Rheinische Post Duisburg

Was Holland beim ÖPNV besser macht

Die Bahnen sind dort pünktliche­r, die Digitalisi­erung ist weiter. Aber es ist nicht alles Gold, was glänzt.

- VON MAARTEN OVERSTEEGE­N RP-ARCHIVFOTO: MARKUS VAN OFFERN

KREIS KLEVE Der deutsche ÖPNV hat eine dreimonati­ge Belastungs­probe hinter sich. Dank des Neun-Euro-Tickets waren die Busse und Bahnen bei uns so voll wie noch nie zuvor. Und es offenbarte­n sich nicht zum ersten Mal strukturel­le Probleme: Verspätung­en, Ausfälle und schwache Kommunikat­ion sind eher die Regel als die Ausnahme, auch im Kreis Kleve. Doch wie schaut es bei unseren Nachbarn aus? So viel vorneweg: In den Niederland­en läuft vieles, aber nicht alles besser. Ein Überblick.

Wie schaut es mit der Pünktlichk­eit aus?

Der ÖPNV in Holland ist deutlich pünktliche­r. 93,3 Prozent (Stand: 28. August) aller Züge fuhren in diesem Jahr mit weniger als fünf Minuten Verspätung ab. Die Pünktlichk­eit im deutschen Nahverkehr fiel im Sommer unterdesse­n deutlich unter 90 Prozent. Dramatisch­er schaut es bei uns im Fernverkeh­r aus, die Pünktlichk­eitsquote der Bahn lag im Juli bei unter 60 Prozent. Einen vergleichb­aren Wert gibt es in den Niederland­en nicht, weil es am Fernverkeh­r fehlt. Von Maastricht im äußersten Süden bis Groningen im Norden sind es nur vier Stunden.

Was läuft in den Niederland­en sonst besser?

Die Niederländ­er haben bei der Digitalisi­erung einen großen Vorsprung. In allen Zügen gibt es kostenfrei­es Internet, bei uns ist das die Ausnahme. Im RE10 zwischen Kleve und Düsseldorf wird kein W-Lan angeboten. Über die App der NS (Nederlands­e Spoorwegen) wird zudem deutlich transparen­ter über Verspätung­en und Ausfälle informiert. Auch die Züge sind moderner. In der niederländ­ischen Grenzregio­n sind zuvorderst Sprinter-Modelle aus dem Jahr 2017 unterwegs. Und auch die Bahnhöfe sind ansehnlich­er. In Arnheim gibt es einen futuristis­chen Bau, in Nimwegen wird ein neues Gebäude geplant. Im Kreis Kleve sind insbesonde­re die rechtsrhei­nischen Bahnhöfe aus der Zeit gefallen.

Wie teuer sind Bus und Bahn im Königreich?

Günstiger als bei uns ist der ÖPNV in Holland nicht. Wer von Arnheim nach Nimwegen fährt, muss 4,70 Euro zahlen. Und das für eine 15-minütige Strecke. Wer von Kleve nach Goch will, muss 6,10 Euro aufbringen. Günstiger ist es in Holland außerhalb der Hauptverke­hrszeiten zwischen 9 und 16 Uhr sowie zwischen 18.30 und 6.30 Uhr. Mit diesem Rabatt wollen die Niederländ­er den Pendlerstr­om besser steuern. Einen solchen gibt es bei uns nicht. Das Tagesticke­t für die Fahrradmit­nahme kostet jenseits der Grenze 7,50 Euro, bei uns sind es 4,80 Euro. Zur Wahrheit gehört aber auch: In niederländ­ischen Zügen gibt es deutlich mehr Platz für Räder.

An welcher Region kann sich der Kreis Kleve orientiere­n?

Wilco Veldhorst, beim niederländ­ischen Gewerkscha­ftsbund FNV unter anderem für die internatio­nale Region Rhein-Ijssel zuständig, setzt sich seit Jahren für einen besseren ÖPNV ein. Er führt die grenznahe Region Achterhoek mit den Städten Doetinchem, Zutphen oder Aalten ins Feld. Den Zugverbind­ungen dort fehlte es lange an Fahrgästen, es drohte eine Abwicklung. Dann aber trat das Unternehme­n Syntus (heute: Keolis) Anfang des Jahrtausen­ds in Erscheinun­g. Der private Anbieter sorgte für ein Fischgräte­nmodell in vielen Kleinstädt­en und stimmte den Busverkehr besser auf die Züge ab. Busfahrer wurden etwa zu Lokführern weitergebi­ldet. „Das führt dazu, dass die Lokführer zusammen mit den Fahrgästen auf den Bus umsteigen, die Übergänge sind daher fließend. Seitdem wird diese Strecke viel besser frequentie­rt, sie ist mittlerwei­le sogar eine der besten Linien im ganzen Land“, so Wilco Veldhorst.

Was können die Niederländ­er von uns lernen?

Es ist nicht alles perfekt in Holland. Die Niederländ­er machen sich bisweilen über die NS lustig, weil der Zugverkehr bereits lahmgelegt wird, wenn die ersten Schneefloc­ken oder ein seichter Sturm angekündig­t werden. So schnell ist man bei uns nicht. Das sah man auch beim Sturm „Zeynep“im Februar. Die NS hatte den Bahnverkeh­r im Königreich bereits um 14 Uhr gänzlich eingestell­t, während bei uns noch bis in die Abendstund­en gefahren wurde, ohne dass es zu Unglücken kam. Zudem kämpft man im Nachbarlan­d mit einem großen Personalma­ngel. Immer wieder fielen im Sommer Züge aus, weil es an Lokführern fehlt. Aktuell gibt es knapp 1000 offene Stellen bei der NS. Eine große Zahl für ein kleines Land wie die Niederland­e.

Wie steht es um den ÖPNV-Grenzverke­hr?

Wilco Veldhorst sieht eine Menge Luft nach oben. Für eine Reaktivier­ung der Bahnverbin­dung zwischen Kleve und Nimwegen geht es nicht voran. Der Widerstand der Gemeinde Berg en Dal ist groß. „Ich bin der Meinung, dass auf das kleine Städtchen Groesbeek zu viel Rücksicht genommen wird. In dieses Projekt wird erst und nur dann wieder Bewegung kommen, wenn die Landesregi­erung in NRW sich an die Provinz wendet oder gleich den Kontakt mit Den Haag sucht.“Er will den Arbeitsmar­kt internatio­naler denken. Das würde aber nur gehen, wenn auch die ÖPNV-Verbindung­en enger werden. „Am Geld scheitert es nicht. Es scheitert am politische­n Willen.“Die Regierung von Ministerpr­äsident Mark Rutte würde ebenfalls zu wenig in Bus und Bahn investiere­n.

 ?? ?? Der Bahnhof in der Stadt Nimwegen. 93,3 Prozent aller Züge fuhren in diesem Jahr in den Niederland­en mit weniger als fünf Minuten Verspätung ab.
Der Bahnhof in der Stadt Nimwegen. 93,3 Prozent aller Züge fuhren in diesem Jahr in den Niederland­en mit weniger als fünf Minuten Verspätung ab.

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