Der Automat, der frische Eier „legt“
Auf dem Steinschenhof in Baerl hat Sibille Weyand einen Verkaufsautomaten mit hofeigenen Produkten aufgestellt.
BAERL Hühner pfeifen auf Ladenöffnungszeiten. Sie legen ihre Eier dann, wann es ihnen passt. Natürlich auch an Sonn- und Feiertagen. Auf dem Steinschenhof in Baerl können die Naturprodukte der 350 gefiederten Mitbewohner neuerdings trotzdem jederzeit legefrisch gekauft werden. Möglich macht das ein Warenautomat, den Sibille und Reinhard Weyand im vergangenen Jahr angeschafft haben und der in diesem Frühling so richtig auf Touren kommt.
Im Grunde hat sich Sibille Weyand mit der Verkaufsmaschine ihren 65. Geburtstag versüßt. Denn mit dem gewöhnungsbedürftigen Eintritt ins Rentenalter hat die Landwirtin nach fast 30 Jahren ihren Hofladen an Mitarbeiterin Pilita Beltran übergeben. „Ich wollte aber noch nicht so ganz aufhören“, sagt sie. Beim langsamen Entwöhnen vom Arbeitsleben hilft jetzt der Hofautomat, den die 65-Jährige täglich nicht nur mit Eiern, sondern auch mit anderen regionalen Lebensmitteln und selbst gemachten Produkten bestückt.
Stammkunden kennen die Leckereien vom Baerler Bauernhof schon aus dem Hofladen und können sie jetzt auch noch nach Ladenschluss kaufen. „Das soll keine Konkurrenz sein, sondern eine Ergänzung“, betont Sibille Weyand. Sie ist fast ein bisschen überrascht, wie gut diese Idee nach so kurzer Zeit schon bei den Kunden ankommt. Dazu hat zum einen die Pandemie beigetragen, die dem Einkauf ohne Menschenkontakt einen ganz neuen Stellenwert gegeben hat. Zum anderen ist der Standort des Warenautomaten ein Pluspunkt, denn er liegt direkt am Erlebnisradweg Rheinschiene. Die Ausflügler nutzen das Angebot und legen am Steinschenhof einen Zwischenstopp ein, um gekühlte Säfte und Dinkelkekse am Automaten zu ziehen oder Kartoffeln, Eier, Marmeladen & Co. mit nach Hause zu nehmen.
Sibille Weyand zeigt, wie’s funktioniert: Geld einwerfen, Produkt aussuchen, die passende Nummer drücken und schon lässt der elektronische Kasten die Ware in ein gepolstertes Fach plumpsen und fährt sie zum Ausgabeschacht. Wechselgeld gibt es auch. Bezahlt werden kann mit Münzen und kleinen Scheinen. Für viele ist ein solcher Einkauf kinderleicht, für manche - zum Beispiel ältere Menschen - kann ein Automat als Verkäufer allerdings zum Problem werden.
Auch das hat Sibille Weyand bedacht und die Selbstbedienungsmaschine in einen ehemaligen Bürocontainer integriert, in dem es zusätzlich ein Warenangebot in ganz normalen Regalen gibt. Hier verlässt sich die Chefin auf die Ehrlichkeit der Menschen. Wer sich einen Sack Kartoffeln nimmt, muss das Geld durch eine Schlitz abgezählt in die Kasse werfen. „Vertrauenskästchen“nennt Sibille Weyand den kleinen Tresor. Bisher hat dieser für sie noch ungewöhnliche Handel gut funktioniert. Jeden Morgen zieht die Baerlerin Bilanz und prüft, was gekauft wurde.
Eier in den verschiedensten Größen, kleine Tortenböden, Kartoffeln aus eigenem Anbau, Rübenkraut, Eierlikör, von Sibille Weyand selbst gekochte Marmeladen, Säfte der niederrheinischen Kelterei van Nahmen, eingelegte Gurken, Honig aus der Region – das Sortiment ist bunt und wird je nach Saison angepasst. Allerdings kämpfen die Weyands momentan noch mit den Tücken der Technik. Der Automat lässt sich theoretisch an die verschiedensten Produkte anpassen. Beim Spargel hat das neulich aber nicht funktioniert. „Der blieb immer hängen. Da muss unser Sohn helfen, der kennt sich mit Technik besser aus“, sagt sie.
Sieben Tage pro Woche ist der Steinsche Warenautomat auf dem Hof einsatzbereit. Immer morgens ab acht Uhr; in der Sommerzeit bleibt die Türe bis 21.30 Uhr geöffnet, im Winter bis 20 Uhr. Jetzt, im Frühling, zeigt sich, dass Familien mit Kindern den Einkauf gerne mit einem kleinen Ausflug zu den Hühnern verbinden, die gleich gegenüber vom Verkaufscontainer ihre Freifläche haben. Zwei Ziegen gehören auch noch mit zum Tiergehege. Eigentlich, um die Hühner vor dem Angriff von Greifvögeln zu schützen. Als Kinderattraktion machen sie jetzt aber auch einen guten Job.
Für 50 Cent kann im Selbstbedienungsladen übrigens ein Tütchen Weizenkörner zum Füttern der Hühner gekauft werden. Gratis dazu gibt es Ausmalbilder mit Tiermotiven. Eine kluge Idee: Während die Kinder beschäftigt sind, können die Eltern in Ruhe einkaufen. Erdbeeren sollen als nächstes neu ins Sortiment aufgenommen werden. Und wenn die Weyands den manchmal noch widerspenstigen Automaten gezähmt haben, dann wird es auch was mit dem Spargel und dem Plan, gutes Grillfleisch aus der Region anzubieten.