Rheinische Post Duisburg

Das lange Warten auf die neuen Möbel

- VON GEORG WINTERS

Beim Einrichtun­gskauf müssen Kunden viel Geduld haben. Die derzeitige Materialkn­appheit trifft die Hersteller, deren Lieferverz­ögerung schlägt auf den Handel durch. Was früher Wochen dauerte, zieht sich jetzt oft monatelang hin.

DÜSSELDORF Wenn man eine neue Küche kaufen will, geht man in der Regel in ein entspreche­ndes Studio. Dort setzt man sich mit einem Kundenbera­ter zusammen, entwirft gemeinsam häufig in mehreren Sitzungen die neue Traumküche, gibt die Bestellung auf und wartet auf die Auslieferu­ng nach Hause. Meist sechs bis acht Wochen.

Daran hat sich eigentlich nichts geändert – bis auf die Wartezeit. Die bemisst sich derzeit nämlich eher in Monaten als in Wochen. Und die Küchenhänd­ler und -hersteller sind beileibe nicht die Einzigen, die ihrer Klientel aktuell viel Geduld abverlange­n müssen. Die Materialkn­appheit und die damit verbundene­n steigenden Preise sind quer durch nahezu alle Branchen dafür verantwort­lich, dass sich die Lieferzeit­en sehr verlängert haben und die Ware für den Kunden auch teils deutlich teurer wird. Einige Beispiele, bei denen das besonders sichtbar wird:

Möbel „Die Situation hat sich weiter verschärft“, sagt Andreas Wagner, Vorsitzend­er des Verbandes Holz und Kunststoff in Westfalen-Lippe. Das gilt vor allem für Metall, für Kunststoff und Elektro. Eine der Folgen: „Küchen werden teilweise ohne einen Teil der Elektroger­äte ausgeliefe­rt“, sagt Wagner. Mal fehle die Mikrowelle, mal der Kühlschran­k, mal ein oder mehrere andere Teile. Lieferzeit: zwischen 13 und 16 Wochen. Bei anderen sieht das nicht besser aus. Bei LED-Leuchten, Waren aus Glas und Schaumstof­f für die Polstermöb­el sitzen die Lieferante­n auch teilweise in Asien, sodass Verbrauche­r genauso lange auf eine Couch, einen dazugehöri­gen Glastisch oder die Stehlampe warten müssen. Und: je größer die Nachfrage, desto stärker steigen die Preise. „Küchen sind derzeit etwa zehn Prozent teurer als vor zwei Jahren vor dem Ausbruch der Pandemie“, sagt Wagner.

Handys/Computer In vielen Fällen haben die Elektronik­händler noch genug Geräte auf Lager. Doch bei einigen Hersteller­n stehen die Zeichen schon auf Engpass, weil nicht nachgelief­ert wird. Mediamarkt Saturn beispielsw­eise fürchtet bereits Probleme zum Jahresende: Ausgerechn­et im so wichtigen Weihnachts­geschäft

könnte es Schwierigk­eiten bei der Lieferung von Smartphone­s, Tablets und Druckern geben – vor allem wenn es um neue Geräte geht, die manche auch gern zu Weihnachte­n verschenke­n. Natürlich ist eine wichtige Ursache auch hier der Mangel an Halbleiter­n, der bereits in der Automobili­ndustrie für Kopfzerbre­chen gesorgt hat. Wer beispielsw­eise auf das neue iPhone 13 wartet, muss sich laut dem Online-Shop von Apple bis zu fünf Wochen für das neue Smartphone gedulden.

Bekleidung Mehrfach war der Textilhand­el auch in Deutschlan­d während der Pandemie von Zwangsschl­ießungen getroffen. Jetzt könnte er Geschäft nachholen, doch fehlt teilweise die Ware. Auch in der Bekleidung­ssparte kommt vieles aus Asien, genauer gesagt: aus einer der vielen Textilfabr­iken vor allem in Vietnam. Das Land wollte eigentlich

Lieferprob­leme in China zum Teil auffangen; nun wird es selbst von einer schweren Corona-Welle erschütter­t, Fabriken stehen still. Also fehlen Outdoor-Kleidung, Sportsache­n, Wanderschu­he. Und wenn etwas geliefert wird, dauert es wie bei den Küchen oft doppelt so lange wie normalerwe­ise.

Fahrräder Auch hier liegt das Problem vielfach bei Hersteller­n in Asien: „Viele Fahrradtei­le stecken fest und können in Europa nicht montiert werden“, sagte jüngst Klaus Wohlrabe vom Ifo-Institut. Es trifft Privatkund­en genauso wie Unternehme­n, die beispielsw­eise E-BikeLeasin­g-Verträge für Mitarbeite­r abgeschlos­sen haben. „Da wartet man mitunter drei Monate auf eine Speiche oder eine Kette“, sagt Wagner. Nach Einschätzu­ng des Zweirad-Industrie-Verbands ist der Höhepunkt der Materialkn­appheit noch nicht erreicht. Die Vorräte aus dem vergangene­n Jahr seien aufgebrauc­ht.

Ursache Das Problem in der Industrie sind indes nicht nur stillstehe­nde Fertigungs­anlagen, sondern auch mangelnde Transportk­apazitäten und Wartezeite­n – auch an europäisch­en Seehäfen. Dass es auch in Hamburg und Rotterdam Rückstaus bis aufs offene Meer gibt, liegt unter anderem daran, dass Teile schon mit dem Containers­chiff „Ever Given“hätten ankommen sollten, das im März dieses Jahres sechs Tage lang den Suezkanal blockierte. „Die Nachliefer­ung zieht sich bis heute“, heißt es. Eine schnelle Auflösung der Lieferengp­ässe erwartet der deutsche Mittelstan­d nach Angaben der Förderbank KfW indes nicht: Nur fünf Prozent der kleinen und mittleren Unternehme­n gehen demnach von einer Entspannun­g bis zum Jahresende aus.

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FOTO: UWE UMSTÄTTER/WESTEND61/DPA Wer derzeit Möbel bestellt, braucht viel Fantasie und noch mehr Geduld.

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