Rheinische Post Duisburg

Der Körper ist nur das Fahrgestel­l

Prof. Dietrich Grönemeyer sprach im Lehmbruck-Museum über „Mensch sein”.

- VON PETER KLUCKEN Die Ausstellun­g „Gormley/Lehmbruck: Calling the Body“bleibt noch bis zum 26. Februar im Lehmbruck-Museum.

Man merkte es Dietrich Grönemeyer an, wie begeistert er vom Lehmbruck-Museum ist. Der renommiert­e Arzt, Wissenscha­ftler und Buchautor schlug im Laufe des öffentlich­en Gesprächs mit dem wissenscha­ftlichen Mitarbeite­r Jörg Mascherrek sogar vor, im Museum mal einen Ärztekongr­ess stattfinde­n zu lassen. Denn, so Grönemeyer, Künstler und Ärzte seien jeweils auf ihre Weise Diagnostik­er. Da Mascherrek seinen Gast im Rahmen des Begleitpro­gramms zur Ausstellun­g „Gormley/Lehmbruck: Calling the Body“eingeladen hatte, verwies Grönemeyer denn auch auf die Werke des weltbekann­ten britischen Künstlers. So zum Beispiel auf dessen Skulptur, die einen ansonsten lebensgroß­en Menschen zeigt, der seine Arme weit ausbreitet; sehr weit, so dass die seitwärts ausgebreit­eten Arme eine Spannweite von 5,60 Meter haben. Grönemeyer sah darin ein wunderbare­s Bild über das Verhältnis von Mensch und Welt. Es könne ein großes Willkommen oder auch ein großes Auf-Distanz-Halten sein. Kunst, so Grönemeyer, lasse die Betrachter innehalten, tue den Menschen oft viel Gutes.

„Was ist für Sie der Mensch?“, fragte Mascherrek, der Grönemeyer­s Bücher gut kennt, einleitend. Grönemeyer­s Antwort zeigte denn auch sein menschenfr­eundliches Weltbild. „Der Mensch ist mein Zuhause. Er ist acht Milliarden Male gleich, doch jedesmal einzigarti­g.“Mascherrek lenkte das Gespräch auch zu Fragen nach den letzten Dingen, die beim Sterben münden. Grönemeyer berichtete von seinem lebensgefä­hrlichen Unfall vor 30 Jahren, vom Tod seines Bruders Wilhelm, der nur 44 Jahre alt wurde, und dem kurz darauf erfolgten Tod seiner Schwägerin, der Ehefrau seines Bruders Herbert. Angesichts des Todes sei die Angst davor erstaunlic­herweise wie verflogen gewesen. Für ihn sei es ein Trost, dass Eiweiße und Moleküle unseres Körpers auch nach dem Tod weiter bestünden. „Wir sind unendlich“, so Grönemeyer und fügte hinzu: „Was mit der Seele ist, wissen wir nicht.“

Ein großes Thema war Grönemeyer­s ganzheitli­cher Blick auf den Menschen. Der Körper sei nur das Fahrgestel­l. Ein guter Arzt blicke auf den Menschen als Individuum, beschränke sich nicht aufs „Fahrgestel­l“, sondern frage auch nach seinem Denken und Fühlen. Diese Sichtweise habe als praktische Konsequenz, dass das Gespräch zwischen Arzt und Patient gepflegt werden müsse. Bei der Abrechnung­spraxis werde das leider nicht berücksich­tigt. Grönemeyer schlägt ein neues Krankenkas­sensystem vor, das er „privasetzl­ich“nennt und Lücken im bisherigen System schließen soll. Er plädiert für die Zusammenar­beit verschiede­ner medizinisc­her Diszipline­n. Schulmediz­in, Naturheilk­unde und auch Erfahrunge­n aus der Volksmediz­in sollten sich nicht gegenseiti­g ausschließ­en. Gleichwohl müsse man oft auch pragmatisc­h vorgehen. So könne der Einsatz von Telemedizi­n in vielen Fällen durchaus sinnvoll sein und wertvolle Zeit sparen.

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FOTO: ANDREAS PROBST Jörg Mascherrek (l.) und Dietrich Grönemeyer vor Lehmbrucks Skulptur „Die Sinnende“.

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