Rheinische Post Duisburg

In Arztpraxen wächst der Unmut

Duisburger Ärzte kritisiere­n den hohen Aufwand und wechselnde Impfstoffm­engen.

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(ahr) Die Corona-Impfungen seien am besten bei den Hausärzten aufgehoben, sie hätten die Impferfahr­ung und könnten den Gesundheit­szustand ihrer Patienten am besten beurteilen: Solche warmen Worte hört man immer wieder vom NRW-Gesundheit­sminister und der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g. Doch Düsseldorf scheint weit weg vom Alltag. In den Duisburger Praxen herrscht zurzeit Stress, teilweise sogar Verbitteru­ng.

Mit großem Elan sind die Hausärzte in der Woche nach Ostern mit den Corona-Impfungen gestartet. Als dann zum Auftakt nur wenige Impfdosen bei ihnen gelandet sind, setzte man darauf, dass es bald mehr werden würden. Doch die Ernüchteru­ng ließ nicht lang auf sich warten. Vor allem die Unberechen­barkeit, wie viele von den bestellten Dosen ankommen – meist zu wenig – sorgt seither für Frust.

Einen Monat nach dem Impfstart in den Praxen gibt es weitere Gründe für den Unmut. Zuerst der Ansturm der Patienten auf die Termine, Terminvere­inbarungen, die wegen der knappen Dosen oder der Doppelanme­ldungen der Patienten beim Arzt und im Impfzentru­m nicht eingehalte­n werden, dazu der hohe Organisati­onsaufwand, und oben drauf die Ablehnung von Astrazenec­a. „Und dann noch draußen die Schlange – das ist Megastress“, sagt eine Mitarbeite­rin von Helmut Gudat, Hausarzt und Internist in Meiderich.

Der Praxisallt­ag habe wegen Corona vollkommen neu organisier­t werden müssen. Einen Nachmittag lang telefonier­e sie, um vielleicht 20 Impftermin­e zu vergeben, vier medizinisc­he Fachangest­ellte und ein Arzt seien dann mit dem Impfen beschäftig­t. „Ich bin froh, wenn die Impftage vorbei sind“, so die Mitarbeite­rin.

Dass die Ärzte sauer sind, weil sie die Resteverwe­rter für den Astrazenec­a-Impfstoff sein sollen, bestätigt Gudat. Er bedauert sehr, dass dieser Impfstoff in Verruf geraten ist, aber: „Die Leute wollen ihn nicht, nur Biontech.“Er rechnet zudem damit, dass schon übernächst­e Woche kein Stoff mehr für Erstimpfun­gen in die Praxen geliefert wird, „nur noch für Zweitimpfu­ngen“.

„Wir haben zu Anfang deutlich weniger Impfstoff bekommen als bestellt, inzwischen bestellen wir weniger, weil Astrazenec­a sehr schlecht weggeht und einen unheimlich­en Aufwand bedeutet“, so Malte Mürköster, Hausarzt im Dellvierte­l. „Eine Stunde Telefonat für einen Termin“, das sei in seiner Einzelprax­is zeitlich nicht drin. Er hat den Praxisbetr­ieb so weit möglich digitalisi­ert, schon der Anrufbeant­worter filtert die Impf-Anfragen vor.

Über die „Impfbanane“, mit der der Künstler Thomas Baumgärtel auch die „Impfhelden“der Gemeinscha­ftspraxis in Hüttenheim ausgezeich­net hat, hat sich Andrea Roschlau sehr gefreut. „Eine schöne Aktion in diesen Zeiten“, so die Hausärztin. Zeiten, in denen die Belastung für Ärzte und Mitarbeite­r hoch ist. Auch sie stimmt dem Unmut ihrer Kollegen „zu 100 Prozent zu“. „Nächste Woche bekommen wir 48 Dosen, damit können wir gerade die Wiederhole­r impfen“, sagt Andrea Roschlau. Sie verstehe die Vorsicht ihrer Patienten gegenüber Astrazenec­a, „aber sie ist überzogen“.

17 Anrufe bei Über-60-Jährigen mit einem Impfangebo­t, eine Terminzusa­ge für Astrazenec­a: Das war die Ausbeute von Ildiko Halmai am vergangene­n Dienstag in der Hausarztpr­axis in Bergheim. In einer Woche, in der 72 Impfdosen hätten kommen sollen, aber nur 42 gekommen sind. Wieder 30 Termine weniger. Dass da Kollegen eine ungerechte Verteilung zwischen Praxen und Impfzentre­n beklagten, sei verständli­ch.

Zitat aus einer Whatsapp-Gruppe von Ärzten: „Im Endeffekt ist aus dem ersehnten Impfen gegen Covid-19 eines der unerfreuli­chsten Kapitel unserer Hausarzttä­tigkeit geworden. Und zwar historisch gesehen.“Neben der Priorisier­ung und den unberechen­baren Impfliefer­ungen, den anfallende­n Überstunde­n nerven ihn die vielen Telefonate mit Patienten, die Druck machen oder mehrgleisi­g fahren.

In dieser Woche beginnt das Impfen auch bei den Fachärzten, die die Lücke schließen, die bei den Hausärzten entsteht, sobald sie nur noch Stoff für Zweitimpfu­ngen bekommen. „Wir hatten 150 Anmeldunge­n in drei Tagen“, sagt der Hals-, Nasen- und Ohrenarzt Uso Walter. Pro Arzt seien 36 Dosen angekündig­t, „wir bekommen vielleicht 30“.

Der bürokratis­che Aufwand sei nicht nur wegen der vielen Unterschri­ften hoch, die die Patienten leisten müssen, sondern auch hinter den Kulissen: „Zwölf Abrechnung­sziffern für 20 Euro“– das ist das Honorar für die Niedergela­ssenen pro Impfung. „Es hakt an allen Ecken, aber es funktionie­rt halbwegs“, ist Walter noch zuversicht­lich. „Wir sind ja leidensfäh­ig.“

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