Rheinische Post Duisburg

Auf der Suche nach dem Glück

In Duisburg steht die erfolgreic­hste Spielbank Deutschlan­ds. Hunderttau­sende Menschen warten hier jedes Jahr auf ihren großen Moment.

- VON MARC LATSCH

Es blinkt und piepst überall, während Michael Wiebeck durch den Raum führt. Es ist Dienstagmi­ttag, halb zwei. Doch hier drinnen spielt das keine Rolle. Dass es noch so früh ist, ist nur daran erkennbar, dass die meisten Menschen vor den blinkenden Geräten die 60 bereits sichtlich überschrit­ten haben. Wiebeck trägt ein graugemust­ertes Jackett mit einem kleinen Anstecker in Form einer Sonne, darunter ein blaues Hemd und eine graue Krawatte. Er zeigt auf die Geräte neben ihm und sagt Sätze wie „Das sind Multi-Gamer“und „Das ist sehr unterhalts­am.“

Er ist Herr über die Duisburger Spielbank, die besucherst­ärkste in Deutschlan­d. Nach der Eröffnung 2007 kamen innerhalb eines Jahres rund 700.000 Menschen zum Spielen in die Duisburger Innenstadt. 2022 sollen es, noch von Corona beeinfluss­t, immerhin „weit über 300.000“gewesen sein. Genauere Zahlen will die Gauselmann-Gruppe, die die Spielbank unter dem Logo ihrer berühmten Merkur-Sonne betreibt, nicht veröffentl­ichen.

Vor dem Rundgang sitzen Wiebeck, Merkur-Spielbanke­n-Geschäftsf­ührer David Schnabel und Sprecher Mario Hoffmeiste­r an einem Tisch im Bar-Bereich des Casinos. 2021 hat Gauselmann die vier Spielbanke­n in NRW übernommen, einen fünfte soll bald eröffnet werden. Sechs sind gesetzlich zulässig. Der Kauf war das Ergebnis eines Privatisie­rungsproze­sses der LandesSpie­lbanken. Damals habe es in der Belegschaf­t sehr viele Ängste gegeben, sagt Schnabel. Heute spricht er von einer „idealtypis­chen Symbiose“. „Wir sind uns sicher, dass das für uns die richtige Entscheidu­ng war, aber das auch die Kolleginne­n und Kollegen davon profitiere­n.“

Insgesamt 400 Spielautom­aten stehen in der Duisburger Spielbank. Die meisten davon im Erdgeschos­s, das täglich ab 11 Uhr geöffnet hat. Roulette, Black Jack und Poker kann ab 16 Uhr eine Etage höher gespielt werden. Auf beiden Etagen gibt es eine Bar für Getränke und Snacks. Die Besucher können auch KombiPaket­e buchen, die Essen, Trinken und Spielen kombiniere­n.

„Es gibt eine Vielzahl von Gästen, die sich hier treffen“, sagt MerkurGesc­häftsführe­r Schnabel. Einigen gehe es vor allem um das Ambiente. Die allermeist­en kommen allerdings zum Zocken. Und um das möglichst attraktiv erscheinen zu lassen, parkt auch ein blauer BMW mitten zwischen den Automaten. Im Schnitt wird ein Auto pro Monat in Duisburg ausgespiel­t, in der Ecke steht bereits das Nächste. Wer es gewinnt? Reiner Zufall. Irgendwann im Laufe der Wochen wird einem Automaten der Gewinn zugeordnet. Dann hat die Konfettika­none ihren großen Einsatz.

Für Spielbanke­n ist das immer ein schmaler Grat. Auf der einen Seite sorgen besondere Preise oder Aktionen wie eine Karaoke-Show und Künstlerau­ftritte für mehr Aufmerksam­keit. Auf der anderen Seite motivieren sie dazu, immer mehr Geld zu setzen. Gerade bei denen, die das selbst nicht gut kontrollie­ren können. Die Gäste können pro Tag theoretisc­h unendlich viel Geld ausgeben, einen Maximalbet­rag gibt es nicht. Bei Gauselmann betonen sie, dass die Mitarbeite­r entspreche­nd sensibilis­iert seien und auch die Systeme erkennen würden, wenn jemand plötzlich viel mehr spiele. Dann würden diejenigen auch angesproch­en. „Spielsucht und problemati­sches Spielverha­lten lassen sich nicht mit einem Blick erkennen“, sagt Schnabel. „Man kann mit diesem Thema aber ernsthaft und gewissenha­ft umgehen.“Seit knapp zwei Jahren können sich Menschen zudem auch bundesweit spielformü­bergreifen­d selbst sperren lassen. „Das ist eine sinnvolle Maßnahme“, sagt Schnabel.

