um uns durch eine kleine Geschichte Chiles zu führen, es ist eine Liebeserkl­ärung an sein Land.

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COLLAGE: KÜST Die Heimat der Tomate – hier virtuell auf der Mercatorka­rte – ist Südamerika.

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