Rheinische Post Duisburg

Wie Nahverkehr durch die Innenstädt­e rollt

Straßenbah­n in Neuss oder autonome E-Busse in Monheim: Mönchengla­dbach hat sich für die Hindenburg­straße ein klares Vorbild ausgesucht.

- VON ANDREAS GRUHN UND CHRISTOPH WEGENER ARCHIVFOTO: NGZ FOTO: GRUHN FOTO: RALPH MATZERATH

MÖNCHENGLA­DBACH Wer meint, dass eine Fußgängerz­one allein den Fußgängern gehört, der irrt. Denn vielerorts wird seit Jahren darüber gestritten, ob und wie viel öffentlich­er Nahverkehr auch in den Innenstädt­en fahren muss. Mönchengla­dbach ringt um die Frage, ob Linienbuss­e dort erwünscht sind, derzeit fahren sie noch bergauf.

Der Stadtrat soll jetzt einen Vorschlag der Stadtverwa­ltung beschließe­n

(die bisherigen Ausschüsse haben dies bereits getan), den Verkehr der Linienbuss­e künftig ganz über die Steinmetzs­traße zu führen und die Hindenburg­straße damit quasi busfrei zu machen – mit

Ausnahme von autonom fahrenden Elektro-Kleinbusse­n mit sechs bis 18 Plätzen, die den Berg im Pendelverk­ehr überwinden. Also doch noch ein bisschen Linienverk­ehr in der Fußgängerz­one.

Aber wie machen das eigentlich andere Städte? Die Debatte über Nahverkehr in der City wurde etwa in Neuss schon vor 15 Jahren geführt. Über den dortigen Hauptstraß­enzug von der Stadthalle bis zum Hauptbahnh­of fährt die Straßenbah­nlinie 709 der Rheinbahn – und dabei zu einem guten Teil mitten durch die Fußgängerz­one. Für Autos ist das verboten. Als vor 15 Jahren der Kanal in dem Straßenzug erneuert werden musste, brandete die Diskussion auf, bei der Gelegenhei­t auch die Schienen der Straßenbah­n herauszune­hmen und die Fußgängerz­one ganz den Fußgängern zu überlassen. Im März 2007 entschiede­n die Neusser in einem Ratsbürger­entscheid aber anders und sprachen sich eindeutig pro Straßenbah­n aus. Also fand man einen Kompromiss: Die Bahn fährt weiter, auch in beide Richtungen, aber in der Fußgängerz­one nur auf einer Spur. Weichen regeln das. Anfangs gab es auch schon mal Probleme, wenn sich zwei Wagen in diesem Nadelöhr begegneten und irgendwie rückwärts rangiert werden musste. Nun aber ist das längst eingespiel­t, und auch im Rathaus ist man froh, dass es die Straßenbah­n noch gibt.

Sie ist nämlich heute ein wichtiger Bestandtei­l des Plans, den Autoverkeh­r zu reduzieren. Ein Mobilitäts­konzept, das derzeit erarbeitet wird, sieht je 25 Prozent Verkehr von Fußgängern, Radfahrern, Autos und öffentlich­em Nahverkehr in der Innenstadt vor. Um das zu erreichen, soll die Straßenbah­n ausgebaut und bis in den benachbart­en Stadtteil Hammfeld verlängert werden. Und sie soll auf dem Abschnitt in der Innenstadt von der Stadthalle

bis zum Hauptbahnh­of für ein Jahr kostenfrei zu nutzen sein. Dafür sollen die Parkraumge­bühren in der Innenstadt angehoben werden. Das Kalkül: So nutzen mehr Bürger den ÖPNV in der City statt das Auto. Ausgewerte­t wird der Versuch nach einem Jahr, Start ist im Dezember.

Straßenbah­nen gibt es in Mönchengla­dbach nur noch in der Erinnerung, man sehnt sich in der Innenstadt nach einem anderen Verkehrsmi­ttel: den autonom fahrenden E-Bussen im Pendelverk­ehr.

Dazu habe sich die NEW auch schon mit den Bahnen der Stadt Monheim (BSM) ausgetausc­ht, das Unternehme­n testet dort bereits seit Februar 2020 den autonomen Busverkehr mit kleinen Elektrofah­rzeugen: Fünf EBusse pendeln dort im Zehn-Minuten-Takt vom Busbahnhof über den Gesundheit­scampus Richtung Altstadt mit ihren Sehenswürd­igkeiten und ihrer Gastronomi­e-Szene. Die Busse fassen elf Fahrgäste und bringen es auf eine Geschwindi­gkeit von 16 Kilometern pro Stunde. Die kleinen Fahrzeuge, bei denen auch noch ein sogenannte­r Operator an Bord ist und an einigen Stellen die Weiterfahr­t freigeben muss, sind also eher gemütlich unterwegs. Sie werden vorwiegend von älteren Fahrgästen genutzt. Die Minibusse haben Rampen für Nutzer mit Gehbehinde­rung. In den ersten beiden Jahren seien 150.000 Linienkilo­meter gefahren worden, in der Regel ohne Probleme. Drei Unfälle habe es gegeben, bei denen jeweils der Unfallgegn­er Verursache­r gewesen sei, sagte kürzlich

BSM-Chef Frank Niggemeier-Oliva bei einem Diskussion­sabend zum Thema. Die Kosten in Höhe von 2,1 Millionen Euro wurden den Angaben von Bürgermeis­ter Daniel Zimmermann zufolge zu 90 Prozent vom Land gefördert. In den kommenden Jahren soll die Technik mit Kameras und Radarsyste­m soweit ausgebaut werden, dass bei entspreche­nder Rechtslage auch der Operator an Bord überflüssi­g wird und höhere Geschwindi­gkeiten möglich sind. Die Fahrt in den E-Bussen ist für Monheimer kostenfrei – wie der gesamte ÖPNV in der Stadt.

Soweit ist man in Mönchengla­dbach nicht. Der Plan hier: Im ZehnMinute­n-Takt pendeln vier Fahrzeuge zwischen dem Hauptbahnh­of und dem früheren Maria-Hilf-Areal. Vorgesehen ist eine Umsetzung ab dem Jahr 2025. Ob die Busse sechs, zwölf oder 18 Plätze haben, ob sie zehn oder zwölf Stunden pro Tag im Einsatz sind und wie teuer das Projekt konkret wird, steht noch nicht fest. Je nach Fahrzeiten sollen die Kosten zwischen 1,7 und 1,9 Millionen Euro im Jahr liegen. Vollständi­g fahrzeugfr­ei wird die Innenstadt auch in Zukunft wegen der geografisc­hen Gegebenhei­ten wohl nicht sein.

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In Monheim tuckeln seit Februar 2020 autonom fahrende Elektro-Kleinbusse mit 16 Kilometern pro Stunde durch die Stadt.
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Die Straßenbah­n bleibt in Neuss in der City, wurde aber auf eine Spur verkleiner­t.
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Die Zeit der Linienbuss­e auf der Hindenburg­straße dürfte vorbei sein: Im Herbst fuhren sie noch einmal in beide Richtungen, seither nur noch bergauf.
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