DVG-Dauerkrise: Stadt will reagieren
Ausfälle, Überfüllung, Dauerärger: Die Stadt Duisburg bescheinigt, dass die Kapazitäten von 901, 903 und U79 nicht ausreichen – und macht einen Vorschlag.
(pw) Diese bürokratisch formulierte Diagnose zum schienengebundenen Angebot der Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG) ist für Fahrgäste der Straßenbahnlinien 901 und 903 nichts Neues – dramatisch ist sie dennoch: „Selbst im Regelangebot reichen die Fahrgastkapazitäten für den im Nahverkehrsplan definierten Standard zur qualifizierten Beförderung nicht aus.“
So steht’s in einer Beschlussvorlage der Stadtverwaltung für den Rat, die jüngst erstmals im Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr auf der Tagesordnung stand. Heißt: Die DVG erbringt auch aus Sicht der Stadt nicht die vereinbarten Leistungen. Die Aufgabenträgerin des ÖPNV will darauf mit einer „Teilfortschreibung des 3. Nahverkehrsplanes zum Thema Taktverdichtung Schiene“reagieren. Damit soll der Rat die Verwaltung in der Sitzung am kommenden Donnerstag, 9. Februar, beauftragen.
Dieser dritte und aktuelle Nahverkehrsplan wurde 2017 mit großer Mehrheit vom Rat beschlossen. Die neuen Fahrpläne lösten vor und nach ihrer Einführung im Oktober 2019 Proteste aus. Dabei betrafen die Änderungen die Linienführung des Busverkehrs. Auf diesen entfielen vor Corona bei der DVG nicht mal 30 Prozent der Fahrten – obwohl es lediglich drei schienengebundene Linien in Duisburg gibt (901, 903 U79).
Trotz der damals bereits sehr hohen Auslastung der Bahnen aber wurde deren Netz durch den Nahverkehrsplan nicht gestärkt: „Aufgrund des hohen Finanzierungsbedarfs und der langen Planungsvorläufe, die mit einer Ausweitung im Straßenund Stadtbahnangebot verbunden sind, wurde bei den Maßnahmenvorschlägen zunächst auf den Busverkehr abgezielt“, rechtfertigt das zuständige Dezernat für Stadtentwicklung, Mobilität und Sport die Entscheidung von damals nun.
Dieses „Defizit“mache sich „fortlaufend durch die Kundenresonanz [...] bemerkbar“. Dies sei auch die Rückmeldung der Kundschaft „in den Beteiligungsformaten zum gesamtstädtischen Mobilitätskonzept“, das derzeit von der Verwaltung erarbeitet werde. Zwischenfazit: „Nach bisherigen Ergebnissen besteht ein Schwerpunkt in der Forderung nach einem Ausbau des ÖPNV-Angebotes.“
Das sind freilich keine neuen Erkenntnisse – die Dauerkrise auf den Bahnlinien ist offensichtlich, fiel in der Corona-Krise nur nicht so stark auf. Die Linien 901 und 903 stehen immer wieder in der Kritik. Und auch auf der Stadtbahnlinie U79 leiden die Passagiere täglich unter dem Fahrzeugmangel der DVG: Seit dem 7. November fahren die Bahnen in Duisburg wie berichtet auch zu den Hauptverkehrszeiten nur noch im 15-Minuten-Takt.
Die städtischen Verkehrsplaner halten fest: „Durch steigenden Fahrgastzuwachs und den derzeitigen Mangel an verfügbaren Fahrzeugen kommt es immer wieder zu starken Überfüllungen einzelner Kurse.“
Und die Situation wird sich 2023 wohl noch verschärfen – nicht nur, weil im Mai das 49-Euro-Ticket starten soll, das zu einem erhöhten Passagieraufkommen führen dürfte: Erstens bleibt die Auslieferung der insgesamt 49 neuen Straßenbahnen durch Hersteller Alstom eine prekäre Hängepartie. Es ist weiter unklar, wie viele neue Fahrzeuge noch 2023 im Fahrgastbetrieb eingesetzt werden können. Und zweitens müssen 2023 viele der alten Bahnen vom Typ GT-10 zur Hauptuntersuchung. Schon bei der bislang letzten HU 2015 hatte es für die DVG ein böses Erwachen gegeben, weil mehrere Bahnen endgültig aus dem Verkehr gezogen werden mussten.
Die städtischen Verkehrsplaner wollen in dieser dramatischen Lage angehen, was bereits im 2017 beschlossenen Nahverkehrsplan empfohlen wurde: „eine Stärkung bzw. ein Ausbau des Straßen- und Stadtbahnnetzes innerhalb des Stadtgebietes, um die Attraktivitätsvorteile der schienengebundenen Verkehrsmittel zu nutzen“. Dafür sei nun auch Gelegenheit, weil die sogenannten Schlüsselzuweisungen des Landes NRW an die Stadt 2023 mit 764 Millionen Euro um rund 82 Millionen Euro höher ausfallen als geplant.
Im November beauftragte der Rat darum den Oberbürgermeister, „Konzepte zur Verbesserung der Lebensqualität und der finanziellen Entlastung“der Bürger zu erarbeiten. Sören Link sagte, die Stadt habe als Haushaltssicherungskommune in den vergangenen Jahren zu wenig in die Verkehrswende investiert. Für zusätzliche Investitionen bleiben unter dem Strich erstmal allerdings „nur“19 Millionen Euro insgesamt, und SPD und CDU wollen lediglich drei davon in den ÖPNV stecken. Zur Einordnung: Eine der bestellten Alstom-Bahnen kostet etwa 2,8 Millionen Euro. Das Ziel müsse dennoch „der Fünf-MinutenTakt ab 2025“auf den Schienen sein, erklärte CDU-Fraktionschef Thomas Mahlberg ein ehrgeiziges Ziel.
Obwohl 901, 903 und U79 ihren aktuellen Takt wegen der vielen Ausfälle schon nicht einhalten können, sollen sie künftig häufiger verkehren. Für die Umsetzung müssen Stadt und DVG eine lange Liste an Voraussetzungen „prüfen und konkretisieren“, etwa: Wie viele zusätzliche Fahrzeuge und wie viel zusätzliches Personal ist notwendig? Reichen die Kapazitäten der Tunnelanlagen und auf dem Betriebshof überhaupt für einen Fünf-Minuten-Takt?
Das Dezernat des Beigeordneten Martin Linne will mit der DVG das Konzept erarbeiten und erforderlichen Finanzbedarf abschätzen. Ernüchternd ist freilich bereits der in der Beschlussvorlage avisierte Zeitplan: „Für eine möglichst zeitnahe Umsetzung (nach derzeitigen Planungen bestenfalls 2026)“sei der Beschluss des Rats 2023 erforderlich, „damit Fahrzeuge im derzeitigen Beschaffungsvorgang für die Ersatzfahrzeuge der alten GT-10 NC Straßenbahnfahrzeuge optional bestellt werden können.“Solche Nachbestellungen bei Alstom seien nämlich nur bis Ende 2023 möglich.