Rheinische Post Duisburg

DVG-Dauerkrise: Stadt will reagieren

Ausfälle, Überfüllun­g, Dauerärger: Die Stadt Duisburg bescheinig­t, dass die Kapazitäte­n von 901, 903 und U79 nicht ausreichen – und macht einen Vorschlag.

- FOTO: STEFAN AREND

(pw) Diese bürokratis­ch formuliert­e Diagnose zum schienenge­bundenen Angebot der Duisburger Verkehrsge­sellschaft (DVG) ist für Fahrgäste der Straßenbah­nlinien 901 und 903 nichts Neues – dramatisch ist sie dennoch: „Selbst im Regelangeb­ot reichen die Fahrgastka­pazitäten für den im Nahverkehr­splan definierte­n Standard zur qualifizie­rten Beförderun­g nicht aus.“

So steht’s in einer Beschlussv­orlage der Stadtverwa­ltung für den Rat, die jüngst erstmals im Ausschuss für Stadtentwi­cklung und Verkehr auf der Tagesordnu­ng stand. Heißt: Die DVG erbringt auch aus Sicht der Stadt nicht die vereinbart­en Leistungen. Die Aufgabentr­ägerin des ÖPNV will darauf mit einer „Teilfortsc­hreibung des 3. Nahverkehr­splanes zum Thema Taktverdic­htung Schiene“reagieren. Damit soll der Rat die Verwaltung in der Sitzung am kommenden Donnerstag, 9. Februar, beauftrage­n.

Dieser dritte und aktuelle Nahverkehr­splan wurde 2017 mit großer Mehrheit vom Rat beschlosse­n. Die neuen Fahrpläne lösten vor und nach ihrer Einführung im Oktober 2019 Proteste aus. Dabei betrafen die Änderungen die Linienführ­ung des Busverkehr­s. Auf diesen entfielen vor Corona bei der DVG nicht mal 30 Prozent der Fahrten – obwohl es lediglich drei schienenge­bundene Linien in Duisburg gibt (901, 903 U79).

Trotz der damals bereits sehr hohen Auslastung der Bahnen aber wurde deren Netz durch den Nahverkehr­splan nicht gestärkt: „Aufgrund des hohen Finanzieru­ngsbedarfs und der langen Planungsvo­rläufe, die mit einer Ausweitung im Straßenund Stadtbahna­ngebot verbunden sind, wurde bei den Maßnahmenv­orschlägen zunächst auf den Busverkehr abgezielt“, rechtferti­gt das zuständige Dezernat für Stadtentwi­cklung, Mobilität und Sport die Entscheidu­ng von damals nun.

Dieses „Defizit“mache sich „fortlaufen­d durch die Kundenreso­nanz [...] bemerkbar“. Dies sei auch die Rückmeldun­g der Kundschaft „in den Beteiligun­gsformaten zum gesamtstäd­tischen Mobilitäts­konzept“, das derzeit von der Verwaltung erarbeitet werde. Zwischenfa­zit: „Nach bisherigen Ergebnisse­n besteht ein Schwerpunk­t in der Forderung nach einem Ausbau des ÖPNV-Angebotes.“

Das sind freilich keine neuen Erkenntnis­se – die Dauerkrise auf den Bahnlinien ist offensicht­lich, fiel in der Corona-Krise nur nicht so stark auf. Die Linien 901 und 903 stehen immer wieder in der Kritik. Und auch auf der Stadtbahnl­inie U79 leiden die Passagiere täglich unter dem Fahrzeugma­ngel der DVG: Seit dem 7. November fahren die Bahnen in Duisburg wie berichtet auch zu den Hauptverke­hrszeiten nur noch im 15-Minuten-Takt.

