Eine Hymne für die Füße
Ab 25. Mai kommen Gruppen aus aller Welt zu den Tap Dance Days ins Tanzhaus nach Düsseldorf. Kurator Daniel Luka erklärt, warum Steppen nicht nur Kunst, sondern auch politisch ist.
DÜSSELDORF Um gleich vorweg mit zwei Vorurteilen aufzuräumen: Schön locker in den Füßen bleiben! Und vergesst Riverdance! Tap Dance ist mehr als der irische Showtanz und mehr als Fred Astaire. Tap Dance ist eine Antwort auf Rassismus und Diskriminierung, schwarz und politisch, entstanden aus der Not der Sklaven; weiterentwickelt in verraucht-verruchten Jazzkellern.
Tap-Tänzern muss man das nicht erklären. Vom 25. bis 29. Mai kommen die Communities aus aller Welt zu den Tap Dance Days ins Tanzhaus nach Düsseldorf. Beim letzten LiveEvent 2019 vor der Corona-Pandemie waren es gut 1000 Besucher und Teilnehmer. Dann gingen die Stepptänzer online.
Pünktlich zur Jubiläumsedition des Festivals sind die Fußarbeiter wieder live on Stage – mit einem kostenfreien Event und Tanz vor dem Tanzhaus, einer Gala, einer Buchpräsentation und dem allerersten Residenzprogramm. „1997 mit Buster Brown fing alles an, damals noch in der Werkstatt“, sagt Daniel Luka, Kurator des Festivals. „Es läuft jetzt seit einem Vierteljahrhundert durch. Es ist eines der ältesten Festivals seiner Art der Welt.“
Der Auftakt fällt noch dazu auf einen besonderen Tag: In den USA ist der 25. Mai der National Tap Dance Day, der Geburtstag der Tap-DanceLegende Bill Bojangles Robinson, 1989 wurde der Tag ins Leben gerufen, um an eine originäre amerikanische Kunstform zu erinnern, die auf afrikanische und irische Einflüsse zurückgeht.
„Tap Dance entstand, lange bevor die Schuhe angezogen wurden. Er ist eng mit der Geschichte der USA verknüpft. Er stammt aus der Zeit, als die Sklaven verschifft wurden, und weil man ihnen das Sprechen verboten hatte, verständigten sie sich über Trommeln. Sie nutzten ihren eigenen Körper, um ihrem Bedürfnis nach Kommunikation nachzukommen. Vielleicht auch, weil ihr Leid mit Tanz und Gesang besser zu ertragen war“, erklärt Luka, der in Wuppertal geboren ist und im Alter von fünf Jahren im Fernsehen das Steppen für sich entdeckte.
Beim Tap Dance dächten viele an Fred Astaire, aber der stehe für das weiße Hollywood, sagt der Kurator. Die wahren Botschafter tanzten nicht auf der Leinwand. Sie traten bei Jazz-, Blues- und Swing-Sessions auf: „Bill Bojangles, die Condo- und die Nicholas-Brothers, Gregory Hines sind Namen, die einige vielleicht kennen“, sagt Luka.
„Die Themen, die der Tap Dance transportiert, sind bis heute aktuell: Rassismus und Feminismus“, erzählt Luka. Er zieht den amerikanischen Begriff Tap Dance dem Stepptanz vor. „Flamenco heißt ja auch auf der ganzen Welt Flamenco. In den USA nutze man den Begriff Stepptanz für jede Form der perkussiven Fußarbeit, also auch für die Riverdance-Formate.
„Ich bin immer wieder fasziniert, was man mit zwei Aluminium beschlagenen Schuhen alles machen kann“, sagt Luka. Es sei, als habe man ein Schlagzeugset am Fuß. „Du kannst mit der Ferse auftreten, dann gibt es einen tiefen Sound. Du kannst mit der Fußspitze tappen, das ist heller. Du kannst den ganzen Fuß benutzen, den Ballen, die Innen- oder Außenseite oder auch schlurfen. Du kannst die Abstände verkürzen oder in die Länge ziehen“, erklärt Luka und zeigt einen Trommelwirbel mit den Füßen. Auch wenn das Steppen eher mit Lebensfreude verbunden werde: Es sind auch ernste, traurige, leise und langsame Themen möglich. „Wichtig ist, dass der Fuß entspannt bleibt. Deswegen kann eine Ballettvorbildung, bei der es um gestreckte Füße geht, eher hinderlich sein. Tappen wird aus der Körpermitte gesteuert. Es sind natürliche Bewegungsabläufe.“Der Tanzlehrer schätzt die Community von Düsseldorf auf rund 100 Aktive.
„Was mich auch fasziniert, ist die mündliche Überlieferung. Es gibt kaum Regeln, kein Lehrwerk. Die Technik gilt und ansonsten zählt die Persönlichkeiten beim Tanzen“, sagt Luka. So wie viele Tap-Tänzer zog Luka aus, um die Fußarbeit bei den „Meistern“zu lernen, unter anderem in Paris und New York. „Man kann sehr gut erkennen, wer bei welchem Master gelernt hat.“
Eine Meisterin wird Ende Mai zum Festival ins Tanzhaus kommen: Sarah Petronio. Die inzwischen 80-Jährige wurde einst „First Lady of Swing“genannt. Bei der Eröffnung des Festivals am Mittwoch stellt die Improvisationslegende ihr Buch „Footwork – My Life in Dance“vor. Am 27. Mai widmen ihre Schüler, selbst inzwischen Tap-DanceKoryphäen aus der ganzen Welt, ihr den Abend „It‘s about time“.
Am Samstag bei der Gala ziehen zwölf Künstler, darunter auch Sarah Petronio, die Schuhe mit Aluminium-Beschlag an.
Premiere hat das Residenzprogramm: Zum ersten Mal haben Tänzerinnen und Tänzer aus Kanada, Frankreich und Schweden die Möglichkeit, eine Woche an Ideen und Konzepten zu arbeiten, die dann am Sonntag dem Publikum vorgestellt werden. „So etwas gibt es in unserer Szene noch viel zu selten“, sagt Luka.
Auch zur Eröffnung gibt es eine Besonderheit. Um den Tap Dance Day zu feiern, wird – natürlich – getanzt, und zwar die Nationalhymne der Step- und Swing-Community, der Shim Sham. Es ist ein Reihentanz, der aus Schrittfolgen besteht, die alle Tap-Tänzer vom Anfänger mit Grundkenntnissen bis zum international renommierten Künstler beherrschen. „Er ist so gemacht, dass alle ihn spontan zusammentanzen können, ob du jetzt aus Düsseldorf oder Argentinien kommst“, sagt Luka.