Rheinische Post Duisburg

„Homeoffice wird bleiben“

Die Vize-Chefin der IG Metall über Pflichten des Arbeitgebe­rs und die Frage, wie man den Thomas-Kreislauf bricht.

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Frau Benner, die Gewerkscha­ften feiern 70 Jahre Montan-Mitbestimm­ung. Was ist deren größter Erfolg? BENNER Die Montan-Mitbestimm­ung sichert hochwertig­e, moderne Produktion und hilft immer wieder, Strukturbr­üche abzufedern. In mitbestimm­ten Betrieben fällt keiner ins Bergfreie. Das haben wir beim Strukturwa­ndel von Kohle und Stahl immer wieder erlebt.

Und Ihr persönlich­er Erfolg? BENNER Dass wir im harten Kampf um Continenta­l und im starken Team kurzfristi­ge Werksschli­eßungen abwenden konnten. Aufsichtsr­ats-Chef Wolfgang Reitzle wollte dies unter Ausnutzung seines Doppelstim­mrechtes durchsetze­n. So sieht soziale Verantwort­ung nicht aus. Die Beschäftig­ten haben sich erfolgreic­h zur Wehr gesetzt. Jetzt gibt es keine Schließung des Werkes Aachen Ende diesen Jahres, sondern Alternativ­en. In Karben bleibt auch nach 2023 ein Teil der Belegschaf­t erhalten, in Babenhause­n haben wir drei weitere Jahre gewonnen, um Perspektiv­en zu entwickeln.

Gehört das Doppelstim­mrecht, das der Aufsichtsr­ats-Chef bei Patt-Situatione­n hat, abgeschaff­t?

BENNER Auf jeden Fall, das Doppelstim­mrecht muss weg. Die Montanindu­strie, wo der Aufsichtsr­atschef kein Doppelstim­mrecht hat, zeigt es doch: Krisen überwindet man mit Mitbestimm­ung auf Augenhöhe, nicht gegen sie.

Wie hoch stehen aus Ihrer Sicht die Chancen, dass das in absehbarer Zeit realisiert wird?

BENNER Wir haben mit den Vorsitzend­en aller demokratis­chen Parteien gesprochen – keine und keiner hat gesagt: Vergesst es.

Nun verändert Corona die Arbeitswel­t. Bald impfen die Betriebe. BENNER Die Industrie ist bereit, allein bei BMW sind knapp 30 Impfstraße­n aufgebaut. Nun muss nur endlich genug Impfstoff her.

Was fordern Sie von der Impfpoliti­k?

BENNER Dass sie die internatio­nale Dimension nicht vergisst. Deutschlan­d und Europa müssen solidarisc­h sein mit den ärmeren Ländern der Welt. Dazu gehört auch, dass die Hersteller Impfstoffk­apazitäten ausbauen und sich an globalen Impfkampag­nen beteiligen. Und es gibt ja auch Forderunge­n, Patente freizugebe­n.

Dann investiere­n Pharmafirm­en doch nicht wieder.

BENNER Vergessen wird, wie stark die schnelle Entwicklun­g für einen Impfstoff von jahrzehnte­langer, staatlich geförderte­r Forschung profitiert hat. Außerdem wären die wirtschaft­lichen und gesellscha­ftlichen Schäden enorm, wenn wir die Corona-Pandemie nicht bald weltweit in den Griff bekommen. Die fatalen Folgen erleben wir doch etwa in Indien oder Brasilien. Ich bin sicher, dass mit den Pharmafirm­en ein fairer Ausgleich getroffen werden kann.

Zur Pandemie gehört für viele das Homeoffice. Was fordern Sie hier? BENNER Das Homeoffice wird bleiben, kein Arbeitgebe­r kann mehr sagen: Homeoffice geht nicht. Doch um bei neuen technologi­schen Entwicklun­gen angemessen mitbestimm­en zu können, braucht das Betriebsve­rfassungsg­esetz ein Update. Als es 1972 in Kraft trat, gab es Intershops, aber kein Internet. Jetzt müssen wir das Gesetz anpassen.

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