„Digitale Formate werden bleiben“
Die NRW-Wissenschaftsministerin über die Auswirkungen der Pandemie auf die Hochschulen.
Viele Hochschulen befürchten durch das Infektionsschutzgesetz des Bundes, das jetzt in Kraft getreten ist, große Nachteile, weil es den Betrieb der Hochschulen sehr erschweren könnte. Was ist Ihre Meinung dazu?
PFEIFFER-POENSGEN Ich kann die Sorgen der Hochschulen sehr gut verstehen. Die Schwäche des Bundesgesetzes ist, dass die Regelungen für den Schulbereich auch auf die Hochschulen übertragen werden, ohne deren Besonderheiten aufzugreifen. Das macht aber wenig Sinn, weil es beispielsweise an Hochschulen gar keinen Wechselunterricht gibt. Wir haben bei den Landesregelungen immer darauf geachtet, dass die Hochschulen flexibel auf die jeweilige Lage reagieren können, um den Studierenden trotz aller Schwierigkeiten ein vollwertiges Semester zu ermöglichen, etwa indem zusätzlich zur digitalen Lehre auch Ausnahmen für zwingend notwendige Präsenzveranstaltungen wie Laborpraktika möglich waren.
Und wenn das nicht mehr möglich ist?
PFEIFFER-POENSGEN Das würde große Einschränkungen gerade auch in den für die Pandemiebewältigung bedeutsamen Studiengängen wie Medizin und Pharmazie bedeuten. Wir haben deshalb den Bund dringend gebeten, klarzustellen, dass die Hochschulen im Sinne der Studierenden auch weiter so verfahren können. Das sehen übrigens nicht nur wir in NRW so, sondern alle 16 Wissenschaftsministerinnen und Minister der Länder.
Wie sind die Hochschulen in NRW bislang mit der Lehre in Pandemiezeiten denn zurechtgekommen? Und haben sich die Hochschulen untereinander ausgetauscht? PFEIFFER-POENSGEN Natürlich hat durch die Pandemie vor allem die Digitalisierung der Hochschulen weiter an Fahrt aufgenommen, auch wenn wir hier in Nordrhein-Westfalen gute Startbedingungen hatten, weil wir schon 2019 die Digitale Hochschule Nordrhein-Westfalen ins Leben gerufen haben. Das war quasi Glück im
Unglück. Die Digitale Hochschule ist ein Zusammenschluss von 42 Hochschulen im Land mit einer gemeinsamen Geschäftsstelle und einem Budget von bislang 50 Millionen Euro jährlich. Ziel war und ist es, sich digital besser aufzustellen und miteinander zu vernetzen. Dadurch sind schon vor Corona verschiedene Plattformen entstanden. Darüber hinaus haben wir zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt, um den Hochschulen für die Beschleunigung der Digitalisierung je nach Bedarf schnell helfen zu können. Das waren im vergangenen Jahr 20 Millionen Euro, in diesem Jahr haben wir noch einmal 40 Millionen Euro für die Anschaffung von E-Book-Lizenzen draufgelegt.
Und ihre Erfahrungen bisher? PFEIFFER-POENSGEN Aus meiner Sicht haben Hochschulen und Studierende diese riesige Herausforderung bislang hervorragend gemeistert – auch wenn ich weiß, dass allen der persönliche Austausch auf dem Campus sehr fehlt, gerade den Studienanfängern. Unser Ziel ist, dass den Studierenden möglichst keine Nachteile aus dieser schweren Situation entstehen. Darum sind auch zum Ende des Wintersemesters wieder unzählige Online-Prüfungen abgehalten worden, und deshalb haben wir die individualisierte Regelstudienzeit für die Studierenden verlängert. Das bedeutet ganz praktisch: Wer wegen der Pandemie eine Prüfung nicht ablegen kann oder sie nicht besteht, kann ein Semester länger studieren, ohne dass sich das nachteilig auf seine Regelstudienzeit auswirkt. Das ist gerade auch für Bafög-Empfänger wichtig
Können denn auch digitale Formate aus Pandemiezeiten übernommen und zwischen den Hochschulen ausgetauscht werden? PFEIFFER-POENSGEN Es wird digitale Formate geben, die bleiben – denken Sie etwa an die großen Vorlesungen. Trotzdem wollen wir alle wieder eine Rückkehr zur Präsenzlehre vor Ort. Ich erinnere noch einmal an die Studienanfänger, für die ein Start an der Hochschule in digitaler Form schon eine extreme Herausforderung ist. Entscheidend ist, dass die Studierenden bestmöglich studieren können und keine Inhalte verloren gehen.
Hat uns Corona in eine Art digitale Hochschulreform geschubst? PFEIFFER-POENSGEN Das wäre aus meiner Sicht übertrieben. Aber es gibt weniger Vorbehalte gegenüber der Digitalisierung der Lehre, das ist richtig – bei Lehrenden und Lernenden.