Im Eiltempo zu neuen Kernkraftwerken
Frankreichs Präsident Macron will bis zu 14 neue Atommeiler bauen und die alten länger laufen lassen.
PARIS Während die Regierung sich noch mit der Rentenreform abmüht, schaut Emmanuel Macron bereits in die Zukunft. Und zwar bis zum Jahr 2035, wenn in Frankreich gleich mehrere neue Atomkraftwerke ans Netz gehen sollen. Der Präsident hatte die „nuklearen Wiedergeburt“vor einem Jahr in einer energiepolitischen Rede angekündigt, mit der er das Land nach Jahren des Zweifelns wieder auf klaren Atomkraftkurs brachte. Nun drängt er darauf, dass seine Pläne auch schnell umgesetzt werden. „Das Wiederankurbeln der Atomkraft ist eine prioritäre Baustelle für unser Land“, hieß es nach dem Treffen mit mehreren Ministern und den Chefs der Atomaufsichtsbehörden am Freitag.
Ein entsprechender Gesetzentwurf ist dafür bereits auf dem Weg: Der Senat beschloss Ende Januar mit großer Mehrheit, für den Bau neuer Atomkraftwerke administrative Hürden abzubauen. „Die Atomkraft muss die Speerspitze der französischen Energiepolitik in den kommenden 30 Jahren sein“, sagte die Senatorin der Zentrumspartei, Amel Gacquerre. Die von den Konservativen dominierte Parlamentskammer strich das von Macron in seiner ersten Amtszeit formulierte Ziel, den Anteil an Atomstrom bis 2035 auf 50 Prozent zurückzufahren. Bisher macht die aus Atomkraftwerken gewonnene Energie 70 Prozent des Strommixes aus. Damit ist Frankreich das Land mit dem meisten Atomstrom in Europa – mit Abstand. Für Macron war der Senatsbeschluss nur noch symbolisch, da er mit dem Bau weiterer Atomkraftwerke seine früheren Pläne ohnehin schon begraben hatte.
Offiziell wird die Energiepolitik Frankreichs in mehrjährigen Planungsgesetzen festgelegt, von denen das nächste im Sommer ansteht. Schon jetzt ist aber sicher, dass darin der Ausbau der Atomenergie stehen wird, von der 60 Prozent der Französinnen und Franzosen ein positives Bild haben.
Daneben sollen auch die erneuerbaren Energien schneller vorankommen. Laut einem Gesetzentwurf sollen die Genehmigungsverfahren für Solar- und Windparks vereinfacht werden. Dennoch dürfte Frankreich seine eigenen Ziele bei Wind und Sonne verfehlen. Für 2023 sah der Plan neue Produktionskapazitäten über 24 Gigawatt vor, doch es dürften nur gut 20 Gigawatt erreicht werden. Damit hat Frankreich als einziges EU-Mitglied die Richtlinie aus Brüssel verfehlt.
Dafür ist das Land bei der Atomkraft umso ehrgeiziger: Sechs neue Druckwasserreaktoren EPR will Macron bis 2035 bauen lassen, wie er vor einem Jahr ankündigte. Acht weitere sowie kleinere Reaktoren könnten noch dazukommen. Um „le nucléaire“zu stärken, schreckt Macron auch nicht davor zurück, die durchschnittlich 37 Jahre alten, pannenanfälligen Atomkraftwerke länger als 50 Jahre laufen zu lassen. Die Atomsicherheitsbehörde ASN solle eine Laufzeitverlängerung über 60 Jahre hinaus prüfen, teilte das Präsidialamt mit. Das könnte auch die Anlage in Cattenom in der Nähe des Saarlandes und Luxemburgs treffen, wo der Reaktor Nummer eins nach monatelanger Zwangspause diese Woche wieder ans Netz ging.