Der Spielsücht­ige vor dem Automaten ist das eine

Klischee, das Spielbanke­n verfolgt.

Reiche Menschen im Anzug sind das andere. Auch das sei überholt. „Krawattenz­wang gibt es in keiner deutschen Spielbank mehr“, sagt Mario Hoffmeiste­r. Natürlich gebe es weiterhin Vorgaben für ein gepflegtes Äußeres, kurze Hosen und Sandalette­n gingen nicht. Darüber hinaus ist aber vieles möglich. „Man soll sich hier wohlfühlen, frei von irgendwelc­hen Zwängen“, sagt Wieback.

Der Wohlfühlfa­ktor ist es auch, mit dem sich die Spielbank weiterhin von der Konkurrenz absetzen will. Denn die wächst vor allem online. Immer mehr Menschen verlassen zum Glücksspie­l nicht mehr das Haus. „Im Online-Bereich sind ganz viele illegale Angebote zu finden, die sich nicht an die Vorgaben halten. Das verzerrt extrem den Wettbewerb“, sagt Schnabel. Dieser Aufgabe müsse sich die Politik annehmen. Ansonsten glaubt er, dass es Publikum für beide Angebote gebe. „Sie entscheide­n sich, ob Sie zuhause im Trainingsa­nzug mit einer Tüte Chips vor dem Monitor spielen möchten oder nicht doch lieber den Abend hier in Gesellscha­ft verbringen.“

Nicht nur die Kleidung hat sich über die Jahrzehnte geändert, auch die Nachfrage. Vor 30 Jahren machte das „klassische Spiel“mit anderen Besuchern noch vier Fünftel des Umsatzes aus, heute ist es nur noch ein Fünftel. Michael Wiebeck ist seit 40 Jahren im Geschäft, er kennt beide Zeiten. Über eine ausgeschal­tete Rolltreppe führt er die Besucher ins Obergescho­ss. Dort ist noch nicht geöffnet. Die Atmosphäre ist anders, edler. Von der Decke hängen Raumelemen­te, die an Wolken erinnern sollen. Im Hintergrun­d sind Sterne zu sehen. Roulette, Black Jack, Poker und UTH, eine Art Poker gegen die Bank, können die Besucher hier oben spielen. Ein bisschen ist es der Blick in die gute alte Zeit der Casinos.

Sterben die Spielbanke­n irgendwann ganz aus? Wiebeck glaubt das nicht. Wegen Corona sei auch in Duisburg ein halbes Jahr geschlosse­n gewesen, danach war es so voll wie vorher. „Es gibt das Bedürfnis nach Kontakten“, sagt Wiebeck. Daher blicke er zuversicht­lich in die Zukunft. „Es muss Freude bereiten, in die Spielbank zu gehen. Dann sind wir weiterhin ein fester Bestandtei­l der Gesellscha­ft.“

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FOTOS: CHRISTOPH REICHWEIN An einem der Rouletteti­sche sind die möglichen Höchsteins­ätze angegeben.
 ?? ?? Der aktuelle Hauptgewin­n im Monatsjack­pot steht mitten im Raum: Ein BMW M4 Cabrio. Wer ihn gewinnt, wird zu einem zufälligen Zeitpunkt unter allen gerade spielenden Besuchern ausgelost.
Der aktuelle Hauptgewin­n im Monatsjack­pot steht mitten im Raum: Ein BMW M4 Cabrio. Wer ihn gewinnt, wird zu einem zufälligen Zeitpunkt unter allen gerade spielenden Besuchern ausgelost.
 ?? ?? David Schnabel (v.l.), Michael Wiebeck und Mario Hoffmeiste­r während des Rundgangs durch die Duisburger Spielbank.
David Schnabel (v.l.), Michael Wiebeck und Mario Hoffmeiste­r während des Rundgangs durch die Duisburger Spielbank.
 ?? ?? Überall in der Duisburger Spielbank blinkt es. Grelle Lichter dominieren das Gesamtbild in dem Gebäude.
Überall in der Duisburger Spielbank blinkt es. Grelle Lichter dominieren das Gesamtbild in dem Gebäude.
 ?? ?? Das Kernstück des Casino-Geschäfts sind mittlerwei­le die Spielautom­aten. 400 von ihnen sind in allen Formen und Farben in Duisburg zu finden.
Das Kernstück des Casino-Geschäfts sind mittlerwei­le die Spielautom­aten. 400 von ihnen sind in allen Formen und Farben in Duisburg zu finden.
 ?? ?? Ein Cowboy begrüßt die Besucher der Spielbank.
Ein Cowboy begrüßt die Besucher der Spielbank.
 ?? ?? Roulette wird an jedem Tisch mit anderen Jetons gespielt.
Roulette wird an jedem Tisch mit anderen Jetons gespielt.
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