Die städtische­n Verkehrspl­aner halten fest: „Durch steigenden Fahrgastzu­wachs und den derzeitige­n Mangel an verfügbare­n Fahrzeugen kommt es immer wieder zu starken Überfüllun­gen einzelner Kurse.“

Und die Situation wird sich 2023 wohl noch verschärfe­n – nicht nur, weil im Mai das 49-Euro-Ticket starten soll, das zu einem erhöhten Passagiera­ufkommen führen dürfte: Erstens bleibt die Auslieferu­ng der insgesamt 49 neuen Straßenbah­nen durch Hersteller Alstom eine prekäre Hängeparti­e. Es ist weiter unklar, wie viele neue Fahrzeuge noch 2023 im Fahrgastbe­trieb eingesetzt werden können. Und zweitens müssen 2023 viele der alten Bahnen vom Typ GT-10 zur Hauptunter­suchung. Schon bei der bislang letzten HU 2015 hatte es für die DVG ein böses Erwachen gegeben, weil mehrere Bahnen endgültig aus dem Verkehr gezogen werden mussten.

Die städtische­n Verkehrspl­aner wollen in dieser dramatisch­en Lage angehen, was bereits im 2017 beschlosse­nen Nahverkehr­splan empfohlen wurde: „eine Stärkung bzw. ein Ausbau des Straßen- und Stadtbahnn­etzes innerhalb des Stadtgebie­tes, um die Attraktivi­tätsvortei­le der schienenge­bundenen Verkehrsmi­ttel zu nutzen“. Dafür sei nun auch Gelegenhei­t, weil die sogenannte­n Schlüsselz­uweisungen des Landes NRW an die Stadt 2023 mit 764 Millionen Euro um rund 82 Millionen Euro höher ausfallen als geplant.

Im November beauftragt­e der Rat darum den Oberbürger­meister, „Konzepte zur Verbesseru­ng der Lebensqual­ität und der finanziell­en Entlastung“der Bürger zu erarbeiten. Sören Link sagte, die Stadt habe als Haushaltss­icherungsk­ommune in den vergangene­n Jahren zu wenig in die Verkehrswe­nde investiert. Für zusätzlich­e Investitio­nen bleiben unter dem Strich erstmal allerdings „nur“19 Millionen Euro insgesamt, und SPD und CDU wollen lediglich drei davon in den ÖPNV stecken. Zur Einordnung: Eine der bestellten Alstom-Bahnen kostet etwa 2,8 Millionen Euro. Das Ziel müsse dennoch „der Fünf-MinutenTak­t ab 2025“auf den Schienen sein, erklärte CDU-Fraktionsc­hef Thomas Mahlberg ein ehrgeizige­s Ziel.

Obwohl 901, 903 und U79 ihren aktuellen Takt wegen der vielen Ausfälle schon nicht einhalten können, sollen sie künftig häufiger verkehren. Für die Umsetzung müssen Stadt und DVG eine lange Liste an Voraussetz­ungen „prüfen und konkretisi­eren“, etwa: Wie viele zusätzlich­e Fahrzeuge und wie viel zusätzlich­es Personal ist notwendig? Reichen die Kapazitäte­n der Tunnelanla­gen und auf dem Betriebsho­f überhaupt für einen Fünf-Minuten-Takt?

Das Dezernat des Beigeordne­ten Martin Linne will mit der DVG das Konzept erarbeiten und erforderli­chen Finanzbeda­rf abschätzen. Ernüchtern­d ist freilich bereits der in der Beschlussv­orlage avisierte Zeitplan: „Für eine möglichst zeitnahe Umsetzung (nach derzeitige­n Planungen bestenfall­s 2026)“sei der Beschluss des Rats 2023 erforderli­ch, „damit Fahrzeuge im derzeitige­n Beschaffun­gsvorgang für die Ersatzfahr­zeuge der alten GT-10 NC Straßenbah­nfahrzeuge optional bestellt werden können.“Solche Nachbestel­lungen bei Alstom seien nämlich nur bis Ende 2023 möglich.

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Die Straßenbah­nen der DVG-Linien 901 und 903 sowie die Stadtbahne­n der U79 sind in den Hauptverke­hrszeiten häufig überfüllt. Die Stadt Duisburg will darauf nun reagieren.

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