Zauberstab mit Sollbruchstelle
Die neuen Möglichkeiten mit den Lolli-Tests sollen für mehr Schutz vor Corona im Schulbetrieb sorgen. An den Grundund Förderschulen in Duisburg lief aber noch nicht alles rund.
(akal) Die meisten Schulleiter sind zwar grundsätzlich voll des Lobes für die frisch eingeführten Lolli-Tests: Der Start verläuft jedoch ruckelig, viele Fragen sind noch offen – „Soll-Bruchstelle“ist das Wort der Stunde. Denn das Wattestäbchen, auf dem die Kinder wie auf einem Lolli im Mund lutschen sollen, hat einen sehr langen Stab, der beim Halten hilft, vor dem Transport aber abgebrochen werden soll. An der Alfred-Adler-Schule in Walsum wird daraus je nach Altersklasse ein Problem – oder ein Zauberstab.
Die 180 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf sind in Grund- und Hauptschule unterteilt. Die Unterschiede sind gewaltig: Bei den Jüngsten in der „Eulen“-Klasse packen die Lehrkräfte die Tests aus, erklären mehrfach das Prozedere, mahnen hier und helfen da. Und doch rühren einige mit dem Teststab im offenen Mund herum oder betrachten ihn gedankenverloren. „Auch der Lolli-Test ist für Kinder mit sprachlichen, motorischen oder kognitiven Einschränkungen schwierig“, sagt Schulsozialarbeiterin Julia Liestmann. Aber allemal einfacher als der Selbsttest in den Wochen zuvor.
In die hatte ihre Kollegin Julia Weyers entsprechend „null Vertrauen“, jetzt fühle sie sich so sicher, wie das in einer Schule nur möglich sei. Ging früher Magen-Darm rum, steckte sie sich meist auch an, die Corona-Gefahr war sehr real.
In der „Hunde“-Klasse (drittes Schuljahr) kann Aymen schon ziemlich genau erklären, was zu tun ist. Nur das Tütchen mit dem Teststab bekommt er nicht auf, die Schere muss ran. Dann läuft die Zeit und Julia Liestmann motiviert: „Stellt euch vor, dass es nach Schokolade schmeckt oder nach Kirsche.“Josy macht das prima, nach 30 Sekunden steckt sie ihren Test ins Sammelröhrchen und konstatiert: „Es hat nach Watte geschmeckt.“Fantasiereise beendet.
Für den Individualtest daheim, den die Kinder machen müssen, wenn der Pool-Test positiv ausfällt, bekommen alle Schüler beschriftete Röhrchen mit. Gemeinsam mit der Lehrerin suchen sie einen sicheren Platz dafür im Schultornister. Bei Schulleiterin Edith Winter von der GGS Am Knappert hat der erste Durchlauf nicht geklappt: „Vom Labor sollen wir bis spätestens 6 Uhr die Ergebnisse bekommen.“Die erste Info bekam sie nach 7 Uhr, die letzte trudelte gegen 9.30 Uhr ein. Alle waren negativ. Von zehn Schulleitern hörte sie Ähnliches.
An ihrer Schule in Rahm brachten viele Kinder Schnelltest-Bescheinigungen mit, in einzelnen Klassen mehr als die Hälfte. „Für uns ist das nicht nachvollziehbar, die Sensitivität ist doch viel geringer als beim Lolli-Test“, wundert sich Winter. Falls die Eltern damit eine Quarantäne verhindern wollen, dann muss man sagen: Das wird nichts. Laut Schulministerium müssen nach einem positiven Pool-Test alle Kinder einer Lerngruppe in die häusliche Isolation, auch wenn der einzelne Schnelltest anderes besagt. Erst ein PCR-Test könne die Isolation aufheben – oder durch das Gesundheitsamt in eine Quarantäne verwandelt werden. Das könnte bei einzelnen Familien länger dauern, befürchtet Torsten Marienfeld von der Adlerschule. Denn für den individuellen PCR-Test müssen die Eltern aktiv werden, daheim den Test machen und zur Schule bringen – oder wie an der Förderschule möglich, dem Fahrer mitgeben. Das könnte eine
Abwärtsspirale in Sachen Bildungsgerechtigkeit in Gang bringen, befürchtet Marienfeld. Leiden würden jene Kinder, „deren Eltern das nicht auf die Reihe kriegen“.
Das sieht Jens-Uwe Hoffmann ähnlich. Der Schulleiter der Fährmann-Grundschule und stellvertretende Schulformsprecher sagt, dass es an sozial benachteiligten Standorten schwer sei, die Eltern zu erreichen. Bildungsferne und Sprachprobleme nennt er als Stichworte. „Aber die Rechtslage ist nun mal so.“Vorsichtig optimistisch setzt er darauf, „dass es sich einspielen wird“.